Archiv der Kategorie: Rechtsvorschriften

Neue Gefahrstoffverordnung in Kraft getreten

Am 04.12.2024 wurde die neue Gefahrstoffverordnung GefStoffV veröffentlicht und damit in Kraft gesetzt. Genauer heißt die Verordnung “Änderungsverordnung zur Gefahrstoffverordnung”. Grund ist, weil die GefStoffV nur geändert und ergänzt wurde und nicht komplett neu verfasst, so wie zuletzt 2001.

Die wichtigsten Änderungen im Überblick

  • Mitwirkungspflicht der Veranlasser
  • Vermutungsklausel
  • Mitwirkungspflicht der Auftragnehmer
  • Grenzwerte

TRGS 519 nun in GefStoffV integriert

Gänzlich neu ist, dass ein wesentlicher Bestandteil der bisherigen TRGS 519 nun von der rechtlichen Ebene eines Regelwerks, einer sogenannten “Technischen Regel”, in den “Adelsstand” einer Rechtsverordnung gehoben wurde. Damit entfällt automatisch das Prinzip, nach dem die getroffenen Schutzmaßnahmen zwar abweichen dürfen, aber nur dann, wenn sie mindestens gleichwertig sind oder besser. Dieser Spielraum bzw. diese Flexibilität bei der Einschätzung der zu treffenden Schutzmaßnahmen bei ASI Arbeiten fällt weg.

Kurz: Was zu ASI Arbeiten und Schutzmaßnahmen in der GefStoffV steht, gilt und kann nicht anderweitig ausgelegt werden. Das ist gut so!

Abbruch, Sanierung und Instandhaltung

Die Begriffe Abbruch, Sanierung und Instandhaltung wurden in der GefStoffV (neu) definiert und präzisiert. Dabei wurden bis zuletzt umstrittene Auslegungen der Begriffe “Sanierung” und “Instandhaltung” berücksichtigt und so formuliert, dass keine Missverständnisse mehr bestehen sollten.

Beispielsweise wurde endlich die Frage geklärt, was “räumliche Trennung” ist und was man unter dem sogenannten “Überdeckungsverbot” versteht, das zusammen mit dem berühmten Morinol-Urteil aufkam.

Das grundlegende Prinzip bei der Sanierung und Instandhaltung (bzw. auch Instandsetzung) ist:

  • Asbestprodukte dürfen nicht instandgesetzt werden, nur Anlagen, die Asbestprodukte enthalten, indem diese Produkte ausgebaut werden.
  • Asbestprodukte dürfen nicht versteckt werden oder so kaschiert, dass sie in Vergessenheit geraten könnten. Sie dürfen auch nicht so zugebaut werden, dass eine Rückholbarkeit nicht mehr oder nur sehr schwer möglich ist. Dies wurde häufig mit der “räumlichen Trennung” verwechselt oder bewusst ausgelegt.

Pflichten des Veranlassers

Ein Veranlasser ist im Prinzip der Bauherr. Jeder, der ASI Arbeiten (und das sind praktisch alle Arbeiten an Asbest oder asbesthaltigen Bauteilen) veranlasst, also Aufträge zur Arbeit damit vergibt.

Damit man nicht unbewusst oder unbeabsichtigt (oder auch bewusst oder beabsichtigt…) Auftragnehmer in eine Situation bringt, in der diese durch ihre Arbeit (bewusst oder unbewusst) Schadstoffe freisetzen oder indirekt freigesetzt werden können und die Personen dabei einer Gefahr für die Gesundheit ausgesetzt werden können, muss der Veranlasser dem Auftragnehmer wichtige Informationen zum Objekt liefern.

Die wichtigste Information ist dabei das Baujahr (in einem spezifischen Intervall sogar das Baudatum) mitteilen. Außerdem sämtliche Informationen zum Bau oder Objekt, die dem Bauherrn vorliegen, damit der Auftragnehmer in der Lage ist, einzuschätzen, ob mit Bauschadstoffen gerechnet werden muss.

Der Bauherr ist dabei nicht unbedingt dazu verpflichtet, auch die Erkundung von Bauschadstoffen in Auftrag zu geben. Dies wäre aber ratsam, wenn der Bauherr die Kontrolle über die Analytik behalten möchte.

