Umgang mit Asbest in der Praxis

Schritt 3: Maßnahmen

 

Ob und ggf. welche Maßnahmen erforderlich sind, hat die Bewertung ergeben. Nach Gefahrstoffverordnung ist jedoch der Umgang mit Asbest generell verboten mit der Ausnahme von Abbruch, Sanierungs- oder Instandhaltungsarbeiten. Auch über die Notwendigkeit des Abbruchs, oder ob Sanierungen oder Instandhaltungen mäglich sind, hat die Bewertung nach Asbestrichtlinie sozusagen entschieden.

In der TRGS 519 ist genau festgelegt, was man genau unter diesen 3 Begriffen versteht:

Abbruch

Der Abbruch von Asbest oder asbesthaltigen Erzeugnissen ist gemäß GefStoffV erlaubt und in der TRGS 519 genauer definiert. Das macht auch Sinn, denn sonst müsste man die ganzen Asbest-Bausünden schlicht stehen lassen.

Die TRGS 519 sagt dazu in Kapitel 2.1 “Abbrucharbeiten

(1) Abbrucharbeiten im Sinne dieser TRGS umfassen das vollständige Abbrechen (Rückbau) baulicher Anlagen oder Teilen davon, das Abwracken von Fahrzeugen einschließlich Schiffen, das Demontieren von Anlagen oder Geräten usw. einschließlich der erforderlichen Nebenarbeiten.

(2) Abbrucharbeiten im Sinne dieser TRGS umfassen auch das vollständige Entfernen asbesthaltiger Materialien aus bzw. von baulichen Anlagen oder Teilen davon, sowie aus Fahrzeugen, Schiffen und Geräten einschließlich der erforderlichen Nebenarbeiten.
Solche Abbrucharbeiten können z.B. betreffen

  • schwach gebundene Asbestprodukte,
  • Asbestzementprodukte,
  • asbesthaltige Estriche, Bodenbeläge, Kleber, Spachtelmassen, Anstriche, Beschichtungen.

(3) Instandhaltungsarbeiten gemäß Nummer 17.3 und 17.4 gelten nicht als Abbrucharbeiten, auch wenn in Bezug auf die betrachtete Anlage nach Beendigung der Maßnahme keine asbesthaltigen Teile mehr vorhanden sind.

 


Sanierung

Was ist eine Sanierung und wann wird sie fällig? Genau dann, wenn ein asbesthaltiges Produkt beschädigt ist. Wenn es aber beschädigt ist und nur dann seinen Zweck erfüllen kann, wenn es repariert bzw. saniert wird, dann ist doch die Nutzungsdauer bereits zu Ende! Ist somit nicht automatisch die Nutzungsdauer laut REACH und LASI zuende?

Die TRGS 519 sagt hierzu unter 2.2 “Sanierungsarbeiten”

Sanierungsarbeiten im Sinne dieser TRGS umfassen das Beschichten und die räumliche Trennung schwach gebundener Asbestprodukte einschließlich der erforderlichen Nebenarbeiten sowie vorläufige bauliche Maßnahmen im Sinne der Asbestrichtlinien der Länder.

Asbestpappe im Scharnier einer Brandschutztüre © Heiko Hofmann

Laut TRGS 519 umfassen Sanierungsarbeiten das Beschichten und die räumliche Trennung schwach gebundener Asbestprodukte einschließlich der notwendigen Nebenarbeiten wie das Begehen von asbestbelasteten Räumen zum Zweck der Probennahme und Beurteilung, Errichten von Baustellen, Reinigen, etc.

Sanierung durch Beschichtung

Sanierung durch Überdeckung oder vorläufige Maßnahme bis zur endgültigen Sanierung? © Heiko Hofmann

Die Beschichtung von belasteten Produkten ist allerdings problematisch: Gerichtsurteile verbieten das Beschichten, weil es einerseits kein Produkt gibt, das für die dauerhafte und sichere Beschichtung von Asbestprodukten zugelassen ist und andererseits, um zu vermeiden, dass die Beschichtung als Maßnahme ausgenutzt wird um die Nutzungsdauer zu verlängern und somit die Ausschleusung von Asbest aus dem Wirtschaftskreislauf zu verzögern oder gar zu verhindern. Generell gilt zwar die TRGS 519, und nach dieser ist das Beschichten erlaubt.

Sanierung durch räumliche Trennung

Freigelegter Querschnitt durch eine Promabest-Sprossenwand. Erste Schicht aus Promat, darunter Promabest, dann der zu schützende Stahlträger. Eingehaust in Plexiglas und gesichert. © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0

Während die Beschichtung im wesentlichen als Übermalen mit Farbe oder Kunststoff verstanden werden kann, ist die räumliche Trennung etwas flexibler in der Ausführung. Räumliche Trennung ist als Vorrichtung zu verstehen, die es verhindert, dass man in Berührung mit asbesthaltigen Bauteilen kommt. Dies muss nicht dauerhaft oder absolut sein. Eine räumliche Trennung kann eine zusätzliche Wand sein, ein abschließbarer Raum, der nicht oder nur durch Fachpersonal betreten werden kann oder eine Plexiglasscheibe. Die Beschichtung kann nicht mehr entfernt werden, ohne ggf. das asbesthaltige Bauteil zu beschädigen – eine räumliche Trennung kann zurückgebaut werden.

