Neue Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten

Am 04.12.2024 wurde die neue Gefahrstoffverordnung GefStoffV veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt. Genauer heißt die Verordnung “Änderungsverordnung zur Gefahrstoffverordnung”. Grund ist, weil die GefStoffV nur geändert und ergänzt wurde und nicht komplett neu verfasst, so wie zuletzt 2001.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

  • Mitwirkungspflicht der Veranlasser
  • Vermutungsklausel
  • Mitwirkungspflicht der Auftragnehmer
  • Grenzwerte

TRGS 519 nun in GefStoffV integriert

Gänzlich neu ist, dass ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen TRGS 519 nun von der rechtlichen Ebene eines Regelwerks, einer sogenannten “Technischen Regel”, in den “Adelsstand” einer Rechtsverordnung gehoben wurde. Damit entfällt automatisch das Prinzip, nach dem die getroffenen Schutzmaßnahmen zwar abweichen dürfen, aber nur dann, wenn sie mindestens gleichwertig sind oder besser. Dieser Spielraum bzw. diese Flexibilität bei der Einschätzung der zu treffenden Schutzmaßnahmen bei ASI Arbeiten fällt weg.

Kurz: Was zu ASI Arbeiten und Schutzmaßnahmen in der GefStoffV steht, gilt und kann nicht anderweitig ausgelegt werden. Das ist gut so!

Abbruch, Sanierung und Instandhaltung

Die Begriffe Abbruch, Sanierung und Instandhaltung wurden in der GefStoffV (neu) definiert und präzisiert. Dabei wurden bis zuletzt umstrittene Auslegungen der Begriffe “Sanierung” und “Instandhaltung” berücksichtigt und so formuliert, dass keine Missverständnisse mehr bestehen sollten.

Beispielsweise wurde endlich die Frage geklärt, was “räumliche Trennung” ist und was man unter dem sogenannten “Überdeckungsverbot” versteht, das zusammen mit dem berühmten Morinol-Urteil aufkam.

Das grundlegende Prinzip bei der Sanierung und Instandhaltung (bzw. auch Instandsetzung) ist:

  • Asbestprodukte dürfen nicht instandgesetzt werden, nur Anlagen, die Asbestprodukte enthalten, indem diese Produkte ausgebaut werden.
  • Asbestprodukte dürfen nicht versteckt werden oder so kaschiert, dass sie in Vergessenheit geraten könnten. Sie dürfen auch nicht so zugebaut werden, dass eine Rückholbarkeit nicht mehr oder nur sehr schwer möglich ist. Dies wurde häufig mit der “räumlichen Trennung” verwechselt oder bewusst ausgelegt.

Pflichten des Veranlassers

Ein Veranlasser ist im Prinzip der Bauherr. Jeder, der ASI Arbeiten (und das sind praktisch alle Arbeiten an Asbest oder asbesthaltigen Bauteilen) veranlasst, also Aufträge zur Arbeit damit vergibt.

Damit man nicht unbewusst oder unbeabsichtigt (oder auch bewusst oder beabsichtigt…) Auftragnehmer in eine Situation bringt, in der diese durch ihre Arbeit (bewusst oder unbewusst) Schadstoffe freisetzen oder indirekt freigesetzt werden können und die Personen dabei einer Gefahr für die Gesundheit ausgesetzt werden können, muss der Veranlasser dem Auftragnehmer wichtige Informationen zum Objekt liefern.

Die wichtigste Information ist dabei das Baujahr (in einem spezifischen Intervall sogar das Baudatum) mitteilen. Außerdem sämtliche Informationen zum Bau oder Objekt, die dem Bauherrn vorliegen, damit der Auftragnehmer in der Lage ist, einzuschätzen, ob mit Bauschadstoffen gerechnet werden muss.

Der Bauherr ist dabei nicht unbedingt dazu verpflichtet, auch die Erkundung von Bauschadstoffen in Auftrag zu geben. Dies wäre aber ratsam, wenn der Bauherr die Kontrolle über die Analytik behalten möchte.

Der Auftraggeber darf dem Auftragnehmer keine Informationen vorenthalten, die zur Klärung der Situation, ob Bauschadstoffe vorhanden sein könnten, beitragen können. Das ist sehr wichtig. Somit ist der Auftraggeber in gewisser Hinsicht mit in der Haftung.

Vermutungsklausel

Die sogenannte Vermutungsklausel hat es in die GefStoffV geschafft! Sie sagt, dass in allen Gebäuden mit einem bestimmten Baujahr (bzw. Gebäuden, die bis und vor 1993 gebaut oder umgebaut wurden), mit Asbest und Produkten daraus gerechnet werden muss.

Das ist an sich nicht neu. Nun ist es aber durch die Aufnahme in die GefStoffV in “Granit gemeißelt”! Die Folge ist, dass praktisch immer eine Erkundung durchgeführt werden muss, wenn keine Klarheit besteht. Das ist nun Gesetz!

Mitwirkungspflichten der Auftragnehmer: Gefährdungsbeurteilung

Auftragnehmer haben die Pflicht, im Zweifel die nötigen Informationen über das Objekt vom Auftraggeber einzufordern. Schließlich müssen sie wissen, womit sie es zu tun bekommen und ggf. ob sie überhaupt tätig werden dürfen.

Deren wichtigstes Instrument zum Schutz der Beschäftigten ist die Gefährdungsbeurteilung. Die Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung besteht generell für Arbeitgeber gem. Arbeitsschutzgesetz und der DGUV Vorschrift 1 (“Unfallverhütungsvorschrift”) der Deutschen Gesetzlichen UnfallVersicherung.

In diesem speziellen Fall sind nun Auftragnehmer, die meist auch Arbeitgeber sind, verpflichtet, eine spezifische Gefährdungsbeurteilung für Bauschadstoffe durchzuführen, und zwar auf Grundlage der Informationen, die sie vom Auftraggeber erhalten haben.

Eine Ausrede, man habe keine oder kaum Informationen bekommen, zählt dabei nicht. Dann muss man sich die Informationen beschaffen. Wenn für die Gefährdungsbeurteilung oder für die daraus abzuleitenden Maßnahmen eine Erkundung von Schadstoffen (durch Probennahme und Analytik) notwendig ist, dann müssen die Auftragnehmer Sachverständige einbeziehen, die sich um die Analytik kümmern, sofern sie dies nicht selbst dürfen (aufgrund fehlender Sachkunde).

Die Kosten für die Hinzuziehung von Sachverständigen können auf den Auftraggeber umgelegt werden.

Wichtig:

Sollte sich bei der Erkundung herausstellen, dass Bauschadstoffe (insbesondere Asbest) vorhanden sind, dürfen die Arbeiten, die mit diesen Stoffen in Kontakt kommen und diese freisetzen könnten, ausschließlich von sachkundigen Personen durchgeführt werden. Sprich: Es geht nicht ohne Sachkunde nach TRGS 519, wenn Asbest im Spiel ist. Verstößt man dagegen, drohen empfindliche Bußgelder und schlimmstenfalls Untersagung des Betriebs.

Umgang mit Asbest oder asbesthaltigen Bauteilen dürfen nur Sachkundige ausüben!

Wichtig für Privatpersonen:

Diese Regelungen der GefStoffV gelten auch für Privathaushalte!

Grenzwerte

In der neuen GefStoffV (folglich in der TRGS 519) werden die Begriffe “schwach gebundener Asbest” und “fest gebundener Asbest” nicht mehr auftauchen. Das ist gut so, denn diese Begriffe waren uneindeutig und schwer zu fassen.

