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Neuer Fall eines falschen Analysberichtes

Anlass: Kindergeburtstag

Stellen Sie sich vor, Ihre Kuchen-Deko enthielte Asbest © Annika1707 auf Pixabay

Eine Kundin (die anonym bleiben möchte) hatte an einem Kindergeburtstag eine Geburtstagstorte mit einer sogenannten Sprühkerze (bzw. Eisfontäne, Eissterne) aufgetischt. Die Verpackung der Kerzen trug ein CE-Kennzeichen.

Nach dem Abbrennen der Kerze blieb auf dem Kuchen und an der Kerze ein Niederschlag (Asche) übrig. Die Kundin machte sich Sorgen und sendete eine Probe des Niederschlages an ein akkreditiertes Analyselabor mit dem Auftrag, diese per REM auf Asbest zu untersuchen.

Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Überraschendes Ergebnis

Laut Analysebericht wurde Amphibolasbest (Tremolit) nachgewiesen. Als Nachweisbarkeitsgrenze wurde 0,1% angegeben, eine Klassifizierung in die Mengenklassen 1 bis 5 erfolgte nicht.

Ein Blick in den Analysebericht ließ jedoch Zweifel bei mir aufkommen: Die Spezifikationen für WHO-Fasern waren nicht erfüllt. Das untersuchte Partikel hatte einen Durchmesser von 10μ (erlaubt maximal 3μ) und eine Länge von rund 30μ. Das Partikel war deutlich zu groß um als Faserstaub “durchzugehen”.

Das EDX Diagramm zeigte zwar die “richtigen” Elemente an, nämlich Si, Mg und Ca. Dies sind jedoch Elemente, die in nahezu allen Silikaten typisch sind. Elemente, die jedoch ohne die passende Morphologie der Partikel im Bild, nämlich nadelige Strukturen, nicht ohne genaue Überprüfung als Amphibolasbest indentifiziert werden dürfen. Das ist schlicht fahrlässig.

Im Fall der Kundin sorgte dies für schlaflose Nächte und ein paar andere Beschwerden. Hätte sich dies um eine Analyse des Herstellers im Zuge der Qualitätssicherung gehandelt, wäre der Schaden wegen der rechtlichen und arbeitschutz-bedingten Konsequenzen beachtlich gewesen.

Das Analyselabor verbietet die Veröffentlichung der Ergebnisse – auch auszugsweise, daher können das Bild und das EDX Diagramm hier nicht präsentiert werden.

Labor räumt Fehler ein

Nach meiner Einschätzung telefonierte die Kundin mit dem Labor und schilderte die Bedenken. Dort räumte man ein, dass das Ergebnis fehlerhaft sei und die Spezifikationen der WHO-Fasergeometrie nicht efüllt sei. Das untersuchte Partikel sei in der Tat viel zu groß und hatte nicht die typische Nadelform von Amphibol-Asbest. Es handle sich definitiv nicht um Asbest.

Immerhin.

Dennoch: Die Konsequenzen fehlerhafter Analyseberichte und Gutachten können sehr üble Konsequenzen (finanzielle und gesundheitliche – wegen der psychischen Belastung) nach sich ziehen. Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Offenbar nehmen dies viele Labore nicht wirklich ernst, bevor sie einen positiven Bericht (im negativen Sinne) herausgeben.

Die besondere Tragik

In diesem Fall wäre die besondere Tragik, dass es ein Vergnügungsprodukt ist, das aktuell im Internet bestellt werden kann. Durch das Abflammen werden viele Partikel in der Atemluft verteilt und können eingeatmet werden (oder ziehen Sie eine FFP2 Maske auf, wenn Sie Feuerwerk abbrennen oder die Wunderkerzen auf dem Kuchen anzünden?).

Da das Produkt aktuell im Handel erhältlich ist, hätten sich sowohl der Hersteller als auch der Händler strafbar gemacht, weil sie gegen REACH, CLP und Gefahrstoffrecht verstoßen hätten, indem sie Asbestprodukte herstellen, in Verkehr bringen und verwenden. Ihnen hätte eine Anzeige gedroht und die Produkte hätten unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Zum Nachweis von Asbest durch Polarisationsmikroskopie (PLM)

Viele akkreditierte Analyselabore bieten als kostengünstige Nachweismethode von Asbestmineralen die Polarisationsmikroskopie (PLM) an. Dies ist legitim und auch eine vom VDI gem. Richtlinie 3866 Blatt 4 anerkannte Methode.

Wie in vielen anderen Fällen auch kennen sich Laien nicht damit aus, was das genau ist und was die Methode kann. Wichtig für die Entscheidung ist lediglich die “Zulassung” und der günstige Preis.

Eine rein optische Methode

Im Gegensatz zur Rasterelektronenmikroskopie, bei der ein zwar ein Bild entsteht, dies aber durch den Computer berechnet wird, erhält man bei der PLM ein “echtes” optisches Bild. Anders als bei REM erhält man auch kein Energiespektrum, das Aussagen zur chemischen Zusammensetzung liefert. Die Auswertung am PLM erfolgt rein optisch. Hier ist also noch mehr Erfahrung des Analytikers erforderlich als beim REM.

Zitronensäure im_Polarisationsmikroskop_200-fach @ Jan Homann CC0

Dennoch ist mit dem PLM einiges möglich. Polarisationsmikroskopie deshalb, weil die Lichtquelle, die die Probe “durchleuchtet” polarisiert ist. Zusätzlich haben Kristalle die Eigenschaft, dass sie über ein regelmäßiges Kristallgitter verfügen. Durchdringt ein Lichstrahl dieses Gitter, wird er durch den Gitterbau beeinflusst. Kristalle können ihrerseits das Licht ebenfalls polarisieren – und so kommt es je nach Polarisationsrichtung und Einfallswinkel des Lichts in den Kristall zu Interferenzen. Dies kann zur Auslöschung des Lichts führen (die Stellen erscheinen lichtundurchlässig), oder es wird bunt. Diese Farben können sich ändern, je nachdem wie der Probentisch gedreht wird. Dies sind die sogenannten Doppelbrechungsfarben. Weil der Probentisch eine Kreisskala hat, kann man sogar Winkel messen.

Diese optischen Effekte kann man also durchaus dazu nutzen, die Minerale zu charakterisieren und sogar Aussagen zur chemischen Zusammensetzung zu machen. Dies wird jedoch nicht wie beim REM gemessen, sondern durch den Analytiker interpretiert.

Die optischen Effekte hängen zusätzlich von der Dicke des Präparates ab. Deshalb wird für die PLM normalerweise ein sogenannter Dünnschliff erstellt, der eine exakte Dicke haben muss. Ein Dünnschliff ist eine hauchdünne “Gesteinsscheibe”, die auf einen Glasträger aufgeklebt ist und nicht dicker als rund 25 Mikrometer. Die Herstellung eines exakten Dünnschliffes ist nicht einfach und kostet viel Zeit. Außerdem geht das nur mit einem Gestein, nicht aber mit losen Fasern wie bei Asbest. Diese müssten zuvor in Kunstharz eingebettet werden, um anschließend daraus einen Dünnschliff herzustellen. Außerdem muss zuvor ausgeschlossen werden, dass organische Fasern vorhanden sind – diese müssen – wie bei der Präparation für REM auch – zuvor durch Glühen zerstört werden. Eine ganze Menge verschiedener Schritte sind also notwendig, um ein vernünftiges Präparat herzustellen.

Was kann PLM und was kann sie nicht?

