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Zur Definition der WHO-Fasern

Viele Analyselabore und Sachverständige verwenden den Begriff der “WHO-Faser” ausschließlich im Zusammenhang mit Künstlichen Mineralfasern (KMF) und hierbei sehr oft nur mit den KMF, die als krebserzeugend gelten.

Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass es sich bei Asbestfasern nicht um WHO-Fasern handelt, auch wenn diese dieselben Dimensionen haben.

Als WHO-Fasern werden Fasern mit den Abmessungen

  • D < 3µm
  • L > 5µm
  • L : D > 3

Wobei D = Durchmesser, L =Länge, L : D = Verhältnis aus Länge zu Durchmesser.

Die irrtümliche Verwendung beruht auf einer mißverständlichen Formulierung aus der TRGS 905 “Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe“,

2.3 Anorganische Faserstäube (außer Asbest)
(1) Dieser Abschnitt gilt für anorganische Fasern (ausgenommen Asbest) mit einer Länge > 5 μm, einem Durchmesser < 3 μm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von > 3:1 (WHO-Fasern).

Hier kann tatsächlich der Eindruck entstehen, die Definition der WHO-Faser gilt nicht für Asbestfasern, denn hier steht schließlich “ausgenommen Asbest”.

Gemeint ist tatsächlich, dass der folgende Abschnitt nicht für Asbestfasern gilt, weil dieser die Berechnung des Kanzerogenitätsindex (KI) für KMF beinhaltet – und der trifft natürlich nicht auf Asbest zu. Das ist aber nicht gleichbedeutend, die Definition der WHO-Faser gelte nicht für Asbest.

Richtig ist:

Die Definition der WHO-Faser gilt für alle Faserstäube bzw. Fasern mit genau dieser Geometrie, unabhängig von der Art und Herkunft. Das ist auch nur logisch, denn bei der Definition der Fasergeometrie der WHO (Weltgesundheitsorganisation) geht es um die Frage, welche krebserzeugenden Fasern haben die geeignete Form, um die tiefen Lungenregionen (Alveolen) erreichen zu können.

Ein Blick in die TRGS 517 “Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen bringt etwas Klarheit:

2.4 Asbestfasern
Als Asbestfasern werden solche Fasern bezeichnet, die nach ihrer chemischen Zusammensetzung den sechs Asbestmineralen zuzuordnen sind und die Abmessungen nach WHO (Länge > 5 μm, Durchmesser < 3 μm, Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis > 3:1) aufweisen. …

 

Wieviele Fasern werden frei?

Die ist eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Asbest – und gleichzeitig eine der am schwersten zu beantwortenden Fragen.

Es gibt zahlreiche Tabellen in verschiedenen Fachbüchern und noch mehr Infos im Internet. Aber alle sind nur Annäherungen, die zum Teil auf Messungen beruhen und zum Teil auf Schätzungen. Diese Daten sind nur bedingt hilfreich, weil sie sehr viele pauschale Annahmen beinhalten sowie Mittelwerte aus wenigen tatsächlichen Messungen, aber nie die individuelle Situation.

Viele unbekannte Faktoren

Zu viele Faktoren spielen bei der Betrachtung einer möglichen Faserfreisetzung eine Rolle. Noch mehr Faktoren kommen zusammen, wenn man zusätzlich betrachten will, ob und wieviele Fasern tatsächlich eingeatmet werden (können).

Man benötigt Informationen über

  • Die Asbestart
  • Wieviel Asbest ein Produkt enthält
  • Die spezifische Dichte der gemischten Materialien
  • Wie fest oder leicht eingebunden das Asbest ist, also wie leicht es freigesetzt werden kann
  • Ob und wie das Produkt bearbeitet wurde
  • Die Größe des Raumvolumens
  • Ob der Raum belüftet war und wie groß der Luftaustausch im betroffenen Raum ist / war
  • Wieviel des Asbestes aufgrund der Partikelgröße schnell zu Boden sinkt und wieviel davon in der Luft bleibt – das ist die sogenannte Korngößenfraktion

Wenn es darum geht, wieviel man tatsächlich einatmet oder einatmen kann:

  • Ihren “Luftaustausch”, also Ihr Atemvolumen pro Zeitintervall
  • Ob Sie sich geschützt haben, z.B. welche Maske
  • Wie gut der Atemschutz selbst ist / war
  • Wie gut der Atemschutz getragen wurde
  • Andere Faktoren wie z.B. ein Bart, der die Wirkung des Atemschutzes verhindert
  • Das individuelle persönliche Verhalten

All diese Parameter gleichzeitig zu bestimmen, ist kaum möglich, nicht einmal in einen kontrollierten Versuchsaufbau. Deshalb ist eine Abschätzung ohne Messung ebenfalls kaum möglich. Es gibt zwar einige “Erfahrungswerte”, jedoch müssen auch diese immer auf Beispielmessungen beruhen und die Bedingungen der Vergleichsmessung müssen ungefähr mit denen der eigenen Betrachtung übereinstimmen.

Der wichtigste Parameter für diese Bestimmung ist also nach wie vor eine Messung der Faserzahl in der Raumluft – und zwar zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in diesem Raum. Nur dann kann man streng genommen sagen, wieviele Fasern man tatsächlich auch einatmen kann.

Nun hält man sich nicht zum Zeitpunkt einer Messung im selben Raum auf – das ist den Sachverständigen und Analytikern vorbehalten. Und selbst diese sind umfänglich geschützt und halten sich nicht unnötig lange im selben Raum auf, allenfalls zum Aufbau der Apparatur und einer sogenannten Nutzungsimulation.

Eine Messung ist jedoch aufwändig und nicht fehlerfrei. Dies ist zwar die aussagekräftigste Methode, eine Faserbelastung festzustellen, aber gleichzeitig auch die am wenigsten “anwenderfreundliche”.

Wie kann man den Fasergehalt eines Produktes abschätzen?

Wie kann man also vorgehen, wenn man keine Messergebnisse hat und keine Vergleichsdaten aus Tabellen vorliegen?

Asbestzement im Detail @ Heiko Hofmann

Ein Ansatz wäre doch die Überlegung, wieviele WHO-Fasern in einer bestimmten Menge eines Produktes vorhanden sind, wenigstens annähernd. Die Größe der lungengängigen WHO-Fasern ist definiert. Wieviel von welchem Produkt in Staub umgewandelt wurde, kann man auch ungefähr bestimmen. Vereinfacht gesagt, muss man die Fasern im freigesetzten Staub “zählen” und deren Größe bestimmen. Und das geht mit etwas Geometrie und Mathematik. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass noch immer viele Annahmen gemacht werden müssen, weil man die Fasern ja nicht wirklich “zählt” und die Größe misst. Selbst wenn das ginge, es würde eine Weile dauern, bis man bei 12 Milliarden ist – und wenn man sich zwischendurch verzählt, beginnt man von vorne.

Die folgende Betrachtung ist deshalb auch “nur” theoretisch (unter Einbeziehung einiger bekannter Parameter) und kann nur einen Eindruck vermitteln, um welche Größenordnung der Faserzahlen es geht.

Dazu benötigt man einige Informationen über das Material und etwas Mathematik.

Wie fängt man an?

Zunächst muss man überlegen, wie der Rohstoff aufgebaut ist und welchen Zweck er erfüllen soll. Dabei kommt die Frage auf, wobei oder wann genau Fasern frei werden.

  • Immer dann, wenn der Stoff oder das Produkt bearbeitet wird.
  • Wie der Stoff bearbeitet wird, bestimmt, wie fein die einzelnen Fasern aufgespleißt werden (können).

Wieviele Fasern “passen” in einen Asbestkristallwürfel?

Chrysotilkristall © Tony Rich, Asbestorama

Im Kapitel über Asbestminerale wird ausführlich auf die Mineralogie eingegangen. Dort wird erläutert, dass Asbestfasern, insbesondere Chrysotil, sehr sehr dünn sind, aber gleichzeitg im Verhältnis auch sehr sehr lang. Wie Baumwolle, nur viel feiner.

Genau deshalb war (bzw. ist) Chrysotil ein ideales Mateial – weil man sogar Textilien daraus herstellen konnte. Die langen Fasern (cm-Maßstab) waren ein Qualitätsmerkmal: Man wollte, dass die Fasern lang bleiben und sie nicht absichtlich so lange zermahlen, bis Pulver daraus wurde.

Chrysotil unter dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) © JEOL

Angenommen, man schneidet aus einem Asbestkristall einen kleinen Würfel mit einer Kantenlänge von 1 mm heraus, wieviele dieser feinsten Fasern können darin enthalten sein?

Der Durchmesser einzelner Chrysotilröllchen (“Fibrillen”) beträgt im Duchschnitt ca. 2030 Nanometer (nm). Es sind “Nanoröhrchen”. Um diese feinsten Fasern von dem Begriff der WHO-Fasern zu unterscheiden, wird hier der Begriff “Elementarfasern” verwendet.

Um später berechnen zu können, wieviele dieser Elementarfasern oder WHO-Fasern eine Gewichtseinheit wie z.B. ein Gramm oder ein Milligramm enthält, benötigt man das spezifische Gewicht des Material bzw. seine Dichte. Die spezifische Dichte von Chrysotil beträgt genau 2,53 Gramm / cm3.

Wäre ein Würfel mit dem Volumen (1mm3) mit Wasser (spezifisches Gewicht = 1 g/cm3) gefüllt, würde dieser genau 1 mg (Milligramm) wiegen. Ein mit Chrysotil gefüllter Würfel von 1mm3 wiegt demnach gerundet 2,50 mg.

Herleitung der maximal möglichen Faserzahl im Rohstoff

Nun muss man Annahmen machen: z.B.