Das wird aber große Auswirkungen auf die neue Formulierung der TRGS 519 haben. Man darf gespannt sein.

Künftig geht es um das Faserfreisetzungspotential, ein sperriges Wort. Es bedeutet aber genau, was drin steht, nämlich die Fähigkeit eines asbesthaltigen Produktes, Fasern freizusetzen. Das hängt nicht nur vom Produkt ab, sondern von der Art der Bearbeitung.

Der Auftragnehmer ist künftig verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzustellen oder zumindest einzuschätzen, bei welcher Tätigkeit an welchem Produkt welche Fasermenge (bezogen auf die Faserkonzentration F/m3) freigesetzt werden kann, um auf dieser Grundlage Schutzmaßnahmen festzulegen.

Um dies etwas zu vereinfachen, wurden 3 Gefahrenbereiche (wie im Arbeitsschutz auch) definiert:

  • Akzeptanzbereich (Bereich mit niedrigem Risiko: grün)
  • Toleranzbereich (Bereich mit mittlerem Risiko: gelb)
  • Gefahrenbereich (Bereich mit hohem Risiko: rot)

Die neue TRGS 519 wird dazu Hilfestellungen anbieten, um den jeweiligen Bereich besser einschätzen zu können.

Welche Grenzwerte gelten werden, die diese Bereiche voneinander trennen, ist noch nicht abschließend geklärt. Da wird man die TRGS 519 abwarten müssen. In der GefStoffV steht nur, dass es diese Bereiche gibt und wie die Grenzen genannt werden.

Als Grundlage für die Grenzwerte gilt die neue EU-Asbestrichtlinie. Darin ist jedoch von nur einem Grenzwert die Rede. Allerdings hat man 2 Konzentrationen eingeführt: Eine einschließlich der Berücksichtigung “dünner Fasern” und einen Wert ohne.

Was soll denn das?

Grund dafür ist, dass in der EU noch verschiedene Analysemethoden für Asbest eingesetzt werden und auch zulässig sind, nämlich

  • optische Mikroskopie (Phasenkontrastmik. oder Polarisatioksmik.)
  • Raseterelektronenmikroskopie

Die optische Mikroskopie ist dabei nicht so hochauflösend. Dabei werden demnach die ganz kleinen Fasern (“dünne Fasern”) mit einer Dicke von < 200 nm (Nanometer = 10 hoch minus 9 Meter) nicht gut erkannt. Man legte deshalb fest, dass die “Ausbeute” der Fasererkennung beim REM rund 5 Mal höher ist als beim optischen Mikroskop. Legte man für beide Methoden dieselben Grenzwerte fest, wäre die Faserzahl bei der Analyse mit REM immer deutlich zu hoch. Oder eher umgekehrt, bei der optischen Methode deutlich zu niedrig, weil ja nicht alles erkannt wird.

Deshalb ist der Grenzwert laut EU-Richtlinie

  • bei REM: 10.000 F/m3
  • bei Opt: 2000 F/m3

Wie Sie vielleicht wissen, müssen aber europäische Richtlinien (im Gegensatz zu Verordnungen) erst in nationales Recht umgesetzt werden. Dies geschieht natürlich einerseits durch die neue GefStoffV, aber eben noch nicht ganz. Die Grenzwerte (als Zahlen) fehlen noch.

Generell strebt die TRGS 910 bereits nach dem unteren Grenzwerte von 1000. Ob diese 1000 jedoch auch für Asbestfasern pro m3 Luft gelten werden, ist offen.

Im Augenblick empfiehlt die EU Richtlinie bei der Methode mit REM noch immer einen Grenzwert von 10.000 F/m3. Ob die TRGS dies auf 1000 F/m3 senken wird, bleibt abzuwarten.

 

 

 

 

Wie die Presse zur Angst vor Asbest beiträgt

Vor einigen Wochen meldete sich die BG Bau zu Recht zu Wort und äußerte sich über deren Befürchtung, dass es im Zusammenhang mit der energetischen Sanierung alter Gebäude zum fahrlässigen Umgang mit Asbest kommen könnte und warnt vor einer “neuen Krankheitswelle”.

Die Befürchtung, dass aufgrund der Probleme, Handwerksbetriebe zu finden, die dazu noch über Asbest-Sachkunde verfügen, viele Handwersbetriebe ohne Sachkunde beauftragt werden oder Privatpersonen gleich selbst tätig werden, ist durchaus begründet. Ob dies jedoch eine “Krankheitswelle” auslöst, ist dick aufgetragen.

Dennoch ist es absolut richtig, auf die Problematik aufmerksam zu machen. Nicht nur auf die Gesundheitsrisiken, sondern auch auf die Rechtslage: Denn ohne Sachkunde Hand anzulegen, wenn es um Asbest geht, ist verboten

Zur Definition der WHO-Fasern

Viele Analyselabore und Sachverständige verwenden den Begriff der “WHO-Faser” ausschließlich im Zusammenhang mit Künstlichen Mineralfasern (KMF) und hierbei sehr oft nur mit den KMF, die als krebserzeugend gelten.

Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass es sich bei Asbestfasern nicht um WHO-Fasern handelt, auch wenn diese dieselben Dimensionen haben.

Als WHO-Fasern werden Fasern mit den Abmessungen

  • D < 3µm
  • L > 5µm
  • L : D > 3

Wobei D = Durchmesser, L =Länge, L : D = Verhältnis aus Länge zu Durchmesser.

Die irrtümliche Verwendung beruht auf einer mißverständlichen Formulierung aus der TRGS 905 “Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe“,

2.3 Anorganische Faserstäube (außer Asbest)
(1) Dieser Abschnitt gilt für anorganische Fasern (ausgenommen Asbest) mit einer Länge > 5 μm, einem Durchmesser < 3 μm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von > 3:1 (WHO-Fasern).

Hier kann tatsächlich der Eindruck entstehen, die Definition der WHO-Faser gilt nicht für Asbestfasern, denn hier steht schließlich “ausgenommen Asbest”.

Gemeint ist tatsächlich, dass der folgende Abschnitt nicht für Asbestfasern gilt, weil dieser die Berechnung des Kanzerogenitätsindex (KI) für KMF beinhaltet – und der trifft natürlich nicht auf Asbest zu. Das ist aber nicht gleichbedeutend, die Definition der WHO-Faser gelte nicht für Asbest.

Richtig ist:

Die Definition der WHO-Faser gilt für alle Faserstäube bzw. Fasern mit genau dieser Geometrie, unabhängig von der Art und Herkunft. Das ist auch nur logisch, denn bei der Definition der Fasergeometrie der WHO (Weltgesundheitsorganisation) geht es um die Frage, welche krebserzeugenden Fasern haben die geeignete Form, um die tiefen Lungenregionen (Alveolen) erreichen zu können.

Ein Blick in die TRGS 517 “Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen bringt etwas Klarheit:

2.4 Asbestfasern
Als Asbestfasern werden solche Fasern bezeichnet, die nach ihrer chemischen Zusammensetzung den sechs Asbestmineralen zuzuordnen sind und die Abmessungen nach WHO (Länge > 5 μm, Durchmesser < 3 μm, Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis > 3:1) aufweisen. …

 

ZDF Heute zitiert Beitrag von Heiko Hofmann

Die Internetseite von ZDF-Heute berichtet heute über die Asbestprproblematik beim Sanieren älterer (vor 1993 gebauter oder Renovierter) Häuser im Zuge der Energiewende. Dabei wird in den FAQ unter der Überschrift “Was ist an Asbest gefährlich” mein Beitrag auf der Webseite meiner Arbeitgeberin, der Universität Konstanz, zitiert.