Der Auftraggeber darf dem Auftragnehmer keine Informationen vorenthalten, die zur Klärung der Situation, ob Bauschadstoffe vorhanden sein könnten, beitragen können. Das ist sehr wichtig. Somit ist der Auftraggeber in gewisser Hinsicht mit in der Haftung.

Vermutungsklausel

Die sogenannte Vermutungsklausel hat es in die GefStoffV geschafft! Sie sagt, dass in allen Gebäuden mit einem bestimmten Baujahr (bzw. Gebäuden, die bis und vor 1993 gebaut oder umgebaut wurden), mit Asbest und Produkten daraus gerechnet werden muss.

Das ist an sich nicht neu. Nun ist es aber durch die Aufnahme in die GefStoffV in “Granit gemeißelt”! Die Folge ist, dass praktisch immer eine Erkundung durchgeführt werden muss, wenn keine Klarheit besteht. Das ist nun Gesetz!

Mitwirkungspflichten der Auftragnehmer: Gefährdungsbeurteilung

Auftragnehmer haben die Pflicht, im Zweifel die nötigen Informationen über das Objekt vom Auftraggeber einzufordern. Schließlich müssen sie wissen, womit sie es zu tun bekommen und ggf. ob sie überhaupt tätig werden dürfen.

Deren wichtigstes Instrument zum Schutz der Beschäftigten ist die Gefährdungsbeurteilung. Die Pflicht zur Durchführung einer Gefährdungsbeurteilung besteht generell für Arbeitgeber gem. Arbeitsschutzgesetz und der DGUV Vorschrift 1 (“Unfallverhütungsvorschrift”) der Deutschen Gesetzlichen UnfallVersicherung.

In diesem speziellen Fall sind nun Auftragnehmer, die meist auch Arbeitgeber sind, verpflichtet, eine spezifische Gefährdungsbeurteilung für Bauschadstoffe durchzuführen, und zwar auf Grundlage der Informationen, die sie vom Auftraggeber erhalten haben.

Eine Ausrede, man habe keine oder kaum Informationen bekommen, zählt dabei nicht. Dann muss man sich die Informationen beschaffen. Wenn für die Gefährdungsbeurteilung oder für die daraus abzuleitenden Maßnahmen eine Erkundung von Schadstoffen (durch Probennahme und Analytik) notwendig ist, dann müssen die Auftragnehmer Sachverständige einbeziehen, die sich um die Analytik kümmern, sofern sie dies nicht selbst dürfen (aufgrund fehlender Sachkunde).

Die Kosten für die Hinzuziehung von Sachverständigen können auf den Auftraggeber umgelegt werden.

Wichtig:

Sollte sich bei der Erkundung herausstellen, dass Bauschadstoffe (insbesondere Asbest) vorhanden sind, dürfen die Arbeiten, die mit diesen Stoffen in Kontakt kommen und diese freisetzen könnten, ausschließlich von sachkundigen Personen durchgeführt werden. Sprich: Es geht nicht ohne Sachkunde nach TRGS 519, wenn Asbest im Spiel ist. Verstößt man dagegen, drohen empfindliche Bußgelder und schlimmstenfalls Untersagung des Betriebs.

Umgang mit Asbest oder asbesthaltigen Bauteilen dürfen nur Sachkundige ausüben!

Wichtig für Privatpersonen:

Diese Regelungen der GefStoffV gelten auch für Privathaushalte!

Grenzwerte

In der neuen GefStoffV (folglich in der TRGS 519) werden die Begriffe “schwach gebundener Asbest” und “fest gebundener Asbest” nicht mehr auftauchen. Das ist gut so, denn diese Begriffe waren uneindeutig und schwer zu fassen.

Das wird aber große Auswirkungen auf die neue Formulierung der TRGS 519 haben. Man darf gespannt sein.

Künftig geht es um das Faserfreisetzungspotential, ein sperriges Wort. Es bedeutet aber genau, was drin steht, nämlich die Fähigkeit eines asbesthaltigen Produktes, Fasern freizusetzen. Das hängt nicht nur vom Produkt ab, sondern von der Art der Bearbeitung.