Das kostet Zeit und Geld, weshalb bei den günstigen Angeboten auf die aufwändige Präparation verzichtet wird. Da man also Asbestproben in der Regel nicht auf die Art präpariert, wie man es eigentlich für die PLM tun müsste, kann man PLM praktisch nur so anwenden wie ein normales Mikroskop – mit der Ergänzung des polarisierten Lichts und des drehbaren Präparattisches.

Man kann in der Tat Fasern oder Nadeln erkennen – nur einerseits im Rahmen der optischen Auflösung. Zusätzlich könnten sich auch andere Fasern unter das Okular mogeln, die zwar ähnlich aussehen, aber keine Asbestfasern sind. Hinzu kommt, dass es außer den typischen Asbestfasern auch viele andere Amphibolfasern gibt, die nicht zu den Asbestmineralen zählen. Es gibt über 100 verschiedene Amphibole.

Auf eventuelle Auslöschungseffekte und Doppelbrechungsfarben kann man nicht viel geben, weil das Präparat nicht als Dünnschliff vorbereitet wurde. Außerdem kann es selbst in einem Dünnschliff bei Asbestfasern zu optischen Abweichungen (z.B. Falschfarben) kommen, welche die Interpretation durch den Analytiker erschweren oder sogar in die falsche Richtung lenken.

Was bekommt man für 30 EUR?

Erneut muss man die Frage stellen, was bekommt man für 30 – 40 EUR? Ein Dünnschliff ist nicht ohne Aufwand machbar und ein erfahrener Analytiker ist viel zu teuer, um sich ausreichend Zeit für eine gründliche Interpretation des Bildes zu nehmen.

Am Ende muss man ein PLM Ergebnis doch zusätzlich mit REM untermauern, um Gewissheit zu haben. Der Nachweis, dass es sich um Asbest handelt und um welche Minerale, erfordert die Analyse der chemischen Zusammensetzung und / oder der Kristallstruktur. Und das geht mit einem “Schnellschuss” mit PLM einfach nicht.

Wenn Sie also die kostengünstige PLM Methode wählen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie für 30 EUR erwarten können und dass Sie im Zweifel zusätzliche Analytik benötigen, um sicher zu sein.

 

 

Falsche und fehlerhafte Gutachten

Leider keine Ausnahme!

Leider kein Einzelfall mehr: Es kommen mehr und mehr falsche oder fehlerhafte Gutachten, auch von akkreditierten Laboren, in Umlauf.

Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich ist aber: Wegen der strengen Gesetze und Regeln zum Umgang und Abbruch von Asbest werden immer mehr Gutachten gebraucht. Das ist inzwischen ein beachtlicher Markt, auf dem sich auch Labore tummeln, die nicht auf erfahrene Analytiker zurückgreifen können und die den Aufwand und die Komplexität der erforderlichen Analyse unterschätzen.

Die Erfahrung und die Zeit, die man sich für eine gute Analyse nimmt, sind fundamental wichtig, um die Ergebnisse so zu interpretieren, dass sie auch Sinn ergeben.

In den meisten Fällen kann ein Laie nicht überprüfen oder nachvollziehen, ob das Ergebnis Sinn ergibt oder nicht. Um so wichtiger ist es, ein Labor zu beauftragen, das über höchst qualifiziertes Personal und eine sehr gute Ausstattung verfügt. Es lohnt sich, hier unter Umständen mehr Geld zu investieren.

Was Schnelltests für zuhause können und was nicht und warum man dabei sehr vorsichtig sein sollte erfahren Sie im Blog-Beitrag.

Authentisches Fallbeispiel

Ein Unternehmen stellt einen polymerbasierten Kunstharz her, der standardmäßig mit 20% Talkum als Füllstoff versetzt wird. Zur Qualitätssicherung wird das Produkt regelmäßig mit Rasterelektronenmikoskpie untersucht. REM erlaubt nicht nur die optische Analyse mit einem Bild, sondern auch die Kontrolle der chemischen Zusammensetzung. Das Unternehmen sendet hierfür regelmäßig eine Probe an ein akkreditiertes Analyselabor.

REM und EDX Analyse © Eigentümer bleibt einvernehmlich anonym

Das offizielle Ergebnis des Gutachtens lautete: 20% Amphibol-Asbest.

Folge

Der Hersteller handelte richtigerweise sofort und stellte die Produktion ein. Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt. Einige machten sich Sorgen und suchten einen Arzt auf, weil sie befürchteten, einer Asbestexposition ausgesetzt gewesen zu sein, zumal bei der Produktion das Talkum als Schüttware beigement wird und es zur Staubentwicklung kommt.

Bei den verantwortlichen Personen (u.a. Arbeitsschutz und Qualitätssicherung) stellte sich sofort die Frage: Wie kommt auf einmal Asbest in das Produkt?

Die Wahrheit

Ich wurde daraufhin beauftragt, eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt abzugeben und konnte den Hersteller beruhigen, dass es sich hierbei keineswegs um Asbest handelt (schon gar kein Amphibolasbest), sondern schlicht um das absichtlich beigemengte Talkum.

Warum?

  1. Das Ergebnis des Gutachtens lautete 20% Asbestanteil (bei 20% beigemengtem Talkum). Das müsste einen erfahrenen Analytiker zumindest aufmerksam machen.
  2. Auf dem REM Bild sind keine Fasern zu sehen, sondern ein Schichtsilikat von der Seite. Ein erfahrener Analytiker kann das unterscheiden.
  3. Im EDX Diagramm (chemische Zusammensetzung) ist die typische Zusammensetzung von Talkum eindeutig nachgewiesen. Ein erfahrener Analytiker und Mineraloge weiß das. Der Gegentest mit einem Amophibol-Asbest kann ausgeschlossen werden.

Doch im Detail:

Zu 2:

REM Bild der Analyse

REM Aufnahme: Muskovitkristall in Montmorillonit © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

In beiden Bildern erkennt man sehr gut die dünnen Schichten und Stapel eines typischen Schichtsilikates (wie ein Stapel Papier) und Talkum ist ein solches typisches Schichtsilikat. Asbestfasern bzw. Asbestnadeln sehen hingegen so aus:

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

REM Aufnahme von Anthophyllit © USGS Lizenz CC0 (gemeinfrei)

Zu 3.

Legt man im EDX Diagramm ein Spektrum von Talk über das gemessene Spektrum der Analyse bekommt man nahezu vollständige Übereinstimmung (die Peakhöhe des Sauerstoffs kann abweichen, weil die Analytik vermutlich in einem ESEM unter Teilatmosphäre gemessen wurde und Luftsauerstoff mitgemessen wird – die eher schlechte Bildqualität deutet darauf hin). Ausschlaggebend ist aber das Peakverhältnis von Mg und Si.

EDX Analyse mit Overlay eines EDX Spektrums von Talk © Montage Heiko Hofmann

Legt man hingegen das EDX Spektrum eines typischen Amphibol Asbestes darüber (z.B. Aktinolith) ist die Übereinstimmung falsch. Mehr noch, das nötige Calcium (Ca) fehlt im EDX Diagramm der Analyse. Ein Ausschlusskriterium.

Analyse mit Overlay des EDX Spektrums von Aktinolith © Montage Heiko Hofmann

Der Analytiker hat also das absichtlich beigemengte Talkum fälschlich als Asbest identifiziert und schriftlich begutachtet.

Die Konsequenz

Der Auftraggeber hat hingegen alles richtig gemacht und schnellstmöglich für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gesorgt.