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/asbest-entsorgen-gesundheit-sanierung-100.html

Die Tatsache, dass qualitativ hochwertige Presse die von mir verfassten Inhalte der Internetseite der Uni-Konstanz (also auch dieser Webseite Asbest-Beratung.de) zum Thema Asbest zitiert, bedeutet, dass diesen Inhalten für eine Berichterstattung vertraut wird.

Neue LAGA M23 veröffentlicht

Am 08.05.2023 hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) das neue Merkblatt M23 “Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle” veröffentlicht.

Die Regelungen zur Behandlung asbesthaltiger Abfälle waren bisher bereits relativ streng. Die Neuauflage der LAGA M23 verschärft und präzisiert die Regelungen nochmals.

Künftig muss bei geplanten ASI Arbeiten (Abbruch, Sanierungs- und Abbrucharbeiten) vorab nicht nur abgeklärt, sondern nachgeweisen werden, ob das Objekt asbesthaltige Produkte enthält und ob asbesthaltiger Abfall entstehen wird. Die Konsequenz ist demnach, dass diese Nachweise (durch Beprobung und Analytik) bei allen ASI Vorhaben in Gebäuden, die vor dem Asbestverbot 1993 errichtet oder saniert wurden, geführt werden muss. Also auch im Verdachtsfall.

Asbesthaltige Produkte und Geräte wie z.B. alte Nachtspeicheröfen, Elektrogeräte, etc. müssen, sofern dies möglich ist, in die asbesthaltigen Bestandteile und nicht-asbesthaltige Bestandteile zerlegt und getrennt werden.

Grundsätzlich ist diese Trennung deshalb notwendig, um die asbesthaltigen Bestandteile durch Verbrennung zu vernichten. Ist keine Trennung möglich, müssen die asbesthaltigen Bestandteile so behandelt werden, dass keine Faserfreisetzung möglich ist.

Die LAGA M23 ist zwar eine “Mitteilung” und keine verbindliche Rechtsvorschrift. Aber auch hier gilt wie bei allen DIN-Normen und TRGS Regeln, dass sie den “Stand der Technik” darstellen und deshalb mit Rechtsvorschriften quasi gleichrangig behandelt werden.

Wenn Sie als Firma oder auch Privatperson ASI Arbeiten planen, müssen Sie sich mit den Regelungen der TRGS 519, der GefStoffV und der neuen LAGA M23 befassen!

Grob fahrlässiges Fehlverhalten eines Heizungsbauers

Ein Kunde schilderte mir vor Kurzem den folgenden Fall:

Der Eigentümer (Vermieter) eines Mehrfamilienwohnhauses beauftragte einen Heizungsbauer mit der Erneuerung der Heizungsanlage. Der Auftragnehmer sendete zur Durchführung der Arbeiten seinen Gesellen.

Abwasserrohr und Zuluftschacht für Ölheizung aus Asbestzement. © Heiko Hofmann

Im Heizungsraum musste ein Zuluftkanal aus Asbestzement mit quadratischem Querschnitt (siehe Bild), der die Ölheizung mit Luft versorgt, zurückgebaut werden.

Damit sich der Staub nicht im ganzen Keller und im Treppenhaus verteilt, arbeitete der Geselle im geschlossenen Raum. Selbst die Kellerfenster blieben verschlossen.

Der Geselle flexte den Lüftungskanal ohne PSA, also Maske, Schutzbrille, etc. durch und erzeugte eine extrem hohe Feinstaubmenge, der er selbst schutzlos ausgesetzt war.

Dem Kunden (Mieter) fielen die Arbeiten auf und er fragte nach, ob es sich bei dem Kanal nicht um Asbestzement handelte. Der Geselle wusste nicht, was Asbest ist. Der Kunde nahm im Anschluss eine Probe und lies sie analysieren. Der Befund war positiv: Asbestzement mit über 50% Asbestanteil.

Der Kunde fragte anschließend beim Heizungsbauer nach und dessen Antwort war: Das “könne nicht sein, denn Asbest gab es schließlich nur im Osten” (also den neuen Bundeländern). Selbst der Eigentümer (Auftraggeber) wiegelte ab.

Gesundheitliche und rechtliche Konsequenzen

Abgesehen davon, dass der Heizungsbauer grob fahrlässig gehandelt hat, hat er zusätzlich seinen Gesellen ohne Schutz und ohne dessen Wissen sprichwörtlich in eine Asbesthölle geschickt. Er hat die Gesundheit seines Mitarbeiters massiv gefährdet, ohne diesen vorab über die Gefährdung durch Asbestvorkommen zu informieren. Er hat offensichtlich die Gefahr durch Asbest sogar heruntergespielt, obwohl ihm die Problematik bekannt war. Es gab offenbar weder Sachkunde, noch eine Gefährdungsbeurteilung, geeignete Schutzmaßnahmen noch eine Anzeige an die zuständige Behörde.

Man muss leider davon ausgehen, dass dieses Verhalten ein grundsätzliches Problem des Heizungsbauers ist und nicht zu ersten Mal (und auch nicht zum letzten Mal) vorkam.

Die Faserexposition des Gesellen an nur diesem Tag (innerhalb von wenigen Minuten) war extrem. Auf diese Weise kann innerhalb weniger Arbeitswochen bei gleichen Tätigkeiten schnell ein ganzes Faserjahr zusammenkommen. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, ist in diesem Fall für den Mitarbeiter nicht mehr gering.

Falls der Fall weiter verfolgt wird, droht dem Heizungsbauer nicht nur ein Bußgeld im 5 bis 6 stelligen Bereich. Die zuständige Behörde wird darüber hinaus angesichts der Schwere des Falles und der groben Fahrlässigkeit des Heizungsbauers auch die Strafverfolgung prüfen.

Hier wurden sämtliche Regeln des Arbeitsschutzes sowie des Schutzes unbeteilgter Dritter (z.B. der Mieter) verletzt und gegen ein ganze Reihe von Rechtsvorschriften verstoßen. Deshalb geht es rechtlich nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit.

Appell an Handwerksbetriebe

Klären Sie vor Aufnahme der Arbeiten unbedingt ab, ob Sie ggf. mit asbesthaltigen Produkten in Kontakt kommen oder diese sogar bearbeiten müssen. Hier gilt der klassische Grundsatz: Nicht wissen schützt nicht vor Strafe.

Falls Sie mit Asbest rechnen müssen, legen Sie nicht ohne Nachweis der Asbestfreiheit los oder nicht ohne die nötige Sachkunde, entsprechende Schutzmaßnahmen und die Einbeziehung der zuständigen Behörde (Objektbezogene- oder Unternehmensbezogene Anzeige). Wenn Sie nicht über Sachkunde verfügen, muss eine Fachfirma hinzugezogen werden.

Die ist keine Kleinigkeit – sowohl rechtlich als auch gesundheitlich. Die Bußgelder und Strafen sind erheblich und können bei nachgewiesenem Fehlverhalten und insbesondere bei Gefährdung von Personen nicht nur die Firma sondern auch Leben ruinieren.

 

Neues Informationsportal der IFA zu krebserzeugenden Gefahrstoffen

 

GHS Piktogramm “krebserzeugend”

Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung DGUV hat ein neues Informationspoartal zu Arbeiten mit Krebserzeugenden Gefahrstoffen veröffentlicht. Insbesondere werden sehr viele Informationen rund um Asbest bereitgestellt.

Wieviele Fasern werden frei?

Die ist eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Asbest – und gleichzeitig eine der am schwersten zu beantwortenden Fragen.