  • Die Faserlänge: Chrysotilfasern können sehr lang werden – sehr viel länger als ihr Durchmesser. Zur Vereinfachung kann man also annehmen, dass die Fasern durchaus 1mm Länge erreichen können, also die komplette Kantenlänge unseres Würfels. Um Textilien aus Asbestfasern herzustellen, müssen sie noch viel länger sein… Zentimeter!
  • Die Faserform: Zusätzlich nehmen wir an, es handelt sich um quadtratische Stäbchen und nicht um Röllchen. Der Einfachheit halber soll der durchschnittliche Durchmesser der Stäbchen 20 nm (Nanometer) betragen. Auf dem Bild oben kann man sehen, dass praktisch keine Hohlräume da sind und deshalb die Annahme der Stäbchenform angewendet werden kann.
  • Die Partikelgrößenverteilung: In der Natur sind nicht alle Elementarfasern gleich dick und lang. Die Partikelgrößenverteilung ist sehr komplex und schwer zu bestimmen. Man müsste tausende einzelne Fasern ausmessen und zählen. In der Natur sind viele Partikelgrößen (Kristalle, Sandkörner, Aerosole, etc.) “lognormal” verteilt. Ohne im Detail darauf einzugehen: Dies ist eine Verteilungskurve von Partikelgrößen, bei denen mehr feine Partikel als große Partikel vorliegen. Die Kurve wäre auf ihrer linken Seite steil und auf der rechten flach, wenn man die Partikelgröße auf der unteren Achse aufträgt und die Häufigkeit auf der senkrechten Achse. Bei der Betrachtung hier wird von einer durchschnittlichen Größe von 20 nm ausgegangen.

Modell Chrysotil Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Die Frage ist also, wieviele dieser Röllchen (bzw. Stäbchen) passen auf eine Fläche von 1mm2 – denn nach der Annahme sind die Stäbchen ja 1 mm lang (oder länger).

Als Zwischenschritt kann man noch ausrechnen, wieviele dieser Stäbchen auf einer Länge von 1 mm nebeneinander passen und diesen Wert dann mit sich selbst multiplizieren:

  • 1 mm / 0,00002 mm = 50.000 Fasern.

Das Ganze zum Quadrat (^2):

  • 50.000 x 50.000 = 2.500.000.000 Fasern pro mm2.

Ein Würfel mit 1 mm Kantenlänge kann also gerundet bis zu 2.5 Milliarden dieser feinsten Elementarfasern enthalten, wenn die Fasern alle 1 mm lang sind.

Diese Zahl würde sich entsprechend eröhen, wenn diese “Modellfasern” kürzer als 1 mm sind. Dazu später…

WHO Fasern

Betrachten wir die WHO-Fasern. Die WHO interssiert sich nur für die Partikel , die in die Lunge gelangen können um dort Schaden anzurichten. Dabei muss man 3 Größen unterscheiden, denn in die Atemwege gelangt alles, was man einatmet. Nur ein kleiner Teil davon schafft es jedoch in die tiefsten Regionen der Lunge, in die Lungenbläschen oder Alveolen.

Die größten Partikel (> 10 µm) sind zu groß, um die tiefen Lungenregionen erreichen zu können. Nur noch maximal 1% der Fasern gelangt tiefer in die Lunge. 99% werden gleich zu Beginn beim Einatmen an den Naserhärchen oder der Nasenschleimhaut oder in den mittleren Atemwegen abgeschieden und können mit dem Sekret abtransportiert werden.

Die Partikel <10 µm und >0,1 µm können die Alveolen erreichen. Die Lungenbläschen sind am “Eingang” geformt wie eine Art Flaschenhals. Fasern, die hindurchpassen – das hängt von der Länge und von deren Orientierung im Luftstrom ab, gelangen eventuell hinein, beim Ausatmen aber möglicherweise nicht mehr hinaus.

Von Partikeln <0,1 µm wird angenommen, dass sie in der Luft bleiben und wieder ausgeatmet werden.

Es ist also nur ein sehr kleiner Bruchteil mit einer ganz bestimmten Partikelgröße, der in die Regionen der Lunge vordringen können, wo sie Schaden anrichten können (nicht müssen) – und auch dies hängt von der Menge ab!

Die WHO hat deshalb eine bestimmte Fasergeometrie als lungengängig und potentiell alveolengängig definiert:

  • Durchmesser d (WHO): < 3µm
  • Länge l (WHO): > 5 µm (und < 10 µm)
  • Verhältnis l : d (WHO): > 3 : 1

Alveolengängige Fraktion nach DIN EN 481 © Stefan Pohl, Wikimedia Commons

Die blaue Linie zeigt wie effektiv (in %) Partikel mit einer Größe bis 10 µm in die Alveolen gelangen können. Die kleinsten mit weniger als 1µm zu fast 100%, die größten mit 10 µm nur noch zu1%. Das bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Partikel, die eingeatmet werden (violette Linie), auch in die Lungebläschen vordringen können. Die Partikelfraktion der grünen Linie gelangt immerhin in die oberen Atemwege.

Wie viele WHO-Fasern passen in einen Kristall-Würfel mit 1mm Kantenlänge?

Modell Chrysotil-WHO-Einheits-Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Der Einfachheit halber nehmen wir als Länge einmal 10 µm an. In 1 mm passen also 100 Faserstücke mit jeweils 10 µm Länge übereinander.

  • 2.500.000.000 x 100 = 250.000.000.000 Fasern

Diese Betrachtung berücksichtigt jedoch nur die oben genannten einzelne Elementarfasern (Fibrillen). In der Realität ist es jedoch kaum möglich, wenn nicht unmöglich, das Material so zu bearbeiten, so dass im Ergebnis alle Fasern einzeln vorliegen und auch noch alle gleich groß sind. Da die Partikelgrößenverteilung jedoch nicht bestimmbar ist, muss man von Durchschnittswerten ausgehen.

Annahme für die Berechnung:

  • Durchmesser d = 2 µm (WHO: < 3µm)
  • Länge l = 10 µm (WHO: > 5 µm)
  • Verhältnis l : d = 5 : 1 (WHO: > 3 : 1)

Unter Berücksichtigung der WHO Definition und eigener vereinfachter Annahmen erhält man also eine mögliche WHO-Faserzahl von 25.000.000 (= 25 Millionen Fasern) pro Würfel bei einer Kantenlänge von 1 mm, einem Faserbündeldurchmesser von 2 µm und einer Faserlänge von 10 µm.

Wie bereits erwähnt: Das ganze Material müsste so stark aufgemahlen werden, dass ausschließlich Fasern mit WHO Geometrie erzeugt werden. Die Natur hält sich jedoch nicht an solche Vorgaben und technisch werden auch nicht lauter gleich große Fasern erzeugt, sondern lauter unterschiedlich Große. Viele Partikel sind kleiner als die WHO Definition und werden ausgeatmet, andere sind viel größer, zu groß, um tief in die Lunge zu gelangen.

Trotzdem wollen wir zunächst berechnen, wieviele WHO Fasern in einem Würfel enthalten sein können, unabhängig davon, ob man später alle einzelnen Fasern herausbekommt. Außerdem liegt die Annahme zu Grunde, dass alle Fasern gleich dick sind. Sind sie aber nicht – dieses Modell betrachtet nur die durchschnittliche Größe.

Im nächsten Schritt berechnen wir also, wieviele WHO-Fasern 1 mg eines Asbestkristalls enthält: Dazu teilt man durch die spezifische Dichte und erhält:

  • 25.000.000 / 2,5 = ca. 10.000.000 Fasern / mg

Das bedeutet, dass ein reiner Asbestkristall-Würfel mit 1 Milligramm Masse 10 Millionen WHO-Einheits-Fasern enthalten kann. Berücksichtigt man jedoch, dass man es mit einer Partikelgrößenverteilung zu tun hat mit Größen zwischen 20 Nanometer und 10 Mikrometer, kann die tatsächlich Partikelzahl noch höher liegen.

Anteile ausrechnen

Modell Chrysotil Fasern – verschieden dick und verschieden lang © Heiko Hofmann

Die bisherige Betrachtung ist der Worst-Case  und sagt nichts darüber aus, ob die Fasern auch frei werden und vor allem, ob diese auch in WHO Größe entstehen. Hinzu kommt, dass

  • die Fasern in der Natur nicht alle gleich lang und dick sind,
  • die Asbestprodukte nur zum Teil aus Asbest bestehen und
  • man bei der Produktherstellung an den langen Fasern interessiert war und nicht an den kurzen,
  • in einem Asbestkristall  die Fasern auf natürliche Weise parallel und ohne Luft dazwischen wachsen. Sie sind praktisch dicht gepackt
  • in einem Asbest-Produkt  die Fasern aufbereitet, aufgelockert, aufgemahlen sind und im fertigen Produkt nicht dicht gepackt und parallel vorliegen, sondern kreuz und quer übereinander mit viel Zwischenraum.

 

Entweder der Zwischenraum wird bei der Produktherstellung mit einem anderen Stoff gefüllt (die Fasern werden also eingebettet), oder sie bleiben relativ locker (kaum Bindemittel, geringe Produktdichte).

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

Auf dem Bild rechts bekommt man einen Eindruck, wie locker Chrysotilfasern in einem Produkt gepackt sind. Außerdem kann man die Länge bestimmen: Länger als 100 µm!

Die feinen, lungengängigen Fasern enstehen also erst bei und durch die mechanische Bearbeitung!

Im Produkt selbst befinden sich hauptsächlich sehr lange Fasern, die noch nicht lungengängig bzw. alveolengängig sind.

Asbestgehalt im Produkt

Bisher wurde nur das Volumen betrachtet. Der Asbestgehalt in einem Produkt wird aber in Gewichtsprozent angegeben.

Asbestzement enthält ca. 10 % Asbest. 1 Gramm Asbestzement bestehet demnach zu 0,1 Gramm aus Asbest mit einer Dichte von 2,5 g/ cm3 und die restlichen 0,9 Gramm aus Zement mit einer Dichte von 3 g/cm3. Man muss also die Masse verwenden und nicht das Volumen.

Zusätzlich wird die Berechnung kompliziert, da ja nicht alle Fasern gleich dick und gleich lang sind. Auch hier kann man sich nur mit einem Mittelwert annähern.

Tatsächlich werden beim Bearbeiten sehr viel weniger Fasern freigesetzt – und dabei handelt es sich um Faserbündel unterschiedlicher Größe. Wieviele Fasern freigesetzt werden hängt nun davon ab:

  • Wieviel Material “zerkleinert” wird. Also wieviel Material wird beim Bearbeiten sprichwörtlich “pulverisiert”?
  • Dies wiederum hängt davon ab, wie das Material bearbeitet wird, also wie gut das Mateial pulverisiert wird. Beim Sägen und Flexen wird viel Material pulverisiert, beim Brechen weniger (aber immer noch genug), durch natürliche Verwitterung nur wenige 100 Fasern.