Gelegenheit zur Nachbesserung – aber ohne Einsicht

Aufgrund meiner Stellungnahme wurde dem Analyselabor ein weiteres Aliquot derselben Probe zugesendet mit dem Auftrag dies zu analysieren. Außerdem wurden sie über meine Stellungnahme informiert. Das Ergebnis fiel diesmal negativ aus, obwohl es sich um einen Teil derselben Probe handelte.

2 weitere Gutachten von unabhängigen Laboren fielen ebenfalls negativ aus und bestätigten meine Beurteilung der Originalanalyse.

Dennoch blieb das Analyselabor bei seinem ursprünglichen Gutachten und wollte den eindeutigen Fehler nicht eingestehen. Es behauptete nach wie vor, in der ersten Analyse sei 20% Asbest nachgewiesen worden.

Aus anlytisch wissenschaftlicher Sicht ist das nicht nur grob unwissenschaftlich im Sinne von wissenschaftlichem Fehlverhalten und Verstoß gegen den wissenschaftlichen Codex, es ist glatt gelogen und auch grob fahrlässig.

Es mag sein, dass anfangs ein unerfahrener Analytiker mit der Auswertung beauftragt wurde. Doch spätestens nach der Reklamation muss sich zwangsläufig ein erfahrener Analytiker damit befasst haben. Dennoch hat das Analyselabor bzw. die Geschäftsleitung entschieden, den Fehler nicht einzuräumen. Warum? Das kann man sich sozusagen an 3 Fingern abzählen: Schadenersatz.

Fazit

Der Analytiker ist generell (zumindest moralisch) verpflichtet und hat die Verantwortung, insbesondere bei derartigen Konsequenzen, sein eigenes Ergebnis zu hinterfragen und vor allem durch das Ausschlussverfahren alle anderen möglichen Fehlerquellen auszuschließen. In so einem Fall ist das Ergebnis nur dann als korrekt anzusehen, wenn einzig Asbest als Analyseergebnis übrig bleibt. Dies wurde hier nicht geprüft – und das ist grob fahrlässig.

Das Problem ist aber auch, dass Auftraggeber auf die seriöse Arbeit und fachliche Kompetenz der Gutachter und Analytiker angewiesen sind, denn Sie beauftragen ja Experten, gerade weil sie sich selbst nicht gut genug auskennen oder über die Analytik verfügen oder das Ergebnis beurteilen können – und genau dafür bezahlt man mitunter sehr hohe Preise.

Der Schaden war jedoch angerichtet und die Folgekosten gingen in einen 6-stelligen Bereich.

 

Asbest-Schnelltests für Zuhause- warum Vorsicht geboten ist

Die Immobilienpreise steigen, die Mieten auch. Viele junge Familien überlegen daher, in das lang gewünschte Eigenheim zu investieren. Gerade die Gebäude mit Baujahr 1950 bis 1980 sind noch einigermaßen bzw. vergleichsweise günstig zu haben, insbesondere, wenn man selbst notwendige Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten durchführt.

Viele der Interessent*innen wissen aus den Medien, dass sie sich mit dem Kauf oder auch der Miete solcher Immobilien eventuell Bauschadstoffe mit einkaufen oder mieten. Sie haben sich auch mit der Thematik Asbest bereits auf zahlreichen Internetseiten kundig gemacht.

Das Thema Asbest und insbesondere, dass es der Gesundheit schadet ist in der Öffentlichkeit längst angekommen. Parallel dazu hat sich ein Markt etabliert, der sich auf die Begutachtung und Sanierung konzentriert. Dies sind hochspezialisierte Aufgabengebiete, mit denen sich bisher nur wenige wirklich gut auskennen, zu wenige, um die Nachfrage abzudecken. Und diese Kombination aus Angebotsdefizit und Komplexität der Thematik lassen sich Schadstoffsanierungsfirmen und Ingenieurbüros verständlicherweise gut bezahlen.

Dabei kommt ihnen zu Gute, dass die Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest umfangreich, komplex sind und nicht leicht verständlich. Generell dienen diese Vorschriften in erster Linie dem Arbeitsschutz und erst in zweiter Linie dem Schutz der Allgemeinheit. Trotzdem gelten insbesondere seit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung im Dezember 2024 die strengen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest in den eigenen 4 Wänden auch für Privathaushalte.

Was sagt das Recht?

Knifflig wird es, weil zwar die Vorschriften für sogenannte ASI Arbeiten auch für Privathaushalte gelten. Streng genommen können also Privatpersonen zuhause loslegen und Sanierungs- oder Abbrucharbeiten in Eigenregie durchführen, wenn sichergestellt ist, dass alle Vorsichtsmaßnahmen nach TRGS 519 eingehalten werden (siehe auch §11 (7) GefStoffV und FAQ der BAuA).

Die Rechtslage für Privatpersonen ist also schwierig zu beurteilen. Im Zweifel gilt: Hände weg von Asbest und den Umgang damit den Profis überlassen.

Ist überhaupt Asbest da?

Nun wollen aber viele Menschen verständlicherweise wissen, ob überhaupt Asbest in den eigenen 4 Wänden vorhanden ist. Dafür muss man eine sogenannte “Erkundung” durchführen: Probennahme und Analyse. Hier ist die GefStoffV leider etwas uneindeutig: Es ist zwar davon die Rede, dass “Veranlasser”, also Bauherren und Auftraggeber (auch Privatpersonen) den Auftragnehmer “nur” über das Baujahr des Objektes informieren müssen (siehe §5a GefStoffV) und die analytische Erkundung durch den Auftragnehmer nötigenfalls selbst als besondere Dienstleistung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann (siehe § 6 (2), (2a), (2b) GefStoffV), dabei aber der Begriff “Erkundung” nicht genau definiert ist. Erkundung kann also neben der Ermitltungen zum Baujahr, was eine rein dokumentatorische Erkundung wäre, auch als Probennahme und Analytik (was eine technische Erkundung wäre, die zumindest Fachkunde erfordert), verstanden werden.

Rechtliche “Schwachstelle”

Diese rechtliche Schwachstelle nutzen zahlreiche Anbieter für sogenannte Asbest-Tests für Zuhause, indem sie sich aus dem riskantesten Teil des Tests heraushalten: Der Probennahme.

Private “Erkundung”

Für relativ wenig Geld (häufig zwischen 40 und 80 EUR je Probe), wird eine hochqualitative und sogar “gerichtsfeste” Analytik der eingesendeten Proben angeboten. Alle versprechen, die Besten und Erfahrensten zu sein – nur einige davon sind es tatsächlich auch. Den Kund*innen wird der Eindruck vermittelt, man könne so schnell Gewissheit darüber erhalten, ob Asbest vorhanden ist, ohne viel Geld für eine*n Gutachter*in in die Hand nehmen zu müssen.

Für die Anbieter*innen solcher Tests ist das leicht verdientes Geld, denn sie haben keine Verantwortung für eventuell schiefgegangene Beprobung und dadurch entstandene Gesundheitsrisiken für die Kund*innen oder für unbeteiligte Dritte. Und die Wahrscheinlicheit, dass Kund*innen eventuelle Fehler oder Schwachstellen im Gutachten oder in der Analytik erkennen und nachvollziehen können – und dann noch dagegen vorgehen, geht gegen null. Ein sicheres Geschäft also.

Für die Kund*innen aber ist die Probennahme zumindest riskant oder sogar gefährlich: Zwar enthalten die “Seriösen” unter den Test-Kits Anleitungen, wie bei der Beprobung (möglichst sicher) vorzugehen ist. Sie enthalten aber weder geeignete Schutzausrüstung noch die die für Asbestarbeiten zugelassenen Geräte wie z. B. Industriesauger mit H-Filter und Asbest-Zulassung.