Es gibt zahlreiche Tabellen in verschiedenen Fachbüchern und noch mehr Infos im Internet. Aber alle sind nur Annäherungen, die zum Teil auf Messungen beruhen und zum Teil auf Schätzungen. Diese Daten sind nur bedingt hilfreich, weil sie sehr viele pauschale Annahmen beinhalten sowie Mittelwerte aus wenigen tatsächlichen Messungen, aber nie die individuelle Situation.

Viele unbekannte Faktoren

Zu viele Faktoren spielen bei der Betrachtung einer möglichen Faserfreisetzung eine Rolle. Noch mehr Faktoren kommen zusammen, wenn man zusätzlich betrachten will, ob und wieviele Fasern tatsächlich eingeatmet werden (können).

Man benötigt Informationen über

  • Die Asbestart
  • Wieviel Asbest ein Produkt enthält
  • Die spezifische Dichte der gemischten Materialien
  • Wie fest oder leicht eingebunden das Asbest ist, also wie leicht es freigesetzt werden kann
  • Ob und wie das Produkt bearbeitet wurde
  • Die Größe des Raumvolumens
  • Ob der Raum belüftet war und wie groß der Luftaustausch im betroffenen Raum ist / war
  • Wieviel des Asbestes aufgrund der Partikelgröße schnell zu Boden sinkt und wieviel davon in der Luft bleibt – das ist die sogenannte Korngößenfraktion

Wenn es darum geht, wieviel man tatsächlich einatmet oder einatmen kann:

  • Ihren “Luftaustausch”, also Ihr Atemvolumen pro Zeitintervall
  • Ob Sie sich geschützt haben, z.B. welche Maske
  • Wie gut der Atemschutz selbst ist / war
  • Wie gut der Atemschutz getragen wurde
  • Andere Faktoren wie z.B. ein Bart, der die Wirkung des Atemschutzes verhindert
  • Das individuelle persönliche Verhalten

All diese Parameter gleichzeitig zu bestimmen, ist kaum möglich, nicht einmal in einen kontrollierten Versuchsaufbau. Deshalb ist eine Abschätzung ohne Messung ebenfalls kaum möglich. Es gibt zwar einige “Erfahrungswerte”, jedoch müssen auch diese immer auf Beispielmessungen beruhen und die Bedingungen der Vergleichsmessung müssen ungefähr mit denen der eigenen Betrachtung übereinstimmen.

Der wichtigste Parameter für diese Bestimmung ist also nach wie vor eine Messung der Faserzahl in der Raumluft – und zwar zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in diesem Raum. Nur dann kann man streng genommen sagen, wieviele Fasern man tatsächlich auch einatmen kann.

Nun hält man sich nicht zum Zeitpunkt einer Messung im selben Raum auf – das ist den Sachverständigen und Analytikern vorbehalten. Und selbst diese sind umfänglich geschützt und halten sich nicht unnötig lange im selben Raum auf, allenfalls zum Aufbau der Apparatur und einer sogenannten Nutzungsimulation.

Eine Messung ist jedoch aufwändig und nicht fehlerfrei. Dies ist zwar die aussagekräftigste Methode, eine Faserbelastung festzustellen, aber gleichzeitig auch die am wenigsten “anwenderfreundliche”.

Wie kann man den Fasergehalt eines Produktes abschätzen?

Wie kann man also vorgehen, wenn man keine Messergebnisse hat und keine Vergleichsdaten aus Tabellen vorliegen?

Asbestzement im Detail @ Heiko Hofmann

Ein Ansatz wäre doch die Überlegung, wieviele WHO-Fasern in einer bestimmten Menge eines Produktes vorhanden sind, wenigstens annähernd. Die Größe der lungengängigen WHO-Fasern ist definiert. Wieviel von welchem Produkt in Staub umgewandelt wurde, kann man auch ungefähr bestimmen. Vereinfacht gesagt, muss man die Fasern im freigesetzten Staub “zählen” und deren Größe bestimmen. Und das geht mit etwas Geometrie und Mathematik. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass noch immer viele Annahmen gemacht werden müssen, weil man die Fasern ja nicht wirklich “zählt” und die Größe misst. Selbst wenn das ginge, es würde eine Weile dauern, bis man bei 12 Milliarden ist – und wenn man sich zwischendurch verzählt, beginnt man von vorne.

Die folgende Betrachtung ist deshalb auch “nur” theoretisch (unter Einbeziehung einiger bekannter Parameter) und kann nur einen Eindruck vermitteln, um welche Größenordnung der Faserzahlen es geht.

Dazu benötigt man einige Informationen über das Material und etwas Mathematik.

Wie fängt man an?

Zunächst muss man überlegen, wie der Rohstoff aufgebaut ist und welchen Zweck er erfüllen soll. Dabei kommt die Frage auf, wobei oder wann genau Fasern frei werden.

  • Immer dann, wenn der Stoff oder das Produkt bearbeitet wird.
  • Wie der Stoff bearbeitet wird, bestimmt, wie fein die einzelnen Fasern aufgespleißt werden (können).

Wieviele Fasern “passen” in einen Asbestkristallwürfel?

Chrysotilkristall © Tony Rich, Asbestorama

Im Kapitel über Asbestminerale wird ausführlich auf die Mineralogie eingegangen. Dort wird erläutert, dass Asbestfasern, insbesondere Chrysotil, sehr sehr dünn sind, aber gleichzeitg im Verhältnis auch sehr sehr lang. Wie Baumwolle, nur viel feiner.

Genau deshalb war (bzw. ist) Chrysotil ein ideales Mateial – weil man sogar Textilien daraus herstellen konnte. Die langen Fasern (cm-Maßstab) waren ein Qualitätsmerkmal: Man wollte, dass die Fasern lang bleiben und sie nicht absichtlich so lange zermahlen, bis Pulver daraus wurde.

Chrysotil unter dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) © JEOL

Angenommen, man schneidet aus einem Asbestkristall einen kleinen Würfel mit einer Kantenlänge von 1 mm heraus, wieviele dieser feinsten Fasern können darin enthalten sein?

Der Durchmesser einzelner Chrysotilröllchen (“Fibrillen”) beträgt im Duchschnitt ca. 2030 Nanometer (nm). Es sind “Nanoröhrchen”. Um diese feinsten Fasern von dem Begriff der WHO-Fasern zu unterscheiden, wird hier der Begriff “Elementarfasern” verwendet.

Um später berechnen zu können, wieviele dieser Elementarfasern oder WHO-Fasern eine Gewichtseinheit wie z.B. ein Gramm oder ein Milligramm enthält, benötigt man das spezifische Gewicht des Material bzw. seine Dichte. Die spezifische Dichte von Chrysotil beträgt genau 2,53 Gramm / cm3.

Wäre ein Würfel mit dem Volumen (1mm3) mit Wasser (spezifisches Gewicht = 1 g/cm3) gefüllt, würde dieser genau 1 mg (Milligramm) wiegen. Ein mit Chrysotil gefüllter Würfel von 1mm3 wiegt demnach gerundet 2,50 mg.

Herleitung der maximal möglichen Faserzahl im Rohstoff

Nun muss man Annahmen machen: z.B.