Konkrete Zahlen

1) Der Erste Schritt, um zu einer aussagekräftigen, realistischen Zahl zu kommen, ist eine relativ genaue Abschätzung, wieviele Milligramm oder Gramm des Produktes oder welches Volumen pulverisiert wurde.

2) Der Zweite Schritt ist, diese Zahl mit dem prozentualen Anteil des Asbestes in der Probe zu multiplizieren.

3) Im dritten Schritt muss man eine Annahme machen, wie leicht Asbestfasern freigesetzt werden können (Freisetzungspotential) und welcher Anteil der freigesetzten Fasern die WHO Geometrie erfüllt. Dies ist der unsicherste Teil und mit einem großen Fehler behaftet.

4) Der vierte Schritt ist nun die Bestimmung, auf welches Raumvolumen sich diese Faserzahl verdünnt hat. Erst dann erhält man eine Konzentration in Fasern / m3.

Schneiden einer Asbestzementplatte mit der Flex:

  • Beim Flexen wird sehr viel Feinstaub erzeugt © Bild von donations welcome auf Pixabay

    Dicke Sägeblatt: 4 mm

  • Dicke Asbestzementplatte: 6 mm
  • Länge des Schnittes: 1 m (1000 mm)

Volumen des Pulverisierten Asbestzements:

  • 4 mm x 6 mm x 1000 mm = 24.000 mm3

Asbestgehalt: 10%

  • 24.000 mm3 X 10% = 2.400 mm3

Theoretische Anzahl enthaltener WHO Fasern

2.400 mm3 x 25.000.000 F = 62.500.000.000 F

Gelangen alle Fasern in die Lungenbläschen?

Beim Sägen von Asbestzementplatten mit der Flex wurden laut DGUV Report “Faserjahre” Faserkonzentrationen bis zu 60.000.000 Fasern / m3 Raumluft gemessen und nicht 62 Milliarden. Das ist ein Unterschied von einem Faktor 1000! Das liegt daran, dass

  • Fasern bis maximal 10 µm Größe (Länge oder Durchmesser) als alveolengängig gelten. Asbestfasern sind aber, egal wie stark man sie bearbeitet, von Natur aus häufig länger und nur ein kleiner Bruchteil (hier ein Tausendtsel) davon wird tatsächlich so fein, dass sie in die Lungenbläschen gelangen können.
  • demnach nur ein Teil tatsächlich die WHO Fasergeometrie erfüllt,
  • große Partikel (sehr dicke Faserbündel) zu Boden fallen und nicht mitgezählt werden und
  • in diesem Fall das Raumvolumen der möglichen Verdünnung nicht angegeben wurde.
  • keine Angabe gemacht wurde, wann an welcher Stelle gemessen wurde. Für brauchbare Ergebnisse muss während der Tätigkeit gemessen werden und außerdem muss der Abstand und die verdünnung berücksichtigt werden.

Fazit

Schon alleine aufgrund ihrer Partikelgröße gehen die möglichen Faserzahlen, die in einem Produkt stecken, realistisch betrachtet in die Größenordnung von vielen Millionen oder Milliarden.

Ob und wieviele tatsächlich davon freigesetzt werden, hängt vom Asbestgehalt ab und von der Art der Bearbeitung des Produktes. Dazu kommt die Verdünnung mit sauberer Luft, sobald die Fasern in der Luft sind. Der unsicherste Faktor in der ganzen Beatrachtung ist jedoch das persönliche Verhalten, das einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wieviele Fasern am Ende in der Lunge ankommen.

Deshalb können prinzipiell Fragen zu einem konkreten Gesundheitsrisiko in der Praxis nicht seriös beantwortet werden.

Faserrechner

Mit dem Faserrechner können Sie sich auf mineralogisch-mathematische Weise an eine maximal möglich Anzahl “verfügbaren” Fasern annähern. Der Rechner berücksichtigt die WHO Fasergeometrie in Verbindung mit realistischen Beobachtungen im REM, sowie Materialeigenschaften und Bearbeitungsart. Außerdem die Raumdimension und Verdünnungsfaktoren durch Belüftung.

Er kann dagegen nicht berücksichtigen, welcher Anteil der freigesetzten Fasern tatsächlich lungengängig ist. Grob geschätzt ist das nu ein sehr geringer Bruchteil von ca. 1% oder 0,1%.

Faserrechner – Geometrie © Heiko Hofmann

Faserrechner – Werkstoffeigenschaften © Heiko Hofmann

Faserrechner – Freisetzungspotential © Heiko Hofmann

Faserrechner – Luftwechsel © Heiko Hofmann

 

Neuer Fall eines falschen Analysberichtes

Anlass: Kindergeburtstag

Stellen Sie sich vor, Ihre Kuchen-Deko enthielte Asbest © Annika1707 auf Pixabay

Eine Kundin (die anonym bleiben möchte) hatte an einem Kindergeburtstag eine Geburtstagstorte mit einer sogenannten Sprühkerze (bzw. Eisfontäne, Eissterne) aufgetischt. Die Verpackung der Kerzen trug ein CE-Kennzeichen.

Nach dem Abbrennen der Kerze blieb auf dem Kuchen und an der Kerze ein Niederschlag (Asche) übrig. Die Kundin machte sich Sorgen und sendete eine Probe des Niederschlages an ein akkreditiertes Analyselabor mit dem Auftrag, diese per REM auf Asbest zu untersuchen.

Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Überraschendes Ergebnis

Laut Analysebericht wurde Amphibolasbest (Tremolit) nachgewiesen. Als Nachweisbarkeitsgrenze wurde 0,1% angegeben, eine Klassifizierung in die Mengenklassen 1 bis 5 erfolgte nicht.

Ein Blick in den Analysebericht ließ jedoch Zweifel bei mir aufkommen: Die Spezifikationen für WHO-Fasern waren nicht erfüllt. Das untersuchte Partikel hatte einen Durchmesser von 10μ (erlaubt maximal 3μ) und eine Länge von rund 30μ. Das Partikel war deutlich zu groß um als Faserstaub “durchzugehen”.

Das EDX Diagramm zeigte zwar die “richtigen” Elemente an, nämlich Si, Mg und Ca. Dies sind jedoch Elemente, die in nahezu allen Silikaten typisch sind. Elemente, die jedoch ohne die passende Morphologie der Partikel im Bild, nämlich nadelige Strukturen, nicht ohne genaue Überprüfung als Amphibolasbest indentifiziert werden dürfen. Das ist schlicht fahrlässig.

Im Fall der Kundin sorgte dies für schlaflose Nächte und ein paar andere Beschwerden. Hätte sich dies um eine Analyse des Herstellers im Zuge der Qualitätssicherung gehandelt, wäre der Schaden wegen der rechtlichen und arbeitschutz-bedingten Konsequenzen beachtlich gewesen.

Das Analyselabor verbietet die Veröffentlichung der Ergebnisse – auch auszugsweise, daher können das Bild und das EDX Diagramm hier nicht präsentiert werden.

Labor räumt Fehler ein

Nach meiner Einschätzung telefonierte die Kundin mit dem Labor und schilderte die Bedenken. Dort räumte man ein, dass das Ergebnis fehlerhaft sei und die Spezifikationen der WHO-Fasergeometrie nicht efüllt sei. Das untersuchte Partikel sei in der Tat viel zu groß und hatte nicht die typische Nadelform von Amphibol-Asbest. Es handle sich definitiv nicht um Asbest.

Immerhin.

Dennoch: Die Konsequenzen fehlerhafter Analyseberichte und Gutachten können sehr üble Konsequenzen (finanzielle und gesundheitliche – wegen der psychischen Belastung) nach sich ziehen. Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Offenbar nehmen dies viele Labore nicht wirklich ernst, bevor sie einen positiven Bericht (im negativen Sinne) herausgeben.

Die besondere Tragik

In diesem Fall wäre die besondere Tragik, dass es ein Vergnügungsprodukt ist, das aktuell im Internet bestellt werden kann. Durch das Abflammen werden viele Partikel in der Atemluft verteilt und können eingeatmet werden (oder ziehen Sie eine FFP2 Maske auf, wenn Sie Feuerwerk abbrennen oder die Wunderkerzen auf dem Kuchen anzünden?).

Da das Produkt aktuell im Handel erhältlich ist, hätten sich sowohl der Hersteller als auch der Händler strafbar gemacht, weil sie gegen REACH, CLP und Gefahrstoffrecht verstoßen hätten, indem sie Asbestprodukte herstellen, in Verkehr bringen und verwenden. Ihnen hätte eine Anzeige gedroht und die Produkte hätten unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Über den Unterschied zwischen künstlichen Mineralfasern (KMF) und Asbest

Asbest und Mineralwolle bzw. genauer: Künstliche Mineralfasern (abgekürzt KMF) werden gerne in einem Atemzug genannt. Dabei haben sie recht wenig miteinander zu tun. Außer, dass beide allgemein als Fasern bezeichnet werden und beide (je nach Größe) lungengängig sind.

Wie bei Asbest ist auch der Umgang mit alter Mineralwolle problematisch, denn auch diese kann nach dem Einatmen Krebs erzeugen. Man könnte zwar salopp sagen, es ist egal, wovon man Krebs bekommt, aber das wäre zu pauschal.

Asbest und künstliche Mineralfasern haben unterschiedliche Eigenschaften, was die Gesundheitsgefährdung betrifft – und das liegt an deren Beschaffenheit.

Was genau ist Mineralwolle?

Im Gegensatz zu Asbest handelt es sich bei Mineralwolle oder künstlichen Mineralfasern – wie der Name schon verrät – um ein künstliches Produkt. Asbest hingegen ist eine Gruppe natürlicher Minerale.