Im Bild rechts wurde ein Querschnitt durch eine offen liegende Promabest-Sprossenwand durch eine Plexiglas-Einhausung “räumlich getrennt” und so der Austritt von Asbestfasern verhindert. Allerdings entspricht dies natürlich keiner Sanierungsmaßnahme!

Ist ein Klebestreifen auf einer offen liegenden Asbestpappe nun eine Beschichtung oder eine räumliche Trennung? Oder ist es eine vorläufige Maßnahme zur Verhinderung der Freisetzung von Asbestfasern bis zur endgültigen Sanierung, weil diese nicht sofort möglich ist? Oder ist es eine räumliche Trennung durch Beschichtung? Oder erfüllt die Maßnahme bereits die Voraussetzungen einer endgültigen Sanierung?

Überdeckungsverbot

Das OVG Sachsen-Anhalt stellte 2016 zusammenfassend fest:

„Dient … eine Tätigkeit – wie … die schlichte Überbauung eines asbesthaltigen Gebäudeteils – weder dem Abriss, der Sanierung noch der Instandhaltung des asbesthaltigen Teiles eines Gebäudes, ist der Umgang mit dem Gefahrstoff Asbest zum Schutz der Beschäftigten und anderer Personen nicht gestattet.“

Oberverwaltungsgericht des Landes Sachen-Anhalt (2016) Beschluss 3. Senat vom 11. April 2016, Untersagung von Arbeiten an asbesthaltigen Gebäudeteilen, 3 L 90/15, 1 A 149/13 M

Dieses Urteil verbietet nicht explizit die Beschichtung. Die Beschichtung darf nur nicht dem Zweck dienen, das asbesthaltige Bauteil durch Überdeckung zu verstecken. Es also soll verhindert werden, dass durch einen Trick, die Erkennung asbesthaltiger Bauteile erschwert wird und die Nutzungsdauer somit künstlich (unendlich) in die Länge gezogen wird…

Auch die Sanierung durch (bestimmte) räumliche Trennungen darf demnach nur eine vorübergehende Maßnahme zum Schutz der Gesundheit sein, niemals aber eine Dauerlösung, um die Lebens- bzw. Nutzungsdauer eines asbesthaltigen Produktes oder Bauteils künstlich zu verzögern.

Leider gibt es für die Begriffe räumliche Trennung und Beschichtung gewisse Interpretationsspielräume, die ggf. ausgenutzt werden können. Jeder will natürlich Asbest loswerden, die Sanierung ist jedoch kostenintensiv. Niemand will viel Geld ausgeben, also wird versucht, mit möglichst wenig Aufwand der Gesetzgebung Rechnung zu tragen.

Problematisch ist außerdem, dass ein saniertes Bauteil nicht mehr nach Asbestrichtlinie neu bewertet werden muss. Die Problematik ist bekannt und wird ganz sicher in naher Zukunft in eine überarbeitete Version der TRGS 510 bzw. in die Gefahrstoffverordnung aufgenommen und präzisiert.


Instandhaltung

Instandhaltung beinhaltet laut Leitlinien zur GefStoffV die Wartung, Inspektion und Instandsetzung. Instandsetzung bedeutet aber “die Wiederherstellung eines Soll-Zustandes“. Ein Soll-Zustand muss aber nur dann wieder hergestellt werden, wenn das Bauteil seinen ursprünglichen Zweck ohne Wiederherstellung nicht mehr erfüllt… Also ist doch die Nutzungsdauer abgelaufen und das Bauteil muss entsorgt werden… Entgegen des Wortlautes der TRGS 519 muss also, um auf Nummer sicher zu gehen, der Begriff Instandsetzung weggelassen werden!

Inspektion und Wartung dienen dazu, dass es nicht zur Instandsetzung kommt, weil ein Produkt durch kleine Maßnahmen so gepflegt wird, dass keine Sanierung oder Reparaturen notwendig werden.

Die TRGS 519 sagt hierzu in Kapitel 2.3 “Instandhaltungsarbeiten”

Instandhaltungsarbeiten im Sinne dieser TRGS umfassen alle Maßnahmen zur Bewahrung des Soll-Zustandes (Wartung), zur Feststellung und Beurteilung des Ist-Zustandes (Inspektion) und zur Wiederherstellung des Soll-Zustandes (Instandsetzung). Unter Instandhaltungsarbeiten fallen die dafür erforderlichen Nebenarbeiten sowie Tätigkeiten nach Nummer 17 dieser TRGS.