Selbst Proben nehmen ist gefährlich (und rechtlich nicht belastbar)

Beschädigte Promabestwand unter Glasfasertapete © Heiko Hofmann

Die Kund*innen werden also dazu ermutigt (sogar verleitet), ohne jegliche Fachkenntnisse (außer vielleicht zahlreicher Informationen aus dem Internet), selbst eine kleine Probe vom Wandputz herauszukratzen, vom Fliesenkleber, dem Fensterkitt, der Heizkessel-Isolierung. Von einer Leichtbauplatte eine kleine Ecke abzubrechen oder von einem Bodenbelag aus Cushion-Vinyl einen Streifen abzureißen. Vielleicht schneidet man eine kleine Ecke von der Eternitverkleidung ab, um Gewissheit über Asbestvorkommen zu bekommen.

Aber gerade dann wird Asbest zur Gefahr: Wenn es durch die zur Beprobung notwendige Beschädigung freigesetzt wird.

Und die Frage bleibt: Probennahme ist eine Umgang mit Asbest! Ist also dieser Umgang für Privatpersonen überhaupt explizit erlaubt? Privatpersonen bewegen sich also in einer gewissen rechtlichen Grauzone und glauben, da es Schnelltests für Privatpersonen gibt, muss die Probennahme schließlich legal sein.

Wichtig: Viele Analyselabore nehmen sich aus der Haftung, wenn Sie als Kunde die Probe selbst nehmen. Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte!

Krebsrisiko

Die Gefahr der Asbestfasern besteht darin, dass sie so fein sind, dass man sie nicht sehen kann. Es handelt sich um feinste Mineralfasern oder -Nadeln, die meist nicht dicker sind als ein paar tausendstel Millimeter. Sie fliegen also sofort durch die Luft – Schwerkraft spielt kaum eine Rolle – und werden eingeatmet. Sie erreichen die tiefsten und kleinsten Winkel in der Lunge und können sogar ins Gewebe eindringen, von wo der Körper sie nicht mehr selbstständig entfernen kann. Die Fasern sind chemisch sehr stabil und werden nicht aufgelöst. Narbengewebe kann entstehen und schlimmstenfalls kann nach hoher Exposition viele Jahre später Asbestose oder Krebs entstehen. Um dies zu vermeiden muss das Risiko soweit wie möglich reduziert werden – und das bedeutet: Keine Faserfreisetzung und keine Inhalation. Woher aber sollen Privatpersonen wissen, womit sie es genau zu tun haben und wie man sich bestmöglich schützt? Wieviel Asbest wird bei welchen Produkten und bei welchen Handlungen freigesetzt? All dies braucht die Testanbieter nicht zu interessieren.

Trügerische Sicherheit

Trotzdem bekommt man als Kunde das Gefühl vermittelt, man sei dabei sicher, denn sonst würden ja nicht so viele Schelltests angeboten – aber genau dieser Eindruck ist trügerisch. Einige Anbieter werben sogar damit, die Probennahme sei kinderleicht und ungefährlich!  Behauptungen dieser Art sind gelinde gesagt grob fahrlässig!

Man legt also selbst mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit Hand an und nimmt Proben – dabei sind außer dem Gesundheitsrisio auch noch folgende Punkte wichtig:

  • Wieviele Proben sind sinnvoll?
  • Wo genau nimmt man die Proben?
  • Kann man Mischproben herstellen?
  • Ist die Probe durch andere Fasern (z.B. organische) oder die Matrix (alles drumherum) eventuell so verunreinigt, dass die Analyse nicht funktioniert?
  • Wie wird nach der Probennahme die beprobte Stelle gereinigt und gesichert?
  • Wie genau schützt man sich selbst und andere?
  • Welche Schutzausrüstung ist geeignet?
  • Werden Werkzeuge, Kleidung, andere Arbeitsmittel kontaminiert?
  • Und so weiter…

Man nimmt also eine oder mehrere Proben, verpackt sie gemäß Anleitung und sendet (einen Gefahrstoff!) per Post (und nicht per Gefahrguttransport) an das Labor. Einige Tage später bekommt man den Prüfbericht mit einem (oder mehreren) positiven oder negativen Ergebnissen. Doch was nun?

Was fängt man mit dem Ergebnis an?

Ist das Ergebnis negativ, bedeutet das einzig, dass die Proben negativ sind. Dies bedeutet keineswegs, dass das Ergebnis auf andere Bereiche oder Produkte übertragen werden kann. Hat man also wirklich Gewissheit oder hat man vielleicht nur Geld ausgegeben und ist nicht wirklich schlauer als vorher?

Ist das Ergebnis positiv, bedeutet das zwar, dass Asbest gefunden wurde, aber genau wie beim negativen Ergebnis auch: Nur in den eingesendeten Proben. Auch dieses Ergebnis lässt sich nicht auf alle Bereiche und Produkte übertragen.

Dennoch bedeutet ein positives Ergebnis:

Man hat tatsächlich bei der Beprobung Asbest gefunden, man hatte also direkten Umgang damit.

  • War man gut genug geschützt?
  • Wurde Asbest freigesetzt und hat man vielleicht Fasern eingeatmet?
  • Ist die beprobte Stelle wirklich gut gesichert, so dass keine Fasern mehr frei werden?
  • Wie behandelt man die verwendeten Arbeitsmittel?
  • Muss nun unverzüglich gehandelt werden?
  • Welche Kosten werden entstehen?

Möglicherweise kommen nun noch größere Sorgen auf, weil man nicht einschätzen kann ob und in welchem Umfang man vielleicht selbst Asbestfasern ausgesetzt war.

Und nun kommt das, was man eigentlich bereits von vornherein hätte tun können oder sollen: Der Anruf beim Experten. Und der wird sagen, man hätte besser nicht selbst Hand angelegt. Dass man nun eine Sanierung benötigt, weil die beprobten Stellen nun beschädigt und nicht mehr sicher sind und dass man sich das Geld für die Schnelltests hätte sparen können. Denn die Situation ist ohne das Ergebnis der Schnelltests genau dieselbe wie mit: Ist Asbest im Haus, muss ein Experte dran, der sich ein genaues Bild macht. Wurde kein Asbest nachgewiesen, gilt dies ausschließlich für die eingesendete Probe und nicht für die ganze Immobilie.

Der wichtigste Punkt dabei ist jedoch: Gefährlich sind die Asbestfasern in der Luft, die man einatmet und nicht die Fasern, die in einem Produkt enthalten sind. Die eingesendete Probe gibt nur qualitativ Auskunft über die Fasern in einem Produkt. Um die Fasern in der Luft zu bestimmen, muss man Luftproben sammeln und die Faserkonzentration darin berechnen. Dies ist ein ungleich größerer Aufwand, deutlich teurer und es geht nicht ohne den Experten, der die Ausrüstung dafür hat.

Warum der Privatbereich in den Vorschriften meist ausgenommen ist

Es ist sicherlich nicht Ziel und Absicht des Gesetzgebers, auch noch den kleinsten privaten Winkel zu reglementieren. Deshalb haben Privatpersonen ziemlich freie Hand, was sie zuhause tun. Allerdings sollte man berücksichtigen: Die Regeln und Vorschriften im Zusammenhang mit Asbest sind bewusst so streng, denn sie dienen dem Schutz der Gesundheit. In allen anderen Fällen außer dem Privatbereich dürfen ausschließlich geschulte Experten und Fachleute Umgang mit Asbest haben – und zwar zu Recht. Und der Umgang mit Asbest wird von der aufsichtführenden Behörde (Gewerbeaufsicht) überwacht. Arbeitgeber kann man zum Gesundheitsschutz der Miterbeiter*innen gesetzlich verpflichten. Im Privatbereich geht das nicht. Da wird auf die Eigenverantwortung gesetzt.