Glaswolle Zerfaserungsmaschine. Ein Strahl der Glasschmelze wird mit Druckluft zerfasert © FMI Marc Wiegelmann CC-BY-SA-3.0

Die Herstellung von Mineralwolle funktioniert im Prinzip genau wie Zuckerwatte: Eine Schmelze aus (altem) Glas oder Gestein (1200°C bis 1600°C) wird geschleudert oder mit Druckluft angeblasen, so dass hauchdünne Fäden entstehen, die sofort abkühlen und dabei erstarren. Nur mit dem Unterschied, dass es sich um feinste Glasfasern handelt. Die Schmelze besteht dabei hauptsächlich aus Siliziumdioxid, also SiO2. Der Unterschied zu Quarz besteht darin, dass sich beim schnellen Abkühlen keine Kristallstruktur bilden kann, also kein Kristallgitter. Dafür ist die Zeit viel zu kurz. Eine aus einer Schmelze schlagartig erstarrte Substanz ohne Kristallstruktur nennt man in den Geowissenschaften “Glas”. Wenn also der geschmolzene Zucker schlagartig in Form von dünnen Fäden erstarrt, ist dies auch ein Glas – Zuckerglas.

Der Unterschied zwischen Glaswolle und Steinwolle besteht im Wesentlichen in der chemischen Zusammensetzung der Ausgangsmaterialien, der Schmelztemperatur und somit auch der Temperaturbeständigkeit des Produktes:

  • Glaswolle enthält unter anderem sehr viel Altglas, also hauptsächlich SiO2. Das hat eine relativ niedrige Schmelztemperatur von 600°C bis 800°C.
  • Steinwolle heißt nicht nur Steinwolle, weil es aus geschmolzenem Gestein hergestellt wird, sondern auch, weil der Gehalt an SiO2-armen Bestandteilen steigt, insbesondere Basalt. Steinwolle, die relativ basaltreich ist, heißt auch Basaltwolle. Basaltische Gesteine haben einen sehr hohen Schmelzpunkt und deshalb sind Mineralwollen aus Basalt sehr temperaturbeständig.

Künstlich hergestellte Steinwolle © Achim Hering CC-BY-SA 3.0

Natürlicher Chrysotil-Kristall © Eurico Zimbres CC-BY-SA 2.5

Der Unterschied zwischen Asbest und Mineralwolle

Asbestfasern besitzen also eine Kristallstruktur und Mineralwolle nicht. Allgemein kann man sagen, dass Kristallgitter stabiler sind als Gläser. Die Natur hat sich sehr viel Zeit gelassen, diese Kristallgitter zu bilden, manchmal Tausende oder Millionen von Jahren.

Ein Kristallgitter ist ein energiearmer Zustand. Um dieses Gitter zu zerstören, muss viel Energie aufgebracht werden, die (in unserem Körper) nicht zur Verfügung steht. Ein Glas ist ein energiereicher Zustand – die Energie wurde beim Erstarren praktisch eingefroren. Um das Glas zu zerstören (z.B. durch Auflösung) benötigt es viel weniger Energie. Und diese Betrachtung spielt bei der Risikoermittlung bzw. der Gefährlichkeit für die Gesundheit eine entscheidende Rolle.

Hinzu kommt noch die äußere Gestalt der Fasern, die natürlich einen Einfluss auf die Lungengängigkeit hat: Beide sind zwar sogenannte WHO-Fasern, also Durchmesser < 3μ, Länge > 10μ und verhältnis von L : D > 5.

Wenn man sich die Gestalt jedoch unter dem REM ansieht, erkennt man leicht, dass die Glasfasern aus einem einzelnen Strang bestehen und stumpfe Enden haben, die Asbestfasern sich jedoch in tausende noch feinere Fasern aufspalten können. Eine Asbestfaser gilt nämlich bereits als Faser, wenn sie die WHO Kriterien erfüllt obwohl sie vielleicht ein Bündel aus tausenden, noch feineren Fasern ist.

REM Bild von Glaswolle © M. Strait

REM Bild von Basaltwolle. Kein Aufspleißen an den Enden. © M. Strait

REM Bild von Chrysotil. Faserbündel speißt auf. © M. Strait

EDX Diagramm von Glaswolle © M. Strait

EDX Diagramm von Basaltwolle: Hoher Gehalt an Al, Mg, Ca, Na und Si © M. Strait

EDX Diagramm von Chrysotil © M. Strait

In den REM Bildern sieht man links Glaswolle, in der Mitte Basaltwolle und rechts Chrysotil. Die Fasern der Mineralwolle haben stumpfe Enden, die nicht aufspleißen. Es sind also bereits einzelne Fasern. Chrysotil hingegen spleißt an den Enden und Bruchkanten in Tausende, noch feinere Fasern auf.

In den EDX Diagrammen sieht man die typischen Zusammensetzungen von Glaswolle (fast nur Si und O), Basaltwolle (Neben Si und O auch Ca, Na, Fe, Mg und besonders Al) und Chrysotil (Mg und Si Peaks nahezu gleich hoch).

Warum ist alte Mineralwolle (auch) gefährlich?

Dazu muss man sich die chemische Zusammensetzung etwas näher ansehen: Sie unterscheidet sich gar nicht so sehr von der Zusammensetzung von Asbestmineralen. Hauptbestandteile sind – wie auch bei allen anderen Silikaten – Si und O (neben anderen Elementen wie Ca, Mg, Al, Fe, Na…)

Da es sich aber um ein Glas ohne Kristallstruktur handelt, sieht man sich neben der “Matrix” aus SiO2 die Oxide der Elemente Natrium, Kalium, Magnesium, Calcium, Barium, und Aluminium an (und Spuren von anderen Elementen).

Diese Zusammensetzung bestimmt die Stabilität bzw. die chemische Löslichkeit. Je schwerer löslich diese Fasern sind, desto länger bleiben Sie im Körper stabil. Man nennt dies “biopersistent”.

Herstellungs- und Verwendungsverbot

Gemäß Gefahrstoffverordnung Anhang II Nummer 5 dürfen biopersistente Fasern nicht hergestellt oder verwendet werden, wenn sie in der Summe mehr als 18% (Masse) der Oxide der o.g. Elemente (ohne Aluminium) enthalten:

Σ (Na2O + K2O + MgO + CaO + BaO) > 18% (Gew.)

Gleichzeitig gelten allerdings ein ganze Reihe von Ausnahmen – und jetzt wirds kompliziert:

1. ein geeigneter Intraperitonealtest hat keine Anzeichen von übermäßiger Kanzerogenität ergeben,

2. die Halbwertzeit nach intratrachealer Instillation von 2 Milligramm einer Fasersuspension für Fasern mit einer Länge von mehr als 5 Mikrometer, einem Durchmesser von weniger als 3 Mikrometer und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von größer als 3 zu 1 (WHO-Fasern) beträgt höchstens 40 Tage,

3. der Kanzerogenitätsindex KI, der sich aus der Differenz zwischen der Summe der Massengehalte (in Prozent) der Oxide von Natrium, Kalium, Bor, Calcium, Magnesium, Barium und dem doppelten Massengehalt (in Prozent) von Aluminiumoxid ergibt, ist bei künstlichen Mineralfasern mindestens 40,

4. Glasfasern, die für Hochtemperaturanwendungen bestimmt sind, die

a) eine Klassifikationstemperatur von 1000 Grad Celsius bis zu 1200 Grad Celsius erfordern, besitzen eine Halbwertzeit nach den unter Ziffer 2 genannten Kriterien von höchstens 65 Tagen oder

b) eine Klassifikationstemperatur von über 1200 Grad Celsius erfordern, besitzen eine Halbwertzeit nach den unter Ziffer 2 genannten Kriterien von höchstens 100 Tagen.

Die Punkte 1, 2 und 4 können hier nicht ausführlich behandelt werden, sie sind für uns auch nicht ausschlaggebend, denn sie betreffen die Hersteller von Mineralwolle. Punkte 1 und 2 betreffen darüber hinaus Tierversuche, bei denen die Auswirkungen der Mineralwolle über lange Zeiträume beobachtet werden muss.

Für uns interessant ist der Kanzerogenitätsindex KI, denn der kann durch Analytik bestimmt werden. Mit ihm kann festgestellt werden, ob es sich um die alte, verbotene KMF handelt oder um neue, zugelassene und gesundheitlich unbedenkliche.

Der Kanzerogenitätsindex ist definiert als

Σ (Na2O + K2O + B2O3 + CaO + MgO + BaO)  – 2 x Al2O3  > 40

Auf deutsch: Wenn der KI kleiner als 40 ist, gilt die Wolle als krebserzeugend. Heißt also, je höher der Gehalt an Aluminium (Oxid), desto geringer die Differenz. Oder andersrum: Je höher der Aluminiumgehalt, desto beständiger gegen Auflösung, also biopersistsenter.

Zum Nachweis von Asbest durch Polarisationsmikroskopie (PLM)

Viele akkreditierte Analyselabore bieten als kostengünstige Nachweismethode von Asbestmineralen die Polarisationsmikroskopie (PLM) an. Dies ist legitim und auch eine vom VDI gem. Richtlinie 3866 Blatt 4 anerkannte Methode.

Wie in vielen anderen Fällen auch kennen sich Laien nicht damit aus, was das genau ist und was die Methode kann. Wichtig für die Entscheidung ist lediglich die “Zulassung” und der günstige Preis.

Eine rein optische Methode

Im Gegensatz zur Rasterelektronenmikroskopie, bei der ein zwar ein Bild entsteht, dies aber durch den Computer berechnet wird, erhält man bei der PLM ein “echtes” optisches Bild. Anders als bei REM erhält man auch kein Energiespektrum, das Aussagen zur chemischen Zusammensetzung liefert. Die Auswertung am PLM erfolgt rein optisch. Hier ist also noch mehr Erfahrung des Analytikers erforderlich als beim REM.

Zitronensäure im_Polarisationsmikroskop_200-fach @ Jan Homann CC0

Dennoch ist mit dem PLM einiges möglich. Polarisationsmikroskopie deshalb, weil die Lichtquelle, die die Probe “durchleuchtet” polarisiert ist. Zusätzlich haben Kristalle die Eigenschaft, dass sie über ein regelmäßiges Kristallgitter verfügen. Durchdringt ein Lichstrahl dieses Gitter, wird er durch den Gitterbau beeinflusst. Kristalle können ihrerseits das Licht ebenfalls polarisieren – und so kommt es je nach Polarisationsrichtung und Einfallswinkel des Lichts in den Kristall zu Interferenzen. Dies kann zur Auslöschung des Lichts führen (die Stellen erscheinen lichtundurchlässig), oder es wird bunt. Diese Farben können sich ändern, je nachdem wie der Probentisch gedreht wird. Dies sind die sogenannten Doppelbrechungsfarben. Weil der Probentisch eine Kreisskala hat, kann man sogar Winkel messen.