  • Die Faserlänge: Chrysotilfasern können sehr lang werden – sehr viel länger als ihr Durchmesser. Zur Vereinfachung kann man also annehmen, dass die Fasern durchaus 1mm Länge erreichen können, also die komplette Kantenlänge unseres Würfels. Um Textilien aus Asbestfasern herzustellen, müssen sie noch viel länger sein… Zentimeter!
  • Die Faserform: Zusätzlich nehmen wir an, es handelt sich um quadtratische Stäbchen und nicht um Röllchen. Der Einfachheit halber soll der durchschnittliche Durchmesser der Stäbchen 20 nm (Nanometer) betragen. Auf dem Bild oben kann man sehen, dass praktisch keine Hohlräume da sind und deshalb die Annahme der Stäbchenform angewendet werden kann.
  • Die Partikelgrößenverteilung: In der Natur sind nicht alle Elementarfasern gleich dick und lang. Die Partikelgrößenverteilung ist sehr komplex und schwer zu bestimmen. Man müsste tausende einzelne Fasern ausmessen und zählen. In der Natur sind viele Partikelgrößen (Kristalle, Sandkörner, Aerosole, etc.) “lognormal” verteilt. Ohne im Detail darauf einzugehen: Dies ist eine Verteilungskurve von Partikelgrößen, bei denen mehr feine Partikel als große Partikel vorliegen. Die Kurve wäre auf ihrer linken Seite steil und auf der rechten flach, wenn man die Partikelgröße auf der unteren Achse aufträgt und die Häufigkeit auf der senkrechten Achse. Bei der Betrachtung hier wird von einer durchschnittlichen Größe von 20 nm ausgegangen.

Modell Chrysotil Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Die Frage ist also, wieviele dieser Röllchen (bzw. Stäbchen) passen auf eine Fläche von 1mm2 – denn nach der Annahme sind die Stäbchen ja 1 mm lang (oder länger).

Als Zwischenschritt kann man noch ausrechnen, wieviele dieser Stäbchen auf einer Länge von 1 mm nebeneinander passen und diesen Wert dann mit sich selbst multiplizieren:

  • 1 mm / 0,00002 mm = 50.000 Fasern.

Das Ganze zum Quadrat (^2):

  • 50.000 x 50.000 = 2.500.000.000 Fasern pro mm2.

Ein Würfel mit 1 mm Kantenlänge kann also gerundet bis zu 2.5 Milliarden dieser feinsten Elementarfasern enthalten, wenn die Fasern alle 1 mm lang sind.

Diese Zahl würde sich entsprechend eröhen, wenn diese “Modellfasern” kürzer als 1 mm sind. Dazu später…

WHO Fasern

Betrachten wir die WHO-Fasern. Die WHO interssiert sich nur für die Partikel , die in die Lunge gelangen können um dort Schaden anzurichten. Dabei muss man 3 Größen unterscheiden, denn in die Atemwege gelangt alles, was man einatmet. Nur ein kleiner Teil davon schafft es jedoch in die tiefsten Regionen der Lunge, in die Lungenbläschen oder Alveolen.

Die größten Partikel (> 10 µm) sind zu groß, um die tiefen Lungenregionen erreichen zu können. Nur noch maximal 1% der Fasern gelangt tiefer in die Lunge. 99% werden gleich zu Beginn beim Einatmen an den Naserhärchen oder der Nasenschleimhaut oder in den mittleren Atemwegen abgeschieden und können mit dem Sekret abtransportiert werden.

Die Partikel <10 µm und >0,1 µm können die Alveolen erreichen. Die Lungenbläschen sind am “Eingang” geformt wie eine Art Flaschenhals. Fasern, die hindurchpassen – das hängt von der Länge und von deren Orientierung im Luftstrom ab, gelangen eventuell hinein, beim Ausatmen aber möglicherweise nicht mehr hinaus.

Von Partikeln <0,1 µm wird angenommen, dass sie in der Luft bleiben und wieder ausgeatmet werden.

Es ist also nur ein sehr kleiner Bruchteil mit einer ganz bestimmten Partikelgröße, der in die Regionen der Lunge vordringen können, wo sie Schaden anrichten können (nicht müssen) – und auch dies hängt von der Menge ab!

Die WHO hat deshalb eine bestimmte Fasergeometrie als lungengängig und potentiell alveolengängig definiert:

  • Durchmesser d (WHO): < 3µm
  • Länge l (WHO): > 5 µm (und < 10 µm)
  • Verhältnis l : d (WHO): > 3 : 1

Alveolengängige Fraktion nach DIN EN 481 © Stefan Pohl, Wikimedia Commons

Die blaue Linie zeigt wie effektiv (in %) Partikel mit einer Größe bis 10 µm in die Alveolen gelangen können. Die kleinsten mit weniger als 1µm zu fast 100%, die größten mit 10 µm nur noch zu1%. Das bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Partikel, die eingeatmet werden (violette Linie), auch in die Lungebläschen vordringen können. Die Partikelfraktion der grünen Linie gelangt immerhin in die oberen Atemwege.

Wie viele WHO-Fasern passen in einen Kristall-Würfel mit 1mm Kantenlänge?

Modell Chrysotil-WHO-Einheits-Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Der Einfachheit halber nehmen wir als Länge einmal 10 µm an. In 1 mm passen also 100 Faserstücke mit jeweils 10 µm Länge übereinander.

  • 2.500.000.000 x 100 = 250.000.000.000 Fasern

Diese Betrachtung berücksichtigt jedoch nur die oben genannten einzelne Elementarfasern (Fibrillen). In der Realität ist es jedoch kaum möglich, wenn nicht unmöglich, das Material so zu bearbeiten, so dass im Ergebnis alle Fasern einzeln vorliegen und auch noch alle gleich groß sind. Da die Partikelgrößenverteilung jedoch nicht bestimmbar ist, muss man von Durchschnittswerten ausgehen.

Annahme für die Berechnung:

  • Durchmesser d = 2 µm (WHO: < 3µm)
  • Länge l = 10 µm (WHO: > 5 µm)
  • Verhältnis l : d = 5 : 1 (WHO: > 3 : 1)

Unter Berücksichtigung der WHO Definition und eigener vereinfachter Annahmen erhält man also eine mögliche WHO-Faserzahl von 25.000.000 (= 25 Millionen Fasern) pro Würfel bei einer Kantenlänge von 1 mm, einem Faserbündeldurchmesser von 2 µm und einer Faserlänge von 10 µm.

Wie bereits erwähnt: Das ganze Material müsste so stark aufgemahlen werden, dass ausschließlich Fasern mit WHO Geometrie erzeugt werden. Die Natur hält sich jedoch nicht an solche Vorgaben und technisch werden auch nicht lauter gleich große Fasern erzeugt, sondern lauter unterschiedlich Große. Viele Partikel sind kleiner als die WHO Definition und werden ausgeatmet, andere sind viel größer, zu groß, um tief in die Lunge zu gelangen.

Trotzdem wollen wir zunächst berechnen, wieviele WHO Fasern in einem Würfel enthalten sein können, unabhängig davon, ob man später alle einzelnen Fasern herausbekommt. Außerdem liegt die Annahme zu Grunde, dass alle Fasern gleich dick sind. Sind sie aber nicht – dieses Modell betrachtet nur die durchschnittliche Größe.

Im nächsten Schritt berechnen wir also, wieviele WHO-Fasern 1 mg eines Asbestkristalls enthält: Dazu teilt man durch die spezifische Dichte und erhält:

  • 25.000.000 / 2,5 = ca. 10.000.000 Fasern / mg

Das bedeutet, dass ein reiner Asbestkristall-Würfel mit 1 Milligramm Masse 10 Millionen WHO-Einheits-Fasern enthalten kann. Berücksichtigt man jedoch, dass man es mit einer Partikelgrößenverteilung zu tun hat mit Größen zwischen 20 Nanometer und 10 Mikrometer, kann die tatsächlich Partikelzahl noch höher liegen.