Man könnte sich nun zwar sagen: „Was ich nicht weiß…“, allerdings ist es gut und auch notwendig, die Frage nach einer Schadstoffbelastung zu stellen. Entweder beim Vermieter oder der Vermieterin, beim Verkäufer (der Verkäuferin) oder- wenn man bereits Eigentümer*in ist – direkt beim Experten / der Expertin. Nur er (oder sie) kann Ihnen verlässlich sagen, ob eine akute Gefährdung vorliegt oder nicht. Der / die Expert*in gewinnt auch einen Überblick über die Gesamtsituation und weiß, wo man noch nachsehen sollte. Er (sie) kann Ihnen sagen, ob ein Test und ggf. Maßnahmen überhaupt nötig sind und wie man ab hier rechtlich und fachlich richtig vorgehen muss. Das kann ein Schnelltest alles nicht. Warum also bereits Geld hierfür ausgeben?

Schließlich muss man auch folgendes bedenken:

Was kann man für 40 – 80 EUR erwarten?

Ein Raster-Elektronenmikroskop kostet in der Anschaffung rund 250.000,- EUR. Eher mehr. Die Betriebskosten belaufen sich pro Stunde auf mehrere 100 EUR. Eine Analytiker*innenstunde (Mineralog*in mit Hochschulstudium) kostet pro Stunde rund 100 EUR oder mehr. Dazu kommen Verbrauchsmaterial, Energiekosten und natürlich die Gewinnmarge.

Wieviel Zeit bleibt für eine ordentliche Analyse samt Vorbereitung (Präparation), Evakuierung der Probenkammer (Hochvakuum dauert rund 15 Minuten), Analyse der Probe, Auswertung und Verfassen des Berichts, damit sich die Analytik gewinnbringend rechnet?

Viele Labore arbeiten deshalb “quick and dirty”, um diese niedrigen Presie anbieten zu können. Dazu gehört natürlich auch, dass nicht immer der erfahrenste Analytiker am Mikroskop sitzt, sondern vielleicht jemand mit weniger Erfahrung und einem geringeren Gehalt. Dies führt aber leider zu einer Häufung von falschen und fehlerhaften Berichten.

Fazit:

  • Der Schnelltest verleitet dazu, auch ohne Fachkenntnisse selbst Hand anzulegen!
  • Man könnte sich und andere durch unbeabsichtigte Freisetzung von Asbestfasern gefährden.
  • Der Test hilft bei positivem Ergebnis nicht weiter! Man steht dann immer noch mit der Problematik alleine da.
  • Der Test gibt keine Auskunft über die Faserkonzentration in der Atemluft. Und nur diese Fasern sind unmittelbar gefährlich.
  • Nur ein*e Expert*in kann die Gefährdung genau einschätzen. Vielleicht ist ja Asbest vorhanden, es geht aber keine Gefahr davon aus und kann sogar eingebaut bleiben. Darüber sagt der Test nichts aus.
  • Solange Asbest „unangefasst“ bleibt, geht in den meisten Fällen keine Gefahr davon aus.

Wenn Sie dennoch Proben nehmen und einsenden wollen

  1. Suchen Sie einen seriösen Anbieter. Informieren Sie sich auf dessen Internetseite über die Kosten, die Gefahren und die Analytik. Bei den seriösen Anbietern sind diese Informationen verfügbar.
  2. Sorgen Sie für ausreichenden Selbstschutz, also Atemschutz, Anzug, Handschuhe und ggf. Augenschutz.
  3. Sorgen Sie dafür, dass sich eventuell frei werdende Fasern nicht ausbreiten können.
  4. Benetzen Sie die beprobte Stelle anschließend mit Wasser oder Faserbindemittel. Reinigen Sie alle Oberflächen im Raum gründlich feucht oder nass.
  5. Verwenden Sie keinen Haushaltsstaubsauger, denn damit verteilen Sie die Fasern in der Luft anstelle sie zu binden.
  6. Werfen Sie Einweg-Schutzkleidung nicht weg. Verpacken Sie diese zusammen mit dem Atemschutz und Handschuhen, etc. in eine luftdicht verschließbare, satbile Plastiktüte und kennzeichnen den Abfall als asbesthaltig. Bereits der Verdacht macht diese Maßnahme notwendig. Sollte sich herausstellen, dass kein Asbest vorhanden ist, können Sie den Abfall über den Restmüll entsorgen. Falls Asbest nachgewiesen wurde, entsorgen Sie den gekennzeichneten Abfall beim Entsorgungsbetrieb (ggf. kostenpflichtig).
  7. Waschen Sie ihre normale Kleidung wie gewohnt in der Waschmaschine.

Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte

Viele Analyselabore werben zwar mit “Gerichtsfestigkeit” ihrer Analytik und der Berichte. Allerdings nur dann, wenn die Proben von einem Profi genommen wurden. Diese Labore nehmen sich per Klausel aus der Haftung, wenn Sie die Proben selbst nehmen.

Es ist üblich in Analyseberichten die ungefähre Menge des gefundenen Schadstoffes anzugeben (Einstufung in die Mengenklassen 1 bis 5), auch bei qualitativen oder semi-quantitativen Methoden. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine absolute Menge, aber immerhin um einen Größenmaßstab, eine Einschätzung. Viele Labore lassen sich diese Angabe dennoch extra bezahlen, obwohl dies eine Art “Nebenprodukt” der Analyse ist. Dabei ist gerade diese Angabe oft entscheidend für daraus folgenden Maßnahmen.

Wie zuverlässig sind Raumluftmessungen?

Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit Arbeiten und im Umgang mit Asbest verlangen an einer oder mehreren Stellen Messungen der Faserkonzentration in der Raumluft. Dies dient der Antwort auf folgende Fragen:

  • Werden Richt- und Grenzwerte eingehalten?
  • Sind Arbeitsplätze frei von Asbest und sicher?
  • Sind Maßnahmen erforderlich und wenn ja, welche?

Die Regeln für die Messungen der Faserkonzentration sind streng, aber auch recht starr und deshalb nicht möglicherweise für alle Fragestellungen anwendbar. Der Folgende Beitrag befasst sich mit den Schwachstellen der vorgegebenen Regeln.

Wird überhaupt Asbest frei und wenn ja, wieviel?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Nur ein Test mit meßtechnischer Begleitung kann Gewissheit bringen. Bis dahin ist eine Faserfreisetzung im Umgang mit Asbest zwar wahrscheinlich (oder zumindest nicht auszuschließen), aber die Anzahl der Fasern, die Verteilung und Verdünnung auf das gesamte Raumvolumen, insbesondere bei Frischluftzufuhr, sind sehr spekulativ.

  • Was sagen diese Daten eigentlich aus?
  • Ist dies die Faserkonzentration, der eine Person in einem betroffenen Raum ausgesetzt wäre?
  • Und wenn ja, wie lange?
  • Wo genau wurde gemessen?
  • Wie wird diese Zahl überhaupt berechnet?
  • Und kann man diese Berechnung auf die Problematik überhaupt anwenden?