Diese optischen Effekte kann man also durchaus dazu nutzen, die Minerale zu charakterisieren und sogar Aussagen zur chemischen Zusammensetzung zu machen. Dies wird jedoch nicht wie beim REM gemessen, sondern durch den Analytiker interpretiert.

Die optischen Effekte hängen zusätzlich von der Dicke des Präparates ab. Deshalb wird für die PLM normalerweise ein sogenannter Dünnschliff erstellt, der eine exakte Dicke haben muss. Ein Dünnschliff ist eine hauchdünne “Gesteinsscheibe”, die auf einen Glasträger aufgeklebt ist und nicht dicker als rund 25 Mikrometer. Die Herstellung eines exakten Dünnschliffes ist nicht einfach und kostet viel Zeit. Außerdem geht das nur mit einem Gestein, nicht aber mit losen Fasern wie bei Asbest. Diese müssten zuvor in Kunstharz eingebettet werden, um anschließend daraus einen Dünnschliff herzustellen. Außerdem muss zuvor ausgeschlossen werden, dass organische Fasern vorhanden sind – diese müssen – wie bei der Präparation für REM auch – zuvor durch Glühen zerstört werden. Eine ganze Menge verschiedener Schritte sind also notwendig, um ein vernünftiges Präparat herzustellen.

Was kann PLM und was kann sie nicht?

Das kostet Zeit und Geld, weshalb bei den günstigen Angeboten auf die aufwändige Präparation verzichtet wird. Da man also Asbestproben in der Regel nicht auf die Art präpariert, wie man es eigentlich für die PLM tun müsste, kann man PLM praktisch nur so anwenden wie ein normales Mikroskop – mit der Ergänzung des polarisierten Lichts und des drehbaren Präparattisches.

Man kann in der Tat Fasern oder Nadeln erkennen – nur einerseits im Rahmen der optischen Auflösung. Zusätzlich könnten sich auch andere Fasern unter das Okular mogeln, die zwar ähnlich aussehen, aber keine Asbestfasern sind. Hinzu kommt, dass es außer den typischen Asbestfasern auch viele andere Amphibolfasern gibt, die nicht zu den Asbestmineralen zählen. Es gibt über 100 verschiedene Amphibole.

Auf eventuelle Auslöschungseffekte und Doppelbrechungsfarben kann man nicht viel geben, weil das Präparat nicht als Dünnschliff vorbereitet wurde. Außerdem kann es selbst in einem Dünnschliff bei Asbestfasern zu optischen Abweichungen (z.B. Falschfarben) kommen, welche die Interpretation durch den Analytiker erschweren oder sogar in die falsche Richtung lenken.

Was bekommt man für 30 EUR?

Erneut muss man die Frage stellen, was bekommt man für 30 – 40 EUR? Ein Dünnschliff ist nicht ohne Aufwand machbar und ein erfahrener Analytiker ist viel zu teuer, um sich ausreichend Zeit für eine gründliche Interpretation des Bildes zu nehmen.

Am Ende muss man ein PLM Ergebnis doch zusätzlich mit REM untermauern, um Gewissheit zu haben. Der Nachweis, dass es sich um Asbest handelt und um welche Minerale, erfordert die Analyse der chemischen Zusammensetzung und / oder der Kristallstruktur. Und das geht mit einem “Schnellschuss” mit PLM einfach nicht.

Wenn Sie also die kostengünstige PLM Methode wählen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie für 30 EUR erwarten können und dass Sie im Zweifel zusätzliche Analytik benötigen, um sicher zu sein.

 

 

Falsche und fehlerhafte Gutachten

Leider keine Ausnahme!

Leider kein Einzelfall mehr: Es kommen mehr und mehr falsche oder fehlerhafte Gutachten, auch von akkreditierten Laboren, in Umlauf.

Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich ist aber: Wegen der strengen Gesetze und Regeln zum Umgang und Abbruch von Asbest werden immer mehr Gutachten gebraucht. Das ist inzwischen ein beachtlicher Markt, auf dem sich auch Labore tummeln, die nicht auf erfahrene Analytiker zurückgreifen können und die den Aufwand und die Komplexität der erforderlichen Analyse unterschätzen.

Die Erfahrung und die Zeit, die man sich für eine gute Analyse nimmt, sind fundamental wichtig, um die Ergebnisse so zu interpretieren, dass sie auch Sinn ergeben.

In den meisten Fällen kann ein Laie nicht überprüfen oder nachvollziehen, ob das Ergebnis Sinn ergibt oder nicht. Um so wichtiger ist es, ein Labor zu beauftragen, das über höchst qualifiziertes Personal und eine sehr gute Ausstattung verfügt. Es lohnt sich, hier unter Umständen mehr Geld zu investieren.

Was Schnelltests für zuhause können und was nicht und warum man dabei sehr vorsichtig sein sollte erfahren Sie im Blog-Beitrag.

Authentisches Fallbeispiel

Ein Unternehmen stellt einen polymerbasierten Kunstharz her, der standardmäßig mit 20% Talkum als Füllstoff versetzt wird. Zur Qualitätssicherung wird das Produkt regelmäßig mit Rasterelektronenmikoskpie untersucht. REM erlaubt nicht nur die optische Analyse mit einem Bild, sondern auch die Kontrolle der chemischen Zusammensetzung. Das Unternehmen sendet hierfür regelmäßig eine Probe an ein akkreditiertes Analyselabor.

REM und EDX Analyse © Eigentümer bleibt einvernehmlich anonym

Das offizielle Ergebnis des Gutachtens lautete: 20% Amphibol-Asbest.

Folge

Der Hersteller handelte richtigerweise sofort und stellte die Produktion ein. Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt. Einige machten sich Sorgen und suchten einen Arzt auf, weil sie befürchteten, einer Asbestexposition ausgesetzt gewesen zu sein, zumal bei der Produktion das Talkum als Schüttware beigement wird und es zur Staubentwicklung kommt.

Bei den verantwortlichen Personen (u.a. Arbeitsschutz und Qualitätssicherung) stellte sich sofort die Frage: Wie kommt auf einmal Asbest in das Produkt?

Die Wahrheit

Ich wurde daraufhin beauftragt, eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt abzugeben und konnte den Hersteller beruhigen, dass es sich hierbei keineswegs um Asbest handelt (schon gar kein Amphibolasbest), sondern schlicht um das absichtlich beigemengte Talkum.

Warum?

  1. Das Ergebnis des Gutachtens lautete 20% Asbestanteil (bei 20% beigemengtem Talkum). Das müsste einen erfahrenen Analytiker zumindest aufmerksam machen.
  2. Auf dem REM Bild sind keine Fasern zu sehen, sondern ein Schichtsilikat von der Seite. Ein erfahrener Analytiker kann das unterscheiden.
  3. Im EDX Diagramm (chemische Zusammensetzung) ist die typische Zusammensetzung von Talkum eindeutig nachgewiesen. Ein erfahrener Analytiker und Mineraloge weiß das. Der Gegentest mit einem Amophibol-Asbest kann ausgeschlossen werden.

Doch im Detail:

Zu 2:

REM Bild der Analyse

REM Aufnahme: Muskovitkristall in Montmorillonit © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

In beiden Bildern erkennt man sehr gut die dünnen Schichten und Stapel eines typischen Schichtsilikates (wie ein Stapel Papier) und Talkum ist ein solches typisches Schichtsilikat. Asbestfasern bzw. Asbestnadeln sehen hingegen so aus:

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

REM Aufnahme von Anthophyllit © USGS Lizenz CC0 (gemeinfrei)

Zu 3.

Legt man im EDX Diagramm ein Spektrum von Talk über das gemessene Spektrum der Analyse bekommt man nahezu vollständige Übereinstimmung (die Peakhöhe des Sauerstoffs kann abweichen, weil die Analytik vermutlich in einem ESEM unter Teilatmosphäre gemessen wurde und Luftsauerstoff mitgemessen wird – die eher schlechte Bildqualität deutet darauf hin). Ausschlaggebend ist aber das Peakverhältnis von Mg und Si.

EDX Analyse mit Overlay eines EDX Spektrums von Talk © Montage Heiko Hofmann

Legt man hingegen das EDX Spektrum eines typischen Amphibol Asbestes darüber (z.B. Aktinolith) ist die Übereinstimmung falsch. Mehr noch, das nötige Calcium (Ca) fehlt im EDX Diagramm der Analyse. Ein Ausschlusskriterium.

Analyse mit Overlay des EDX Spektrums von Aktinolith © Montage Heiko Hofmann

Der Analytiker hat also das absichtlich beigemengte Talkum fälschlich als Asbest identifiziert und schriftlich begutachtet.

Die Konsequenz

Der Auftraggeber hat hingegen alles richtig gemacht und schnellstmöglich für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gesorgt.

Gelegenheit zur Nachbesserung – aber ohne Einsicht

Aufgrund meiner Stellungnahme wurde dem Analyselabor ein weiteres Aliquot derselben Probe zugesendet mit dem Auftrag dies zu analysieren. Außerdem wurden sie über meine Stellungnahme informiert. Das Ergebnis fiel diesmal negativ aus, obwohl es sich um einen Teil derselben Probe handelte.

2 weitere Gutachten von unabhängigen Laboren fielen ebenfalls negativ aus und bestätigten meine Beurteilung der Originalanalyse.

Dennoch blieb das Analyselabor bei seinem ursprünglichen Gutachten und wollte den eindeutigen Fehler nicht eingestehen. Es behauptete nach wie vor, in der ersten Analyse sei 20% Asbest nachgewiesen worden.

Aus anlytisch wissenschaftlicher Sicht ist das nicht nur grob unwissenschaftlich im Sinne von wissenschaftlichem Fehlverhalten und Verstoß gegen den wissenschaftlichen Codex, es ist glatt gelogen und auch grob fahrlässig.