Anteile ausrechnen

Modell Chrysotil Fasern – verschieden dick und verschieden lang © Heiko Hofmann

Die bisherige Betrachtung ist der Worst-Case  und sagt nichts darüber aus, ob die Fasern auch frei werden und vor allem, ob diese auch in WHO Größe entstehen. Hinzu kommt, dass

  • die Fasern in der Natur nicht alle gleich lang und dick sind,
  • die Asbestprodukte nur zum Teil aus Asbest bestehen und
  • man bei der Produktherstellung an den langen Fasern interessiert war und nicht an den kurzen,
  • in einem Asbestkristall  die Fasern auf natürliche Weise parallel und ohne Luft dazwischen wachsen. Sie sind praktisch dicht gepackt
  • in einem Asbest-Produkt  die Fasern aufbereitet, aufgelockert, aufgemahlen sind und im fertigen Produkt nicht dicht gepackt und parallel vorliegen, sondern kreuz und quer übereinander mit viel Zwischenraum.

 

Entweder der Zwischenraum wird bei der Produktherstellung mit einem anderen Stoff gefüllt (die Fasern werden also eingebettet), oder sie bleiben relativ locker (kaum Bindemittel, geringe Produktdichte).

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

Auf dem Bild rechts bekommt man einen Eindruck, wie locker Chrysotilfasern in einem Produkt gepackt sind. Außerdem kann man die Länge bestimmen: Länger als 100 µm!

Die feinen, lungengängigen Fasern enstehen also erst bei und durch die mechanische Bearbeitung!

Im Produkt selbst befinden sich hauptsächlich sehr lange Fasern, die noch nicht lungengängig bzw. alveolengängig sind.

Asbestgehalt im Produkt

Bisher wurde nur das Volumen betrachtet. Der Asbestgehalt in einem Produkt wird aber in Gewichtsprozent angegeben.

Asbestzement enthält ca. 10 % Asbest. 1 Gramm Asbestzement bestehet demnach zu 0,1 Gramm aus Asbest mit einer Dichte von 2,5 g/ cm3 und die restlichen 0,9 Gramm aus Zement mit einer Dichte von 3 g/cm3. Man muss also die Masse verwenden und nicht das Volumen.

Zusätzlich wird die Berechnung kompliziert, da ja nicht alle Fasern gleich dick und gleich lang sind. Auch hier kann man sich nur mit einem Mittelwert annähern.

Tatsächlich werden beim Bearbeiten sehr viel weniger Fasern freigesetzt – und dabei handelt es sich um Faserbündel unterschiedlicher Größe. Wieviele Fasern freigesetzt werden hängt nun davon ab:

  • Wieviel Material “zerkleinert” wird. Also wieviel Material wird beim Bearbeiten sprichwörtlich “pulverisiert”?
  • Dies wiederum hängt davon ab, wie das Material bearbeitet wird, also wie gut das Mateial pulverisiert wird. Beim Sägen und Flexen wird viel Material pulverisiert, beim Brechen weniger (aber immer noch genug), durch natürliche Verwitterung nur wenige 100 Fasern.

Konkrete Zahlen

1) Der Erste Schritt, um zu einer aussagekräftigen, realistischen Zahl zu kommen, ist eine relativ genaue Abschätzung, wieviele Milligramm oder Gramm des Produktes oder welches Volumen pulverisiert wurde.

2) Der Zweite Schritt ist, diese Zahl mit dem prozentualen Anteil des Asbestes in der Probe zu multiplizieren.

3) Im dritten Schritt muss man eine Annahme machen, wie leicht Asbestfasern freigesetzt werden können (Freisetzungspotential) und welcher Anteil der freigesetzten Fasern die WHO Geometrie erfüllt. Dies ist der unsicherste Teil und mit einem großen Fehler behaftet.

4) Der vierte Schritt ist nun die Bestimmung, auf welches Raumvolumen sich diese Faserzahl verdünnt hat. Erst dann erhält man eine Konzentration in Fasern / m3.

Schneiden einer Asbestzementplatte mit der Flex:

  • Beim Flexen wird sehr viel Feinstaub erzeugt © Bild von donations welcome auf Pixabay

    Dicke Sägeblatt: 4 mm

  • Dicke Asbestzementplatte: 6 mm
  • Länge des Schnittes: 1 m (1000 mm)

Volumen des Pulverisierten Asbestzements:

  • 4 mm x 6 mm x 1000 mm = 24.000 mm3

Asbestgehalt: 10%

  • 24.000 mm3 X 10% = 2.400 mm3

Theoretische Anzahl enthaltener WHO Fasern

2.400 mm3 x 25.000.000 F = 62.500.000.000 F

Gelangen alle Fasern in die Lungenbläschen?

Beim Sägen von Asbestzementplatten mit der Flex wurden laut DGUV Report “Faserjahre” Faserkonzentrationen bis zu 60.000.000 Fasern / m3 Raumluft gemessen und nicht 62 Milliarden. Das ist ein Unterschied von einem Faktor 1000! Das liegt daran, dass

  • Fasern bis maximal 10 µm Größe (Länge oder Durchmesser) als alveolengängig gelten. Asbestfasern sind aber, egal wie stark man sie bearbeitet, von Natur aus häufig länger und nur ein kleiner Bruchteil (hier ein Tausendtsel) davon wird tatsächlich so fein, dass sie in die Lungenbläschen gelangen können.
  • demnach nur ein Teil tatsächlich die WHO Fasergeometrie erfüllt,
  • große Partikel (sehr dicke Faserbündel) zu Boden fallen und nicht mitgezählt werden und
  • in diesem Fall das Raumvolumen der möglichen Verdünnung nicht angegeben wurde.
  • keine Angabe gemacht wurde, wann an welcher Stelle gemessen wurde. Für brauchbare Ergebnisse muss während der Tätigkeit gemessen werden und außerdem muss der Abstand und die verdünnung berücksichtigt werden.

Fazit

Schon alleine aufgrund ihrer Partikelgröße gehen die möglichen Faserzahlen, die in einem Produkt stecken, realistisch betrachtet in die Größenordnung von vielen Millionen oder Milliarden.

Ob und wieviele tatsächlich davon freigesetzt werden, hängt vom Asbestgehalt ab und von der Art der Bearbeitung des Produktes. Dazu kommt die Verdünnung mit sauberer Luft, sobald die Fasern in der Luft sind. Der unsicherste Faktor in der ganzen Beatrachtung ist jedoch das persönliche Verhalten, das einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wieviele Fasern am Ende in der Lunge ankommen.

Deshalb können prinzipiell Fragen zu einem konkreten Gesundheitsrisiko in der Praxis nicht seriös beantwortet werden.

Faserrechner

Mit dem Faserrechner können Sie sich auf mineralogisch-mathematische Weise an eine maximal möglich Anzahl “verfügbaren” Fasern annähern. Der Rechner berücksichtigt die WHO Fasergeometrie in Verbindung mit realistischen Beobachtungen im REM, sowie Materialeigenschaften und Bearbeitungsart. Außerdem die Raumdimension und Verdünnungsfaktoren durch Belüftung.

Er kann dagegen nicht berücksichtigen, welcher Anteil der freigesetzten Fasern tatsächlich lungengängig ist. Grob geschätzt ist das nu ein sehr geringer Bruchteil von ca. 1% oder 0,1%.

Faserrechner – Geometrie © Heiko Hofmann

Faserrechner – Werkstoffeigenschaften © Heiko Hofmann

Faserrechner – Freisetzungspotential © Heiko Hofmann

Faserrechner – Luftwechsel © Heiko Hofmann

 

Wenn der Dachdecker-Kumpel beim Abriss hilft

Trotz Pandemie gibt es noch andere “Baustellen”, die uns im privaten Umfeld beschäftigen, wie zum Beispiel Asbest.