Inspektion und Wartung

Was Wartungsarbeiten betrifft, dienen diese dem Zweck der Überprüfung, ob ein Produkt weiterhin ordnungsgemäß funktioniert. Solche Arbeiten sind also zwingend erforderlich. Allerdings dürfen diese Arbeiten nicht dazu führen, dass Asbestfasern freigesetzt werden.

Asbesthaltige Brandschutzklappe mit Anschlagdichtung aus Asbest © Heiko Hofmann

Nehmen wir die Wartung von Brandschutzklappen an. Die können durchaus, je nach Bauart und Baujahr, aus asbesthaltigem Material bestehen oder die Anschlagdichtungen können Asbest enthalten. Beim Betätigen der Klappe könnte also Asbest freigesetzt und durch die Lüftungskanäle weiter verteilt werden. Nun schreibt die Brandschutzordnung die regelmäßige Prüfung solcher Klappen vor. Hierfür müssen sie betätigt werden. Hierdurch könnte Asbest freigesetzt werden. Also ist diese Tätigkeit prinzipiell verboten. Was gilt nun: Der Brandschutz oder die TRGS 519 bzw. die GefStoffV?

Schwarzbereich zur Sicherung beim Test einer Brandschutzklappe © Heiko Hofmann

Hier werden die Leitlinien zur Gefahtstoffverordnung (LASI) konkreter: Die Prüfung von Brandschutzklappen ist notwendig und deshalb zulässig. Allerdings unter Auflagen:

  • Die Arbeiten müssen bei der Gewerbeaufsicht angezeigt werden.
  • Die Arbeiten müssen von geschultem Personal durchgeführt werden.
  • Die Arbeiten sind unter größtmöglichen Sicherheitsvorkehrungen durchzuführen und
  • Die Arbeiten dürfen nur unter Aufsicht einer oder mehrerer sachkundiger* Personen durchgeführt werden.

Darüber hinaus darf der Ausbau einer Brandschutzklappe nur von einer zugelassenen Spezialfirma vorgenommen werden.

*Sachkundig ist, wer im Rahmen einer Ausbildung die Asbest Sachkunde (einschließlich Prüfung) erworben hat und über die nötige Erfahrung im Umgang mit asbesthaltigen Produkten verfügt.

Generell gilt: Soweit die asbesthaltigen Bauteile nicht abgebrochen werden müssen, müssen sie “unangefasst” bleiben!

Fragen ohne klare Antworten

  • Wo genau endet die Instandhaltung und wo fängt die Sanierung an?
  • Darf nun saniert werden oder führt Sanierung gem. TRGS zum Ende der Nutzungsdauer gem. LASI, was wiederum nur den Abbruch des betroffenen Produktes erlaubt?
  • Ist Beschichten nun erlaubt oder nicht und ist die Beschichtung nur eine Erste-Hilfe Maßnahme oder eine Sanierung?

Sicherung der Arbeitsbereiche

Unabhängig davon, ob man Asbestprodukte abbaut, saniert oder instandhält – der jweilige Arbeitsbereich muss gesichert werden.

Privatpersonen müssen ebenso wie Fachfirmen irgendwie dafür sorgen, dass keine Asbestfasern in die Umgebung, also nach draußen an die frische Luft, freigesetzt werden (können). Alles, was innerhalb des Eigenheims geschieht, also wie Sie als Privatperson vorgehen, wird in der Regel nicht kontrolliert. Beachten Sie jedoch, dass Sie vorab genau prüfen, ob es sich bei den geplanten Arbeiten um eine Baumaßnahme handelt, die wiederum bei der zuständigen Behörde als solche beantragt werden und durch diese genehmigt werden muss. Es kann also durchaus passieren, dass hierdurch die Frage aufkommt, ob die Gefahr der Asbestfreisetzung besteht und die Behörde daraufhin eventuell dei Maßnahme nicht genehmigt und vorschreibt, eine Sanierungsfirma hinzuzuziehen.

Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber sind verpflichtet, dafür zu sorgen, dass durch die Arbeiten keine fasern in die Umgebung freigesetzt werden und müssen zusätzlich durch genau festgelegte Maßnahmen für den Schutz aller beteiligter Personen treffen. Dies betrifft insbesondere die Einrichtung von Schwarzbereichen mit Schleusen sowie die Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung (PSA) und die rechtzeitige Anzeige der Arbeiten an die Behörde samt Arbeitsplan und Gefährdungsbeurteilung. Diese Aufgaben übernehmen jedoch die beauftragten Fachfirmen und / oder sachverständigen Gutachter.

Schleuse zwischen Schwarzbereich und Weißbereich © Heiko Hofmann

Wie die Schutzmaßnahmen gestaltet werden müssen, ist in der TRGS 519 ebenfalls genau festgelegt.

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