Es mag sein, dass anfangs ein unerfahrener Analytiker mit der Auswertung beauftragt wurde. Doch spätestens nach der Reklamation muss sich zwangsläufig ein erfahrener Analytiker damit befasst haben. Dennoch hat das Analyselabor bzw. die Geschäftsleitung entschieden, den Fehler nicht einzuräumen. Warum? Das kann man sich sozusagen an 3 Fingern abzählen: Schadenersatz.

Fazit

Der Analytiker ist generell (zumindest moralisch) verpflichtet und hat die Verantwortung, insbesondere bei derartigen Konsequenzen, sein eigenes Ergebnis zu hinterfragen und vor allem durch das Ausschlussverfahren alle anderen möglichen Fehlerquellen auszuschließen. In so einem Fall ist das Ergebnis nur dann als korrekt anzusehen, wenn einzig Asbest als Analyseergebnis übrig bleibt. Dies wurde hier nicht geprüft – und das ist grob fahrlässig.

Das Problem ist aber auch, dass Auftraggeber auf die seriöse Arbeit und fachliche Kompetenz der Gutachter und Analytiker angewiesen sind, denn Sie beauftragen ja Experten, gerade weil sie sich selbst nicht gut genug auskennen oder über die Analytik verfügen oder das Ergebnis beurteilen können – und genau dafür bezahlt man mitunter sehr hohe Preise.

Der Schaden war jedoch angerichtet und die Folgekosten gingen in einen 6-stelligen Bereich.

 

Asbest-Schnelltests für Zuhause- warum Vorsicht geboten ist

Die Immobilienpreise steigen, die Mieten auch. Viele junge Familien überlegen daher, in das lang gewünschte Eigenheim zu investieren. Gerade die Gebäude mit Baujahr 1950 bis 1980 sind noch einigermaßen bzw. vergleichsweise günstig zu haben, insbesondere, wenn man selbst notwendige Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten durchführt.

Viele der Interessent*innen wissen aus den Medien, dass sie sich mit dem Kauf oder auch der Miete solcher Immobilien eventuell Bauschadstoffe mit einkaufen oder mieten. Sie haben sich auch mit der Thematik Asbest bereits auf zahlreichen Internetseiten kundig gemacht.

Das Thema Asbest und insbesondere, dass es der Gesundheit schadet ist in der Öffentlichkeit längst angekommen. Parallel dazu hat sich ein Markt etabliert, der sich auf die Begutachtung und Sanierung konzentriert. Dies sind hochspezialisierte Aufgabengebiete, mit denen sich bisher nur wenige wirklich gut auskennen, zu wenige, um die Nachfrage abzudecken. Und diese Kombination aus Angebotsdefizit und Komplexität der Thematik lassen sich Schadstoffsanierungsfirmen und Ingenieurbüros verständlicherweise gut bezahlen.

Dabei kommt ihnen zu Gute, dass die Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest umfangreich, komplex sind und nicht leicht verständlich. Generell dienen diese Vorschriften in erster Linie dem Arbeitsschutz und erst in zweiter Linie dem Schutz der Allgemeinheit. Trotzdem gelten insbesondere seit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung im Dezember 2024 die strengen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest in den eigenen 4 Wänden auch für Privathaushalte.

Was sagt das Recht?

Knifflig wird es, weil zwar die Vorschriften für sogenannte ASI Arbeiten auch für Privathaushalte gelten. Streng genommen können also Privatpersonen zuhause loslegen und Sanierungs- oder Abbrucharbeiten in Eigenregie durchführen, wenn sichergestellt ist, dass alle Vorsichtsmaßnahmen nach TRGS 519 eingehalten werden (siehe auch §11 (7) GefStoffV und FAQ der BAuA).

Die Rechtslage für Privatpersonen ist also schwierig zu beurteilen. Im Zweifel gilt: Hände weg von Asbest und den Umgang damit den Profis überlassen.

Ist überhaupt Asbest da?

Nun wollen aber viele Menschen verständlicherweise wissen, ob überhaupt Asbest in den eigenen 4 Wänden vorhanden ist. Dafür muss man eine sogenannte “Erkundung” durchführen: Probennahme und Analyse. Hier ist die GefStoffV leider etwas uneindeutig: Es ist zwar davon die Rede, dass “Veranlasser”, also Bauherren und Auftraggeber (auch Privatpersonen) den Auftragnehmer “nur” über das Baujahr des Objektes informieren müssen (siehe §5a GefStoffV) und die analytische Erkundung durch den Auftragnehmer nötigenfalls selbst als besondere Dienstleistung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann (siehe § 6 (2), (2a), (2b) GefStoffV), dabei aber der Begriff “Erkundung” nicht genau definiert ist. Erkundung kann also neben der Ermitltungen zum Baujahr, was eine rein dokumentatorische Erkundung wäre, auch als Probennahme und Analytik (was eine technische Erkundung wäre, die zumindest Fachkunde erfordert), verstanden werden.

Rechtliche “Schwachstelle”

Diese rechtliche Schwachstelle nutzen zahlreiche Anbieter für sogenannte Asbest-Tests für Zuhause, indem sie sich aus dem riskantesten Teil des Tests heraushalten: Der Probennahme.

Private “Erkundung”

Für relativ wenig Geld (häufig zwischen 40 und 80 EUR je Probe), wird eine hochqualitative und sogar “gerichtsfeste” Analytik der eingesendeten Proben angeboten. Alle versprechen, die Besten und Erfahrensten zu sein – nur einige davon sind es tatsächlich auch. Den Kund*innen wird der Eindruck vermittelt, man könne so schnell Gewissheit darüber erhalten, ob Asbest vorhanden ist, ohne viel Geld für eine*n Gutachter*in in die Hand nehmen zu müssen.

Für die Anbieter*innen solcher Tests ist das leicht verdientes Geld, denn sie haben keine Verantwortung für eventuell schiefgegangene Beprobung und dadurch entstandene Gesundheitsrisiken für die Kund*innen oder für unbeteiligte Dritte. Und die Wahrscheinlicheit, dass Kund*innen eventuelle Fehler oder Schwachstellen im Gutachten oder in der Analytik erkennen und nachvollziehen können – und dann noch dagegen vorgehen, geht gegen null. Ein sicheres Geschäft also.

Für die Kund*innen aber ist die Probennahme zumindest riskant oder sogar gefährlich: Zwar enthalten die “Seriösen” unter den Test-Kits Anleitungen, wie bei der Beprobung (möglichst sicher) vorzugehen ist. Sie enthalten aber weder geeignete Schutzausrüstung noch die die für Asbestarbeiten zugelassenen Geräte wie z. B. Industriesauger mit H-Filter und Asbest-Zulassung.

Selbst Proben nehmen ist gefährlich (und rechtlich nicht belastbar)

Beschädigte Promabestwand unter Glasfasertapete © Heiko Hofmann

Die Kund*innen werden also dazu ermutigt (sogar verleitet), ohne jegliche Fachkenntnisse (außer vielleicht zahlreicher Informationen aus dem Internet), selbst eine kleine Probe vom Wandputz herauszukratzen, vom Fliesenkleber, dem Fensterkitt, der Heizkessel-Isolierung. Von einer Leichtbauplatte eine kleine Ecke abzubrechen oder von einem Bodenbelag aus Cushion-Vinyl einen Streifen abzureißen. Vielleicht schneidet man eine kleine Ecke von der Eternitverkleidung ab, um Gewissheit über Asbestvorkommen zu bekommen.

Aber gerade dann wird Asbest zur Gefahr: Wenn es durch die zur Beprobung notwendige Beschädigung freigesetzt wird.

Und die Frage bleibt: Probennahme ist eine Umgang mit Asbest! Ist also dieser Umgang für Privatpersonen überhaupt explizit erlaubt? Privatpersonen bewegen sich also in einer gewissen rechtlichen Grauzone und glauben, da es Schnelltests für Privatpersonen gibt, muss die Probennahme schließlich legal sein.

Wichtig: Viele Analyselabore nehmen sich aus der Haftung, wenn Sie als Kunde die Probe selbst nehmen. Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte!

Krebsrisiko

Die Gefahr der Asbestfasern besteht darin, dass sie so fein sind, dass man sie nicht sehen kann. Es handelt sich um feinste Mineralfasern oder -Nadeln, die meist nicht dicker sind als ein paar tausendstel Millimeter. Sie fliegen also sofort durch die Luft – Schwerkraft spielt kaum eine Rolle – und werden eingeatmet. Sie erreichen die tiefsten und kleinsten Winkel in der Lunge und können sogar ins Gewebe eindringen, von wo der Körper sie nicht mehr selbstständig entfernen kann. Die Fasern sind chemisch sehr stabil und werden nicht aufgelöst. Narbengewebe kann entstehen und schlimmstenfalls kann nach hoher Exposition viele Jahre später Asbestose oder Krebs entstehen. Um dies zu vermeiden muss das Risiko soweit wie möglich reduziert werden – und das bedeutet: Keine Faserfreisetzung und keine Inhalation. Woher aber sollen Privatpersonen wissen, womit sie es genau zu tun haben und wie man sich bestmöglich schützt? Wieviel Asbest wird bei welchen Produkten und bei welchen Handlungen freigesetzt? All dies braucht die Testanbieter nicht zu interessieren.

Trügerische Sicherheit

Trotzdem bekommt man als Kunde das Gefühl vermittelt, man sei dabei sicher, denn sonst würden ja nicht so viele Schelltests angeboten – aber genau dieser Eindruck ist trügerisch. Einige Anbieter werben sogar damit, die Probennahme sei kinderleicht und ungefährlich!  Behauptungen dieser Art sind gelinde gesagt grob fahrlässig!

Man legt also selbst mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit Hand an und nimmt Proben – dabei sind außer dem Gesundheitsrisio auch noch folgende Punkte wichtig:

  • Wieviele Proben sind sinnvoll?
  • Wo genau nimmt man die Proben?
  • Kann man Mischproben herstellen?
  • Ist die Probe durch andere Fasern (z.B. organische) oder die Matrix (alles drumherum) eventuell so verunreinigt, dass die Analyse nicht funktioniert?
  • Wie wird nach der Probennahme die beprobte Stelle gereinigt und gesichert?
  • Wie genau schützt man sich selbst und andere?
  • Welche Schutzausrüstung ist geeignet?
  • Werden Werkzeuge, Kleidung, andere Arbeitsmittel kontaminiert?
  • Und so weiter…

Man nimmt also eine oder mehrere Proben, verpackt sie gemäß Anleitung und sendet (einen Gefahrstoff!) per Post (und nicht per Gefahrguttransport) an das Labor. Einige Tage später bekommt man den Prüfbericht mit einem (oder mehreren) positiven oder negativen Ergebnissen. Doch was nun?