Wie die Raumluftkonzentration von Asbestfasern generell gemessen und berechnet wird, ist in der DGUV Information 505-46 (bzw. früher: BGI/GUV-I 505-46) sowie in der VDI Vorschrift 3492 genau vorgegeben. Die Frage ist nur: Sind die relativ starren Vorgaben dieser Regeln für alle Zwecke anwendbar?

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

Sammler bzw. Monitor zur Sammlung von Fasern aus der Raumluft © Heiko Hofmann

Gesammelt bzw. gemessen wird, indem eine Saugpumpe ein bestimmtes Luftvolumen durch eine poröse Membran mit definerter Fläche saugt. Die in der Luft enthaltenen Fasern bleiben auf der Membran liegen und können im Rasterelektronenmikroskop analysiert und gezählt werden.

In die Berechnung fließen folgende Parameter ein:

  • V = Angesaugtes Volumen in m3
  • Aeff = Effektive Fläche des Probenträgers in mm2
  • nF = Anzahl der nachgewiesenen Asbestfasern
  • a = Fläche des Zählfeldes in mm2
  • N = Anzahl der ausgezählten Zählfelder
  • Q = Volumenstrom in m3/h
  • t = Meß- bzw. Sammeldauer in Stunden (h)

Das angesaugte Volumen kann über die Meßdauer (t) in Stunden und den an der Saugpumpe eingestellten Volumenstrom (Q) in m3/h berechnet werden:

V = Q • t

Die Berechnungsformel für die Faserkonzentration pro m3 Raumluft lautet

CF = (nF • A) / (N • a • V)

REM Bildausschnitt (rechts) des Probenträgers (links) © Heiko Hofmann

Beispiel: Es wurden 20 Fasern gezählt, das Volumen waren 100 Liter (= 0,1 m3), die Fläche des Zählfeldes ist 1,6 mm2, es wurde 1 Zählfeld ausgewertet und die effektive Fläche der Membran ist 380 mm2. Somit ergibt sich für die Faserkonzentration

CF = 20 • 380mm2 / 1 • 1,6 mm2 • 0,1 m3 = 47500 Fasern / m3 Raumluft

Eine stolze Zahl angesichts nur 20 identifizierter und gezählter Fasern! Man fragt sich nun zu Recht: Kann das sein?

Immerhin wurde streng nach Vorschrift gerechnet. Im Gutachten steht dann: bei der Messung wurde eine Faserkonzentration von 47500 Fasern / m3 Raumluft nachgewiesen.

Bedenkt man den Grenzwert von 500 Fasern, der Maßnahmen nach TRGS 519 notwendig macht, liegen wir hier um Größenordnungen darüber. Das bedeutet Sperrung des gesamten an die Lüftung angschlossenen Bereichs! Bei nur 20 gezählten Fasern.

Aber nochmal einzeln und nacheinander: Die 20 Fasern liegen auf 1,6 mm2. Das bedeutet, dass auf den gesamten 380mm2 des Probenträgers bei gleichmäßiger Belegung 4750 Fasern liegen. Diese 4750 Fasern befanden sich in 100 Litern Luft. Rechnet man auf 1m3 hoch, ergeben sich entsprechend 47500 Fasern pro m3. Soweit nachvollziehbar, richtig?

Wenn 100 Liter Luft 4750 Fasern enthalten,

dann enthält 1m3 47500 Fasern © Heiko Hofmann

Stimmt die Berechnung?

Nun muss man berücksichtigen, dass “nur” 100 Liter angesaugt wurden. Wäre dieselbe Faserkonzentration herausgekommen, wenn man tatsächlich 1000 Liter Luft angesaugt hätte? Denn das ist die Aussage der berechneten bzw. extrapolierten Faserkonzentration!

Wenn ein Freisetzungsereignis nur wenige Sekunden dauert und deshalb die Probennahmedauer auf wenige Minuten bzw. auf ein kleineres Volumen verringert werden kann, ist diese Zahl irreführend:

Zwar ist tatsächlich die Überlegung, die Meßdauer zu verkürzen, nachvollziehbar – aber darf man dann auf 1000 Liter “hochrechnen”? Dies würde voraussetzen, dass in jedem Teilvolumen von je 100 Litern dieselbe Faserzahl vorhanden ist, die sich bis zum Erreichen des Volumens von 1000 Litern aufsummieren.

Werden aber während des Ereignisses tatsächlich nur Fasern innerhalb weniger Sekunden frei,  und danach kommen keine Fasern mehr nach, dann kann man die lineare Berechnung nicht mehr anwenden!

In diesem Fall könnten die 20 Fasern auf dem Zählfeld bereits nach 2 Sekunden oder einer Minute (bzw. im der Sammeldauer entsprechenden Volumen) enthalten gewesen sein.

Nimmt man also an, dass die Fasern innerhalb einer Minute oder innerhalb eines Anfangsvolumens von 1 Liter enthalten waren und danach nur noch saubere Luft angesaugt wird, ergeben sich bei Anwendung dieser Formel signifikant unterschiedliche Werte für die Faserkonzentration in 1000 Litern Luft. Die Hochrechnung wäre schlicht falsch!

Abhängigkeit der Faserkonzentration von gesammelten Volumen bzw. der Sammelzeit bei konstanter Zahl der gezählten Fasern (hier 20) © Heiko Hofmann

Angenommen, die 20 Fasern wären bereits nach 1 Sekunde auf dem Träger zusammengekommen und änderte sich danach nicht mehr, wäre es zwar unerheblich, ob die Messung nach 10 Sekunden, 1 Minute oder 1 Stunde gestoppt würde. Da aber das gesamte gesammelte Volumen in die Berechnung mit einfließt, ändert sich das Endergebnis signifikant.

Wäre die Faserzahl also konstant (nach 1 Sekunde) bei 20 und würde man die Sammlung nach 1 Minute stoppen, wäre die (berechnete) Konzentration bei rund 4 Millionen Fasern. Nach einer Sammeldauer von 24 Stunden hingegen nur noch rund 300 Fasern/m3. Vorausgesetzt, man wendet die lineare Formel der Vorschrift starr an.

Wann kann die lineare Formel verwendet werden?

Ausschließlich, wenn die Verteilung der Fasern in einem theoretisch unendlichen Volumen gleichmäßig ist und wenn die Zahl der angesaugten Fasern je Zeitintervall konstant ist. Dies wäre nur in einem statischen und geschlossenen System möglich.

Faserkonzentration in der Raumluft konstant und unabhängig vom Zeitpunkt der Sammlung © Heiko Hofmann

Zunahme der Fasern auf dem Sammler konstant – Anstieg linear. In jedem Zeitintervall wird dieselbe Faserzahl gesammelt © Heiko Hofmann

Dieses Setting ist allerdings unrealistisch:

  • Fasern sind nie genau gleichmäßig verteilt
  • Das Volumen ist immer begrenzt
  • Es strömt immer von irgendwo saubere Luft nach.

Faserkonzentration bei einem kurzzeitigen Ereignis: Sie steigt stark an und fällt danach aufgrund von Verdünnungseffekten wieder ab. Konzentration abhängig von der Zeit und vom Volumen © Heiko Hofmann

Zunahme der Faserzahl auf dem Sammler nicht linear. Steiler Anstieg, danach kommen keine neuen Fasern nach, ein Plateau wird erreicht unabhängig, wie lange danach noch gesammelt wird © Heiko Hofmann

Auf das Setting kommt es an

Das bedeutet, mit nur einem Meßwert ist es unmöglich, ein dynamisches System zu beschreiben, bei dem Fasern in einem plötzlichen Ereignis freigesetzt werden und sich die Faserkonzentration danach nur noch durch Frischluft verdünnt.