Viele Privatpersonen sind inzwischen recht gut über die Problematik informiert und sorgen sich um Asbestvorkommen im eigenen Heim. Es ist also nicht überraschend, wenn die mit Asbestzementplatten gedeckte Garage in den Fokus rückt und zumindest zum “gefühlten” Problem wird – obwohl das eventuell gar nicht nötig ist.

Laut REACH Verordnung gibt es nämlich einen gewissen “Bestandsschutz” für asbesthaltige Produkte, wenn diese noch intakt sind und “unangefasst” bleiben.

Wenn einige der Platten jedoch beschädigt sind und sie nicht mehr ihren “ursprünglichen Zweck” erfüllen, also das Dach abdichten, dann muss es entsorgt werden. Denn das Reparieren ist verboten!

Asbestzement-Dach muss weg – Hilfe vom Dachdecker-Kumpel

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Nun ist also guter Rat gefragt und nötigenfalls auch Hilfe – warum nicht vom befreundeten Dachdecker. Da hat man es immerhin mit einem Fachmann zu tun – wenigsten in Sachen Dach decken und abdecken.

Der Dachdecker-Freund sagt also zu und bringt sogar die Schutzausrüstung mit: Schutzanzug, FFP3 Masken.

Der Privatmann und sein Kumpel legen also los und bauen die Asbestzement-Platten ab. Zumindest versuchen sie es, denn die Platten sind nicht nur geschraubt, sondern teilweise auch mit einer bitumenartigen Masse verklebt. Macht aber nix, denn mit etwas “Nachhilfe” in Form eines Hammers lösen sich die Platten. Einige zerbrechen, umso besser.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Gerissener Asbest-Big-Bag © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

Die gelösten Platten werden vorsichtig nach unten gereicht, wo man feststellt, dass die noch vollständigen, unzerbrochenen Platten nicht in den Asbest-Big-Bag passen. Auch da wird kurzerhand nachgeholfen und die überstehenden Kanten werden mit derselben Methode wie oben auf dem Dach einfach abgeschlagen. Über frei werdende Fasern macht sich zumindest der Dachdecker-Kumpel keine Sorgen, denn der Wind steht günstig und man trägt schließlich FFP3 Masken.

Der Privatmann beginnt, sich dennoch Sorgen zu machen, ob dies alles so richtig ist und ob die beiden nicht doch einer beachtlichen Faserkonzentration ausgesetzt waren.

Erklärungsversuche und Ahnenvergleiche

Der Dachdecker-Kumpel beschwichtigt und zählt nochmals die “günstigen Umstände” auf: Schutzanzug, Maske, Kleidung wird entsorgt, Wind günstig, Big-Bag. Alles gut!

Außerdem hätten sein Vater und sein Großvater früher diese Platten in geschlossenen Räumen mit der Flex zersägt und beide erfreuen sich noch heute bester Gesundheit. Sagt der Fachmann!

Alles gut??? Mitnichten!

Grob fahrlässig und eventuell strafbar

Sehen wir uns die Sache nochmal im Detail und unter den geltenden Rechtsvorschriften an:

Die Gefahrstoffverordnung gilt bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen auch für Privatpersonen. Demnach gelten auch die Regelungen der TRGS 519.

Der Rückbau des Daches ist zwar erlaubt, allerdings unter strengen Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Benetzen des Daches mit Faserbindemittel, damit frei werdende Fasern nicht einfach davonfliegen. Die Platten zu zerbrechen oder gar zu zerschlagen, damit sie in den Abfallsack passen, ist verboten!

Der Privatmann bat seinen Freund, ihn zu unterstützen – und zwar nicht nur beim Abbau, sondern auch mit seinem fachkundigen Rat.

Dachdecker mit Sachkenntnis aber ohne Sachkunde

Nun hat der Dachdecker-Kumpel offensichtlich keine Asbest-Sachkunde nach TRGS 519, denn sonst wüsste er zumindest, dass er sich strafbar gemacht hat. Immerhin hat er seinem Freund zwar Schutzausrüstung mitgebracht. Dies hat er allerdings so interpretiert, dass man ja geschützt sei und deshalb nun brachial loslegen könne. Dass er seinen Freund unnötig gefährdet hat und zugleich noch gegen §324 und §325 StGB verstoßen hat, war ihm entweder nicht klar oder schlicht gleichgültig. Hat ja sonst niemand gesehen und verpackt ist das Zeug schließlich auch vorschriftsmäßig.

Sachkenntnis war also durchaus vorhanden, Sachkunde jedoch nicht. Ein alter Rechtsgrundsatz besagt allerdings – und den kennt nun wirklich jeder – “Nichts zu wissen schützt nicht vor Strafe!”

Rechtslage uneindeutig

Klar ist, dass der Umgang mit Asbest unsachgemäß war. Daran besteht kein Zweifel – und das gilt auch für die beiden Privatpersonen.

Unklar hingegen ist: Hat der Dachdecker als Privatperson gehandelt oder als Dachdecker, nämlich im Rahmen seines Berufes und seiner beruflichen Expertise?

Hätte er als Dachdecker beruflich gehandelt, wäre eine Strafanzeige unausweichlich. Er hätte die Sachkunde nach TRGS 519 Anhang 4 A benötigt, hätte eine Zulassung durch die Behörde und hätte die Arbeiten zusammen mit einem Arbeitsplan, Arbeitsmedizinischer Vorsorge und Gefährdungsbeurteilung zuvor bei der Behörde anzeigen müssen.

Aber hat er rein privat gehandelt? Als Kumpel? Das ist schwierig zu beantworten, denn immerhin ist er Dachdecker und kennt sich offensichtlich wenigstens ein bisschen mit der Materie aus. Er hat durch die Bereitstellung der PSA korrekt gehandelt, aber gleichzeitig durch das Zerschlagen der Platten grob fahrlässig gehandelt.

Wie würde ein Richter die Sache betrachten?

Rechtsbruch? © Heiko Hofmann

Müsste also ein Richter entscheiden, würde dieser wohl genau zu diesem Ergebnis kommen: Aufgrund seines Berufes und seiner Erfahrung hätte der Dachdecker wissen können und sogar müssen, dass die Arbeiten so nicht erlaubt sind. Er hat sich und seinen Freund unnötig gefährdet und obendrein noch argumentiert, seine Ahnen seien viel größeren Belastungen ausgesetzt gewesen und nicht krank geworden.

“Was nicht ist, kann ja noch werden”. Die Spätfolgen dieser Belastungen treten häufig erst 40 Jahre nach der Exposition auf. Den Großvater braucht das (zynischerweise) wohl nicht mehr interessieren, den Vater sehr wohl. Und das soll dann ein gutes Beispiel und Vorbild sein? Der Vergleich mit den Vorfahren ist schlicht dumm und zeugt nicht von Verantwortung, sondern signalisiert eher: “Stell Dich nicht so an!”

Wer haftet?

Wenn der Privatmann wieder Erwarten doch irgendwann krank werden sollte, wer haftet dann? Er selbst, weil er sich falschen Rat geholt hat oder der Dachdecker-Kumpel, der fahrlässig gehandelt und falsch beraten hat?

In diesem Fall entscheidet ein Gericht – wenn es denn angerufen wird…

 

Asbestzementdach selbst abbauen

Dürfen Privatpersonen ein Dach aus Asbestzement selbst abbauen?

Und wenn ja, muss dies bei der Behörde angezeigt werden? – Ein Blick in die Vorschriften

Der Umgang mit Asbest und Produkten daraus ist streng geregelt und nicht immer ist klar, für wen die Regeln nun genau gelten und für wen nicht.