Was fängt man mit dem Ergebnis an?

Ist das Ergebnis negativ, bedeutet das einzig, dass die Proben negativ sind. Dies bedeutet keineswegs, dass das Ergebnis auf andere Bereiche oder Produkte übertragen werden kann. Hat man also wirklich Gewissheit oder hat man vielleicht nur Geld ausgegeben und ist nicht wirklich schlauer als vorher?

Ist das Ergebnis positiv, bedeutet das zwar, dass Asbest gefunden wurde, aber genau wie beim negativen Ergebnis auch: Nur in den eingesendeten Proben. Auch dieses Ergebnis lässt sich nicht auf alle Bereiche und Produkte übertragen.

Dennoch bedeutet ein positives Ergebnis:

Man hat tatsächlich bei der Beprobung Asbest gefunden, man hatte also direkten Umgang damit.

  • War man gut genug geschützt?
  • Wurde Asbest freigesetzt und hat man vielleicht Fasern eingeatmet?
  • Ist die beprobte Stelle wirklich gut gesichert, so dass keine Fasern mehr frei werden?
  • Wie behandelt man die verwendeten Arbeitsmittel?
  • Muss nun unverzüglich gehandelt werden?
  • Welche Kosten werden entstehen?

Möglicherweise kommen nun noch größere Sorgen auf, weil man nicht einschätzen kann ob und in welchem Umfang man vielleicht selbst Asbestfasern ausgesetzt war.

Und nun kommt das, was man eigentlich bereits von vornherein hätte tun können oder sollen: Der Anruf beim Experten. Und der wird sagen, man hätte besser nicht selbst Hand angelegt. Dass man nun eine Sanierung benötigt, weil die beprobten Stellen nun beschädigt und nicht mehr sicher sind und dass man sich das Geld für die Schnelltests hätte sparen können. Denn die Situation ist ohne das Ergebnis der Schnelltests genau dieselbe wie mit: Ist Asbest im Haus, muss ein Experte dran, der sich ein genaues Bild macht. Wurde kein Asbest nachgewiesen, gilt dies ausschließlich für die eingesendete Probe und nicht für die ganze Immobilie.

Der wichtigste Punkt dabei ist jedoch: Gefährlich sind die Asbestfasern in der Luft, die man einatmet und nicht die Fasern, die in einem Produkt enthalten sind. Die eingesendete Probe gibt nur qualitativ Auskunft über die Fasern in einem Produkt. Um die Fasern in der Luft zu bestimmen, muss man Luftproben sammeln und die Faserkonzentration darin berechnen. Dies ist ein ungleich größerer Aufwand, deutlich teurer und es geht nicht ohne den Experten, der die Ausrüstung dafür hat.

Warum der Privatbereich in den Vorschriften meist ausgenommen ist

Es ist sicherlich nicht Ziel und Absicht des Gesetzgebers, auch noch den kleinsten privaten Winkel zu reglementieren. Deshalb haben Privatpersonen ziemlich freie Hand, was sie zuhause tun. Allerdings sollte man berücksichtigen: Die Regeln und Vorschriften im Zusammenhang mit Asbest sind bewusst so streng, denn sie dienen dem Schutz der Gesundheit. In allen anderen Fällen außer dem Privatbereich dürfen ausschließlich geschulte Experten und Fachleute Umgang mit Asbest haben – und zwar zu Recht. Und der Umgang mit Asbest wird von der aufsichtführenden Behörde (Gewerbeaufsicht) überwacht. Arbeitgeber kann man zum Gesundheitsschutz der Miterbeiter*innen gesetzlich verpflichten. Im Privatbereich geht das nicht. Da wird auf die Eigenverantwortung gesetzt.

Man könnte sich nun zwar sagen: „Was ich nicht weiß…“, allerdings ist es gut und auch notwendig, die Frage nach einer Schadstoffbelastung zu stellen. Entweder beim Vermieter oder der Vermieterin, beim Verkäufer (der Verkäuferin) oder- wenn man bereits Eigentümer*in ist – direkt beim Experten / der Expertin. Nur er (oder sie) kann Ihnen verlässlich sagen, ob eine akute Gefährdung vorliegt oder nicht. Der / die Expert*in gewinnt auch einen Überblick über die Gesamtsituation und weiß, wo man noch nachsehen sollte. Er (sie) kann Ihnen sagen, ob ein Test und ggf. Maßnahmen überhaupt nötig sind und wie man ab hier rechtlich und fachlich richtig vorgehen muss. Das kann ein Schnelltest alles nicht. Warum also bereits Geld hierfür ausgeben?

Schließlich muss man auch folgendes bedenken:

Was kann man für 40 – 80 EUR erwarten?

Ein Raster-Elektronenmikroskop kostet in der Anschaffung rund 250.000,- EUR. Eher mehr. Die Betriebskosten belaufen sich pro Stunde auf mehrere 100 EUR. Eine Analytiker*innenstunde (Mineralog*in mit Hochschulstudium) kostet pro Stunde rund 100 EUR oder mehr. Dazu kommen Verbrauchsmaterial, Energiekosten und natürlich die Gewinnmarge.

Wieviel Zeit bleibt für eine ordentliche Analyse samt Vorbereitung (Präparation), Evakuierung der Probenkammer (Hochvakuum dauert rund 15 Minuten), Analyse der Probe, Auswertung und Verfassen des Berichts, damit sich die Analytik gewinnbringend rechnet?

Viele Labore arbeiten deshalb “quick and dirty”, um diese niedrigen Presie anbieten zu können. Dazu gehört natürlich auch, dass nicht immer der erfahrenste Analytiker am Mikroskop sitzt, sondern vielleicht jemand mit weniger Erfahrung und einem geringeren Gehalt. Dies führt aber leider zu einer Häufung von falschen und fehlerhaften Berichten.

Fazit:

  • Der Schnelltest verleitet dazu, auch ohne Fachkenntnisse selbst Hand anzulegen!
  • Man könnte sich und andere durch unbeabsichtigte Freisetzung von Asbestfasern gefährden.
  • Der Test hilft bei positivem Ergebnis nicht weiter! Man steht dann immer noch mit der Problematik alleine da.
  • Der Test gibt keine Auskunft über die Faserkonzentration in der Atemluft. Und nur diese Fasern sind unmittelbar gefährlich.
  • Nur ein*e Expert*in kann die Gefährdung genau einschätzen. Vielleicht ist ja Asbest vorhanden, es geht aber keine Gefahr davon aus und kann sogar eingebaut bleiben. Darüber sagt der Test nichts aus.
  • Solange Asbest „unangefasst“ bleibt, geht in den meisten Fällen keine Gefahr davon aus.

Wenn Sie dennoch Proben nehmen und einsenden wollen

  1. Suchen Sie einen seriösen Anbieter. Informieren Sie sich auf dessen Internetseite über die Kosten, die Gefahren und die Analytik. Bei den seriösen Anbietern sind diese Informationen verfügbar.
  2. Sorgen Sie für ausreichenden Selbstschutz, also Atemschutz, Anzug, Handschuhe und ggf. Augenschutz.
  3. Sorgen Sie dafür, dass sich eventuell frei werdende Fasern nicht ausbreiten können.
  4. Benetzen Sie die beprobte Stelle anschließend mit Wasser oder Faserbindemittel. Reinigen Sie alle Oberflächen im Raum gründlich feucht oder nass.
  5. Verwenden Sie keinen Haushaltsstaubsauger, denn damit verteilen Sie die Fasern in der Luft anstelle sie zu binden.
  6. Werfen Sie Einweg-Schutzkleidung nicht weg. Verpacken Sie diese zusammen mit dem Atemschutz und Handschuhen, etc. in eine luftdicht verschließbare, satbile Plastiktüte und kennzeichnen den Abfall als asbesthaltig. Bereits der Verdacht macht diese Maßnahme notwendig. Sollte sich herausstellen, dass kein Asbest vorhanden ist, können Sie den Abfall über den Restmüll entsorgen. Falls Asbest nachgewiesen wurde, entsorgen Sie den gekennzeichneten Abfall beim Entsorgungsbetrieb (ggf. kostenpflichtig).
  7. Waschen Sie ihre normale Kleidung wie gewohnt in der Waschmaschine.

Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte

Viele Analyselabore werben zwar mit “Gerichtsfestigkeit” ihrer Analytik und der Berichte. Allerdings nur dann, wenn die Proben von einem Profi genommen wurden. Diese Labore nehmen sich per Klausel aus der Haftung, wenn Sie die Proben selbst nehmen.

Es ist üblich in Analyseberichten die ungefähre Menge des gefundenen Schadstoffes anzugeben (Einstufung in die Mengenklassen 1 bis 5), auch bei qualitativen oder semi-quantitativen Methoden. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine absolute Menge, aber immerhin um einen Größenmaßstab, eine Einschätzung. Viele Labore lassen sich diese Angabe dennoch extra bezahlen, obwohl dies eine Art “Nebenprodukt” der Analyse ist. Dabei ist gerade diese Angabe oft entscheidend für daraus folgenden Maßnahmen.

Wie zuverlässig sind Raumluftmessungen?

Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit Arbeiten und im Umgang mit Asbest verlangen an einer oder mehreren Stellen Messungen der Faserkonzentration in der Raumluft. Dies dient der Antwort auf folgende Fragen:

  • Werden Richt- und Grenzwerte eingehalten?
  • Sind Arbeitsplätze frei von Asbest und sicher?
  • Sind Maßnahmen erforderlich und wenn ja, welche?

Die Regeln für die Messungen der Faserkonzentration sind streng, aber auch recht starr und deshalb nicht möglicherweise für alle Fragestellungen anwendbar. Der Folgende Beitrag befasst sich mit den Schwachstellen der vorgegebenen Regeln.