Um die Faserkonzentration in 1 m3 Luft zu bestimmen muss deshalb auch mindestens 1 m3 Luft gesammelt werden. Erst dann hat man eine annähernd belastbare Zahl. Die Meßrichtlinien der VDI und DGUV verlangen auch, ein ausreichend großes Volumen zu beproben!

Zusätzlich muss das gesamte betroffene Raumvolumen berücksichtigt werden. Die Verdünnung ist unter Umständen extrem und da stellt sich die Frage, wird der Grenzwert von 500 Fasern überhaupt erreicht und muss der angeschlossene Bereich tatsächlich gesperrt werden?

Ist zusätzlich zur frischen Zuluft noch eine Abluftabsaugung hinzugeschaltet, wird die kontaminierte Luft bei entsprechendem Luftwechsel innerhalb nur kurzer Zeit vollständig “gewaschen”.

Will man im Rahmen einer geplanten Untersuchung die Faserkonzentration der bei einem Ereignis freigesetzten Fasern im angeschlossenen Arbeitsbereich verlässlich feststellen, muss das gesamte Beprobungs- und Meß-Setting genau geplant werden und man benötigt mehr als nur eine Probe. Das bedeutet natürlich auch etwas höhere Kosten. Aber lieber ein durchdachter “Versuchsaufbau” als ein unbrauchbares Ergebnis für weniger Geld.

Falls die Faserkonzentration nach einem unbeabsichtigten Ereignis festgestellt werden soll, muss man die seit dem Ereignis sedimentierten Fasern durch eine Nutzungssimulation erneut aufwirbeln und möglichst gleichmäßig im Raum verteilen. Zuluft oder Umluftanlagen müssen während der Messung abgestellt sein und die Messung muss mindestens 1 m3 Volumen ansaugen oder solange dauern, bis mindestens 1m3 angesaugt wurde. Besser 8 Stunden oder mindestens 4 m3.

Das Dilemma mit den Brandschutzklappen

Alte Brandschutzklappen enthalten oft Asbest

Brandschutzklappen sind wichtige Einrichtungen, um die Ausbreitung von Bränden zwischen verschiedenen Brandschutzabschnitten über die Lüftungsanlage zu verhindern. Natürlich müssen diese Klappen im Einsatz nicht nur hohe Temperaturen aushalten, sondern auch einwandfrei funktionieren.

Asbesthaltige Brandschutzklappe mit Anschlagdichtung aus Asbest © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0

Lange Zeit war es daher naheliegend, Brandschutzklappen aus dem feuerfesten Wunderstoff Asbest herzustellen oder wenigstens Teile davon. Bis zum Asbestvebot 1993 wurden daher die meisten Brandschutzklappen mit Klappenblättern und / oder Anschlagdichtungen aus Asbest bzw. asbesthaltig hergestellt.

Auch heute noch sind in den meisten Gebäuden der öffentlichen Hand und in vielen Groß- und Industriegebäuden noch asbesthaltige Brandschutzklappen eingebaut.

Brandschutzauflagen müssen erfüllt werden

Um aktuelle Brandschutzauflagen zu erfüllen, müssen diese Klappen regelmäßig auf ihre Funktionalität geprüft werden. Normalerweise wird dies von der Feuerwehr oder von zertifizierten Brandschutzexperten durchgeführt und dokumentiert.

Allerdings sind auch die zuletzt (bis 1993) eingebauten asbesthaltigen Brandschutzklappen in die Jahre gekommen und können bei der Auslösung während des Tests signifikante Mengen an Asbestfasern freisetzen, die dann über die Lüftungsanlage in die belüfteten Räume verteilt werden. Zumindest im Zuluftstrom. Und dies ist fatal: Nicht nur werden Asbestfasern freigesetzt und an die Arbeitsplätze von Menschen transportiert – es handelt sich auch um einen anzeigepflichtigen Umgang mit Asbest – mit allen Konsequenzen.

Nun sind Brandschutzexperten und -Gutachter oder Feuerwehrleute nicht unbedingt gleichzeitig in Asbest-Sachkunde geschult bzw. zertifiziert. Viele lehnen sogar den Test asbesthaltiger Brandschutzklappen ab wegen der Gefahr der Faserfreisetzung und Kontamination. Derjenige, der die Klappe zum Test auslöst, hat automatisch die Verantwortung für eine potentielle Faserfreisetzung. Da er aber möglicherweise nicht über die Sachkunde im Umgang mit Asbest verfügt, kann er die Freisetzung weder bewerten noch den an die Lüftungsanlage angeschlossenen Bereicht mit entsprechenden Maßnahmen absichern. Zwangsläufig wäre die Sperrung des angeschlossenen Bereichs die Folge. Und zwar solange, bis nachgewiesen wurde, dass entweder keine Kontamination stattgefunden hat oder bis der Bereich gereinigt und freigemessen wurde. Ohne Asbest-Sachkunde (bzw. Asbest Experte) und Analytik geht also nichts.

Worst Case

Auf der anderen Seite müssen die Klappen regelmäßig einmal jährlich geprüft werden, da sie sonst ihre Zulassung verlieren – ganz zu schweigen von den rechtlichen Konsequenzen, falls eine ungeprüfte Klappe im Brandfall versagt und sich ein Brand ausbreitet. Falls dann noch Personen zu Schaden kommen, fragt niemand mehr nach Asbest, schon gar nicht vor Gericht.

Was also tun?

Oder: Wenn man die Wahl hat gegen welche Vorschrift man verstoßen soll, welche soll es denn sein? Welche Vorschrift siegt: Brandschutz oder Schutz vor Asbest? Geht das überhaupt zusammen?

Test einer Brandschutzklappe mit gleichzeitiger Messung der Faserfreisetzung. Kurz nachdem die Klappe fällt, sind davonfliegende Partikel zu erkennen © Heiko Hofmann

Fest steht: Beim Test von alten Brandschutzklappen muss mit einer signifikanten Freisetzung von Asbestfasern gerechnet werden und der Test bedeutet einen Umgang mit Asbest. In der Konseqeunz müssen alle von der TRGS 519 geforderten Schutzmaßnahmen erfüllt werden:

  • Schwarzbereich
  • Unterdruckhaltung
  • Personenschleuse
  • Unternehmensbezogene Anzeige bei der Gewerbeaufsicht
  • Objektbezogene Anzeige bei der Gewerbeaufsicht
  • Brandschutzklappentest durch Asbest-Sachkundigen in Begleitung eines Brandschutzgutachters
  • Anschließende Reinigung durch Spezialfirma und
  • Freimessung durch Asbest- bzw. Schadstoffgutachter
  • Abschlussbericht bzw. Gutachten des Schadstoffgutachters
  • Abschlussbericht bzw. Gutachten des Brandschutzgutachters

Die Kosten für den Test nur einer einzigen Klappe gehen somit schnell in einen fünfstelligen Bereich. Nur hat man nicht nur eine Klappe, sondern im Zweifel hunderte! Und diese Kosten fallen jedes Jahr erneut an, denn in diesem Intervall sind die Prüfungen fällig.

Man könnte fast unterstellen, dies sei eine Goldgrube für Gutachter – wäre da nicht auch die tatsächliche Gefährdung durch Asbest.

Ausbau und Entsorgung

Also warum nicht gleich die alten Brandschutzklappen ausbauen und gegen neue, Asbestfreie ersetzen? Dann hätte man den finanziellen und vor allem technischen Aufwand nicht mehr jährlich, sondern nur einmal. Möglicherweise ist der Zustand der in die Jahre gekommenen Klappen eventuell bereits so schlecht, dass sie trotz technischer Funktionalität wegen defekter Asbestdichtungen gar keine Zulassung mehr bekommen würden.