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Generell gilt zunächst für alle Personen, die Umgang mit Asbest haben oder auch planen: Ein Blick in die Rechtsvorschriften schadet nicht!
Eine der wichtigsten Verordnungen in diesem Zusammenhang ist die Gefahrstoffverordnung GefStoffV. Unter §1 “Begriffsbestimmungen” ist geregelt, dass die Verordnung nicht für Privathaushalte gilt. Hier ist aber größte Vorsicht geboten, denn diese Regelung wird in Anhang II “Asbest zum Teil wieder aufgehoben. Wer also die GefStoffV gleich nach §1 wieder weglegt und mit den Arbeiten loslegt, begibt sich auf dünnes Eis.

Gemäß Anhang II gilt die GefStoffV nämlich auch für Privathaushalte genau dann, wenn es sich um sogenannte ASI Arbeiten handelt, als Abbruch, Sanierung und Instandhaltung, also auch den Abbruch eines Asbestzementdaches im Privathaushalt. Dazu gehört selbstverständlich auch der Schuppen auf dem eigenen Grundstück!

Wenn also die GefStoffV gilt, gilt in diesem Zusammenhang auch die TRGS 519 “Asbest – Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten“. Leser Sie dazu auch das Kapitel “Rechtsvorschriften”

Daraus ergeben sich 2 weitere Fragen, nämlich:

  1. Brauchen Privatpersonen die in der TRGS 519 geforderte Sachkunde?
  2. Müssen Privatpersonen die geplanten Arbeiten bei der Behörde anzeigen?

Sachkunde – ja oder nein?

Die Antwort auf diese Fragen ist tatsächlich nicht einfach – daher müssen wir uns zunächst damit beschäftigen, welchen Hintergrund diese Regeln haben.

Die Gefahrstoffverordnung und in diesem Zusammenhang die TRGS 519 dienen in erster Linie dem Arbeitsschutz. Und dabei geht es auch um die Haftung von Arbeitgebern gegenüber ihrer Mitarbeiter. Wem gegenüber sollen aber Privatpersonen haften, wenn sie keine Mitarbeiter haben?

Eine Haftung wird aber immer dann relevant, wenn Dritte durch die eigenen Handlungen gefährdet werden. Und eine Gefährdung Dritter ist dann wahrscheinlich, wenn Asbestfasern durch die Arbeit freigesetzt werden und Dritte dieser Belastung ausgesetzt sind – und zwar zunächst unabhängig von der Menge des freigesetzten Schadstoffes!

Wenn Sie also als Privatperson Arbeiten an Asbest ohne Sachkenntnis durchführen und Dritte gefährden,  weil Sie die arbeiten dann ggf. unsachgemäß ausführen, ist dies unsachgemäßer Umgang mit Asbest. Im Fall der GefStoffV ist dies eine Ordnungswidrigkeit!

Hinzu kommt nun noch das Strafrecht: Nämlich die §§ 324 und 325 StGB: “Gewässerverunreinigung”, “Bodenverunreinigung” und “Luftverunreinigung”. Ohne hierbei ins Detail zu gehen und zu klären, ob dies in beachtlichem Umfang geschieht oder nicht oder ob jemand dabei tatsächlich zu Schaden kommt oder nicht, sollten hier die Alarmglocken läuten. Am Ende entscheidet dies ein Richter oder eine Richterin und soweit muss es nicht kommen!

Um also Arbeiten an Asbestzement im privaten Umfeld durchzuführen benötigen Sie Sachkenntnis, um Dritte nicht zu gefährden. Wenn Sie diese Sachkenntnis haben und dies im Zweifel auch nachweisen können, müssen Sie nicht unbedingt die Sachkundeschulung besucht und bestanden haben. Besser wäre das jedoch, denn nur dann können Sie nachweisen, dass Sie nicht unsachgemäß vorgegangen sind und alle Maßnahmen zum Schutz Dritter und der Umwelt getroffen haben.

Anzeige an die Behörde – ja oder nein?

Diese Frage ist durchaus schwieriger zu beantworten:

Hierbei müssen wir uns die Frage stellen, worum es der Behörde (Gewerbeaufsicht) tatsächlich geht. Die Antwort steckt bereits im Begriff “Gewerbeaufsicht”. Sie interessiert sich für Gewerbetreibende. Warum sollte sie sich auch noch um Privathaushalte kümmern?

Auch hier geht es um Arbeitsschutz – und solange Sie “bestenfalls” nur sich selbst gefährden, aber die Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist, tritt auch keine Haftung gegenüber Dritten ein. Allerdings dürfen Sie auch die Umwelt nicht belasten, denn sonst könnten ja über “Umwege” Dritte gefährdet werden.

Zudem fordert die Anzeige an die Behörde Maßnahmen, die Privatpersonen gar nicht erfüllen können wie zum Beispiel:

Unternehmensbezogene Anzeige: Damit zeigt ein Unternehmen an, dass Arbeiten an Asbest ausschließlich durch geschulte Mitarbeiter*innen unter den geforderten Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, alle eine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt haben, eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt, die erforderlichen technischen Schutzmaßnahmen und das dazu nötige Gerät vorhanden und zugelassen ist sowie das Unternehmen auch eine Zulassung erhalten hat.

Objektbezogene Anzeige: Damit zeigt das Unternehmen die geplanten Arbeiten bei der Behörde 7 Tage vor Beginn der Arbeiten an und legt dazu eine Liste der Beschäftigten Mitarbeiter*innen, die Benennung einer verantwortlichen Aufsichtsperson mit der nötigen Sachkunde samt Nachweis, das Schutzkonzept, alle erforderlichen Nachweise, einen Arbeitsplan mit Angaben von Ort, Zeit und Dauer, die erwartete Faserfreisetzung, eine Gefährdungsbeurteilung, etc. vor.

Das kann eine Privatperson gar nicht leisten. Dennoch dürfen Dritte nicht gefährdet werden – und dafür sind auch Privatpersonen verantwortlich und haftbar.

Letztlich hat trotz allem die örtliche Behörde das letzte Wort.

Hypothetisches Fallbeispiel

Angenommen Sie bauen Ihr Asbestzementdach ab und jemand hilft Ihnen dabei. Nun beobachtet der Nachbar die Arbeiten und sieht, dass dies (aus seiner Sicht oder auch mit Sachkenntnis) nicht sachgemäß durchgeführt wird. Er fühlt sich belästigt und sogar durch Faserfreisetzung gefährdet und ruft die Polizei. Wenn dazu noch beobachtet wird, ob dabei Asbestzementplatten zerbrochen sind und kreuz und quer auf dem Boden herumliegen, hat man schlechte Karten.

Asbestzement im Wald entsorgt

Zerbrochene Asbestzemetplatten im Wald zu entsorgen ist eine Straftat! © Heiko Hofmann

Dann kommt natürlich die Polizeit vorbei und stellt Fragen. Die Anzeige an die Behörde erfolgt dann durch die Polizei und zwar nicht im Sinne der TRGS 519, sondern im Sinne der Polizei. Dann wird geprüft, ob eine Ordnungswidrigkeit oder sogar ein Straftatbestand vorliegt. Das muss nicht sein!

Besser vorher nachfragen

Daher ist man auf jeden Fall gut beraten, sich vorab zu erkundigen, ob man unter welchen Bedingungen selbst Hand anlegen darf. Fragen kostet nichts und auch bei der Gewerbeaufsicht wird man nicht gleich angebellt. Im Gegenteil: Es kommt gut an, wenn man sich darum kümmert, alles richtig zu machen und Fachleute fragt.