Wird überhaupt Asbest frei und wenn ja, wieviel?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Nur ein Test mit meßtechnischer Begleitung kann Gewissheit bringen. Bis dahin ist eine Faserfreisetzung im Umgang mit Asbest zwar wahrscheinlich (oder zumindest nicht auszuschließen), aber die Anzahl der Fasern, die Verteilung und Verdünnung auf das gesamte Raumvolumen, insbesondere bei Frischluftzufuhr, sind sehr spekulativ.

  • Was sagen diese Daten eigentlich aus?
  • Ist dies die Faserkonzentration, der eine Person in einem betroffenen Raum ausgesetzt wäre?
  • Und wenn ja, wie lange?
  • Wo genau wurde gemessen?
  • Wie wird diese Zahl überhaupt berechnet?
  • Und kann man diese Berechnung auf die Problematik überhaupt anwenden?

Wie die Raumluftkonzentration von Asbestfasern generell gemessen und berechnet wird, ist in der DGUV Information 505-46 (bzw. früher: BGI/GUV-I 505-46) sowie in der VDI Vorschrift 3492 genau vorgegeben. Die Frage ist nur: Sind die relativ starren Vorgaben dieser Regeln für alle Zwecke anwendbar?

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

Sammler bzw. Monitor zur Sammlung von Fasern aus der Raumluft © Heiko Hofmann

Gesammelt bzw. gemessen wird, indem eine Saugpumpe ein bestimmtes Luftvolumen durch eine poröse Membran mit definerter Fläche saugt. Die in der Luft enthaltenen Fasern bleiben auf der Membran liegen und können im Rasterelektronenmikroskop analysiert und gezählt werden.

In die Berechnung fließen folgende Parameter ein:

  • V = Angesaugtes Volumen in m3
  • Aeff = Effektive Fläche des Probenträgers in mm2
  • nF = Anzahl der nachgewiesenen Asbestfasern
  • a = Fläche des Zählfeldes in mm2
  • N = Anzahl der ausgezählten Zählfelder
  • Q = Volumenstrom in m3/h
  • t = Meß- bzw. Sammeldauer in Stunden (h)

Das angesaugte Volumen kann über die Meßdauer (t) in Stunden und den an der Saugpumpe eingestellten Volumenstrom (Q) in m3/h berechnet werden:

V = Q • t

Die Berechnungsformel für die Faserkonzentration pro m3 Raumluft lautet

CF = (nF • A) / (N • a • V)

REM Bildausschnitt (rechts) des Probenträgers (links) © Heiko Hofmann

Beispiel: Es wurden 20 Fasern gezählt, das Volumen waren 100 Liter (= 0,1 m3), die Fläche des Zählfeldes ist 1,6 mm2, es wurde 1 Zählfeld ausgewertet und die effektive Fläche der Membran ist 380 mm2. Somit ergibt sich für die Faserkonzentration

CF = 20 • 380mm2 / 1 • 1,6 mm2 • 0,1 m3 = 47500 Fasern / m3 Raumluft

Eine stolze Zahl angesichts nur 20 identifizierter und gezählter Fasern! Man fragt sich nun zu Recht: Kann das sein?

Immerhin wurde streng nach Vorschrift gerechnet. Im Gutachten steht dann: bei der Messung wurde eine Faserkonzentration von 47500 Fasern / m3 Raumluft nachgewiesen.

Bedenkt man den Grenzwert von 500 Fasern, der Maßnahmen nach TRGS 519 notwendig macht, liegen wir hier um Größenordnungen darüber. Das bedeutet Sperrung des gesamten an die Lüftung angschlossenen Bereichs! Bei nur 20 gezählten Fasern.

Aber nochmal einzeln und nacheinander: Die 20 Fasern liegen auf 1,6 mm2. Das bedeutet, dass auf den gesamten 380mm2 des Probenträgers bei gleichmäßiger Belegung 4750 Fasern liegen. Diese 4750 Fasern befanden sich in 100 Litern Luft. Rechnet man auf 1m3 hoch, ergeben sich entsprechend 47500 Fasern pro m3. Soweit nachvollziehbar, richtig?

Wenn 100 Liter Luft 4750 Fasern enthalten,

dann enthält 1m3 47500 Fasern © Heiko Hofmann

Stimmt die Berechnung?

Nun muss man berücksichtigen, dass “nur” 100 Liter angesaugt wurden. Wäre dieselbe Faserkonzentration herausgekommen, wenn man tatsächlich 1000 Liter Luft angesaugt hätte? Denn das ist die Aussage der berechneten bzw. extrapolierten Faserkonzentration!

Wenn ein Freisetzungsereignis nur wenige Sekunden dauert und deshalb die Probennahmedauer auf wenige Minuten bzw. auf ein kleineres Volumen verringert werden kann, ist diese Zahl irreführend:

Zwar ist tatsächlich die Überlegung, die Meßdauer zu verkürzen, nachvollziehbar – aber darf man dann auf 1000 Liter “hochrechnen”? Dies würde voraussetzen, dass in jedem Teilvolumen von je 100 Litern dieselbe Faserzahl vorhanden ist, die sich bis zum Erreichen des Volumens von 1000 Litern aufsummieren.

Werden aber während des Ereignisses tatsächlich nur Fasern innerhalb weniger Sekunden frei,  und danach kommen keine Fasern mehr nach, dann kann man die lineare Berechnung nicht mehr anwenden!

In diesem Fall könnten die 20 Fasern auf dem Zählfeld bereits nach 2 Sekunden oder einer Minute (bzw. im der Sammeldauer entsprechenden Volumen) enthalten gewesen sein.

Nimmt man also an, dass die Fasern innerhalb einer Minute oder innerhalb eines Anfangsvolumens von 1 Liter enthalten waren und danach nur noch saubere Luft angesaugt wird, ergeben sich bei Anwendung dieser Formel signifikant unterschiedliche Werte für die Faserkonzentration in 1000 Litern Luft. Die Hochrechnung wäre schlicht falsch!

Abhängigkeit der Faserkonzentration von gesammelten Volumen bzw. der Sammelzeit bei konstanter Zahl der gezählten Fasern (hier 20) © Heiko Hofmann

Angenommen, die 20 Fasern wären bereits nach 1 Sekunde auf dem Träger zusammengekommen und änderte sich danach nicht mehr, wäre es zwar unerheblich, ob die Messung nach 10 Sekunden, 1 Minute oder 1 Stunde gestoppt würde. Da aber das gesamte gesammelte Volumen in die Berechnung mit einfließt, ändert sich das Endergebnis signifikant.

Wäre die Faserzahl also konstant (nach 1 Sekunde) bei 20 und würde man die Sammlung nach 1 Minute stoppen, wäre die (berechnete) Konzentration bei rund 4 Millionen Fasern. Nach einer Sammeldauer von 24 Stunden hingegen nur noch rund 300 Fasern/m3. Vorausgesetzt, man wendet die lineare Formel der Vorschrift starr an.

Wann kann die lineare Formel verwendet werden?

Ausschließlich, wenn die Verteilung der Fasern in einem theoretisch unendlichen Volumen gleichmäßig ist und wenn die Zahl der angesaugten Fasern je Zeitintervall konstant ist. Dies wäre nur in einem statischen und geschlossenen System möglich.

Faserkonzentration in der Raumluft konstant und unabhängig vom Zeitpunkt der Sammlung © Heiko Hofmann

Zunahme der Fasern auf dem Sammler konstant – Anstieg linear. In jedem Zeitintervall wird dieselbe Faserzahl gesammelt © Heiko Hofmann

Dieses Setting ist allerdings unrealistisch:

  • Fasern sind nie genau gleichmäßig verteilt
  • Das Volumen ist immer begrenzt
  • Es strömt immer von irgendwo saubere Luft nach.

Faserkonzentration bei einem kurzzeitigen Ereignis: Sie steigt stark an und fällt danach aufgrund von Verdünnungseffekten wieder ab. Konzentration abhängig von der Zeit und vom Volumen © Heiko Hofmann

Zunahme der Faserzahl auf dem Sammler nicht linear. Steiler Anstieg, danach kommen keine neuen Fasern nach, ein Plateau wird erreicht unabhängig, wie lange danach noch gesammelt wird © Heiko Hofmann

Auf das Setting kommt es an

Das bedeutet, mit nur einem Meßwert ist es unmöglich, ein dynamisches System zu beschreiben, bei dem Fasern in einem plötzlichen Ereignis freigesetzt werden und sich die Faserkonzentration danach nur noch durch Frischluft verdünnt.

Um die Faserkonzentration in 1 m3 Luft zu bestimmen muss deshalb auch mindestens 1 m3 Luft gesammelt werden. Erst dann hat man eine annähernd belastbare Zahl. Die Meßrichtlinien der VDI und DGUV verlangen auch, ein ausreichend großes Volumen zu beproben!

Zusätzlich muss das gesamte betroffene Raumvolumen berücksichtigt werden. Die Verdünnung ist unter Umständen extrem und da stellt sich die Frage, wird der Grenzwert von 500 Fasern überhaupt erreicht und muss der angeschlossene Bereich tatsächlich gesperrt werden?

Ist zusätzlich zur frischen Zuluft noch eine Abluftabsaugung hinzugeschaltet, wird die kontaminierte Luft bei entsprechendem Luftwechsel innerhalb nur kurzer Zeit vollständig “gewaschen”.

Will man im Rahmen einer geplanten Untersuchung die Faserkonzentration der bei einem Ereignis freigesetzten Fasern im angeschlossenen Arbeitsbereich verlässlich feststellen, muss das gesamte Beprobungs- und Meß-Setting genau geplant werden und man benötigt mehr als nur eine Probe. Das bedeutet natürlich auch etwas höhere Kosten. Aber lieber ein durchdachter “Versuchsaufbau” als ein unbrauchbares Ergebnis für weniger Geld.

Falls die Faserkonzentration nach einem unbeabsichtigten Ereignis festgestellt werden soll, muss man die seit dem Ereignis sedimentierten Fasern durch eine Nutzungssimulation erneut aufwirbeln und möglichst gleichmäßig im Raum verteilen. Zuluft oder Umluftanlagen müssen während der Messung abgestellt sein und die Messung muss mindestens 1 m3 Volumen ansaugen oder solange dauern, bis mindestens 1m3 angesaugt wurde. Besser 8 Stunden oder mindestens 4 m3.