Andererseits ist es in vielen Fällen bautechnisch nicht ohne sehr großen Aufwand möglich, Klappen oder wenigstens Klappenblätter und Dichtungen zu ersetzen. Und dann reicht womöglich das für den Austausch der Klappen nötige Geld dann doch nicht… wie im öffentlichen Sektor.

Asbestrichtlinie der Länder eher kontraproduktiv

Nach Asbestrichtiline (siehe Umgang mit Asbest im Kapitel Rechtslage) müssen asbesthaltige Produkte regelmäßig auf deren Zustand geprüft werden. Daraus ergeben sich sogenannte Dringlichkeitsstufen für die Asbestsanierung.

Defekte Anschlagdichtung einer Brandschutzklappe aus Asbest © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0

Nun stuft die Asbestrichtlinie ausgerechnet Brandschutzklappen pauschal in Dringlichkeitsstufe III ein – das bedeutet: Erneute Bewertung gem. Asbestrichtlinie erst wieder in 5 Jahren. Und zwar solange, bis die Nutzungsdauer abgelaufen ist, denn eine andere Dringlichkeitsstufe ist für Brandschutzklappen nicht vorgesehen.

Ironischerweise ist die Asbestrichtlinie von 1996. Selbst die damals neuen Klappen sind heute knapp 25 Jahre alt und die Dichtungen sowie Blätter teilweise porös, brüchig, defekt.

Aktueller Leitfaden

Der Gesamtverband Schadstoffsanierung schlägt nun im Rahmen eines brandaktuellen Leitfadens vor:

  • Der Zustand aller asbesthaltiger Brandschutzklappen müsse von Fachleuten geprüft werden.
  • Der Zustand wird in 3 Kategorien eingeteilt: Unbeschädigt, leicht beschädigt und stark beschädigt.
  • Brandschutzklappen, deren Dichtungen aus sogenanntem Sikaflex (eine Art Asbestschaumstoff) bestehen, dürfen gar nicht erst geprüft werden.
  • Generell ist der Austausch gegenüber Prüfung und weiterem Betrieb zu bevorzugen

Die Sache hat nur einige Haken:

  • Der Gesamtverband Schadstoffsanierung hat gewisse finanzielle Interessen,
  • der Leitfaden ist ein Leitfaden und keine wirkliche Rechtsgrundlage, so vernünftig die Maßnahmen auch sind.
  • Beim Brandschutzklappentest müssen 2 Gutachter anwesend sein: Einer mit Asbest-Sachkunde und einer mit Brandschutz-Sachkunde. Oder ein Gutachter, der beide Arten der Sachkunde erworben hat und für genau diese Kombination spezialisiert ist.
  • Die Prüfung von Brandschutzklappen nützt also am ehesten den Gutachern, wenn man nach den neuen Leitlinien des Gesamtverbandes vorgehen will.

Dennoch bietet der Leitfaden ein solide Handlungsgrundlage, wie bei einem Test möglichst sicher (und vor allem rechtssicher) vorzugehen ist. Ein Druckmittel, alte Brandschutzklappen endgültig auszutauschen, ist sie hingegen nicht. Sollte der Leitfaden jedoch kurzfristig den Rang des “Standes der Technik” erreichen, werden sich Gutachter und auch Gerichte daran orientieren.

Welche Gefahr ist größer? – Wahrscheinlichkeiten

Rechtlich geklärt ist die Angelegnheit leider noch nicht, aber es gibt Tendenzen in der aktuellen Diskussion:

Ob eine Brandschutzklappe im Brandfall fällt, ist keine Frage der Prüfung. Das bedeutet, alleine die Prüfung zu einem bestimmten Zeitpunkt x sorgt nicht mit absoluter Sicherheit dafür, dass die Klappe zum Zeitpunkt y fällt. Sie sagt nur etwas darüber aus, dass sie zum Prüfzeitpunkt funktioniert hat und der Prüfer / die Prüferin dies dokumentiert hat. Die Klappe ist also ab dem Prüfzeitpunkt bzw. mit Datum der Prüfbescheinigung für ein weiteres Jahr zugelassen.

Anders herum bedeutet die ausgelassene Prüfung nicht, dass die Klappe im Brandfall nicht fällt. Die Gefahr, dass durch eine eventuell im Brandfall (sehr selten bzw. unwahrscheinlich) nicht funktionierende Brandschutzklappe (sehr selten bzw. unwahrscheinlich) Personen schwer zu Schaden kommen (sehr unwahrscheinlich) ist also der Faktor aus dreimal selten bzw. unwahrscheinlich und somit sehr hypothetisch.

Dem gegenüber ist die Gefahr einer Faserfreisetzung durch den Test einer asbesthaltigen Brandschutzklappe sehr konkret und auch messbar. Also sehr wahrscheinlich. Allerdings darf man bei dieser Betrachtungsweise nicht vergessen, dass wiederum das Risiko aufgrund dieser extrem kurzzeitigen Faserfreisetzung bei einer vergleichsweise geringen Anzahl freigesetzter Fasern (und einer noch geringeren Menge schlimmstenfalls eingeatmeter Fasern), an Krebs zu erkranken ebenso gegen Null strebt.

Nullsummenspiel

Die Betrachtung der Wahrscheinlichkeiten ist also praktisch nahezu ein Nullsummenspiel. Trotzdem: Die widersprüchliche Rechtsprechung existiert und muss eingehalten werden, solange keine spezifischeren Lösungen im Angebot sind.

Was tun?

Das bedeutet: Brandschutzklappentest sind Pflicht und auch unter den gegebenen Bedingungen erlaubt. Allerdings nur mit Brandschutzgutachter und Asbest-sachkundiger Person, Anzeige an die Behörde und Sicherungsmaßnahmen nach TRGS 519. Brandschutzklappen nicht zu testen ist hingegen auch keine Lösung.

Falls dies jedoch aus besonderen Gründen nicht möglich ist, etwa weil der finanzielle Schaden durch die Sperrung eines angeschlossenen Bereichs zu groß wäre, muss dies mit der Behörde abgestimmt werden. Die Problematik ist bekannt und ggf. kann mit der aufsichtsführenden Behörde eine individuelle Lösung gefunden werden.

Nachweis von Asbest

Achtung!
Sie finden im Internet inzwischen sehr viele Anbieter von Asbest-Test-Kits für zuhause und Schnelltests. Seien Sie kritisch mit Schnelltests, denn sie versprechen eine Blitzanalyse der Situation für wenig Geld und vernachlässigen dabei die Konsequenzen für Sie selbst: Denn Sie müssen die Proben selbst nehmen – ohne Hintergrundwissen. Sie könnten ohne sachkundiges Wissen und Erfahrung unbeabsichtigt Asbestfasern freisetzten – das ist aber unter Umständen verboten.  Zudem setzen sich selbst womöglich einer Gefährdung durch Asbestfasern aus! Mehr dazu in diesem Beitrag

Um besser beurteilen zu können, mit welchem Aufwand eine gute und fachmännische Asbestanalyse verbunden ist, sollten Sie diese Seite lesen.

Haben Sie bereits eine Analyse machen lassen und haben Zweifel, ob sie fachmänisch durchgeführt wurde oder plausibel ist? Schreiben Sie mir eine Nachricht oder rufen Sie mich an!

Wie man Asbest analysiert und nachweist erfahren Sie ab Seite 2