Der Auftragnehmer ist künftig verpflichtet, im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung festzustellen oder zumindest einzuschätzen, bei welcher Tätigkeit an welchem Produkt welche Fasermenge (bezogen auf die Faserkonzentration F/m3) freigesetzt werden kann, um auf dieser Grundlage Schutzmaßnahmen festzulegen.

Um dies etwas zu vereinfachen, wurden 3 Gefahrenbereiche (wie im Arbeitsschutz auch) definiert:

  • Akzeptanzbereich (Bereich mit niedrigem Risiko: grün)
  • Toleranzbereich (Bereich mit mittlerem Risiko: gelb)
  • Gefahrenbereich (Bereich mit hohem Risiko: rot)

Die neue TRGS 519 wird dazu Hilfestellungen anbieten, um den jeweiligen Bereich besser einschätzen zu können.

Welche Grenzwerte gelten werden, die diese Bereiche voneinander trennen, ist noch nicht abschließend geklärt. Da wird man die TRGS 519 abwarten müssen. In der GefStoffV steht nur, dass es diese Bereiche gibt und wie die Grenzen genannt werden.

Als Grundlage für die Grenzwerte gilt die neue EU-Asbestrichtlinie. Darin ist jedoch von nur einem Grenzwert die Rede. Allerdings hat man 2 Konzentrationen eingeführt: Eine einschließlich der Berücksichtigung “dünner Fasern” und einen Wert ohne.

Was soll denn das?

Grund dafür ist, dass in der EU noch verschiedene Analysemethoden für Asbest eingesetzt werden und auch zulässig sind, nämlich

  • optische Mikroskopie (Phasenkontrastmik. oder Polarisatioksmik.)
  • Raseterelektronenmikroskopie

Die optische Mikroskopie ist dabei nicht so hochauflösend. Dabei werden demnach die ganz kleinen Fasern (“dünne Fasern”) mit einer Dicke von < 200 nm (Nanometer = 10 hoch minus 9 Meter) nicht gut erkannt. Man legte deshalb fest, dass die “Ausbeute” der Fasererkennung beim REM rund 5 Mal höher ist als beim optischen Mikroskop. Legte man für beide Methoden dieselben Grenzwerte fest, wäre die Faserzahl bei der Analyse mit REM immer deutlich zu hoch. Oder eher umgekehrt, bei der optischen Methode deutlich zu niedrig, weil ja nicht alles erkannt wird.

Deshalb ist der Grenzwert laut EU-Richtlinie

  • bei REM: 10.000 F/m3
  • bei Opt: 2000 F/m3

Wie Sie vielleicht wissen, müssen aber europäische Richtlinien (im Gegensatz zu Verordnungen) erst in nationales Recht umgesetzt werden. Dies geschieht natürlich einerseits durch die neue GefStoffV, aber eben noch nicht ganz. Die Grenzwerte (als Zahlen) fehlen noch.

Generell strebt die TRGS 910 bereits nach dem unteren Grenzwerte von 1000. Ob diese 1000 jedoch auch für Asbestfasern pro m3 Luft gelten werden, ist offen.

Im Augenblick empfiehlt die EU Richtlinie bei der Methode mit REM noch immer einen Grenzwert von 10.000 F/m3. Ob die TRGS dies auf 1000 F/m3 senken wird, bleibt abzuwarten.

 

 

 

 

Zur Definition der WHO-Fasern

Viele Analyselabore und Sachverständige verwenden den Begriff der “WHO-Faser” ausschließlich im Zusammenhang mit Künstlichen Mineralfasern (KMF) und hierbei sehr oft nur mit den KMF, die als krebserzeugend gelten.

Hierdurch kann der Eindruck entstehen, dass es sich bei Asbestfasern nicht um WHO-Fasern handelt, auch wenn diese dieselben Dimensionen haben.

Als WHO-Fasern werden Fasern mit den Abmessungen

  • D < 3µm
  • L > 5µm
  • L : D > 3

Wobei D = Durchmesser, L =Länge, L : D = Verhältnis aus Länge zu Durchmesser.

Die irrtümliche Verwendung beruht auf einer mißverständlichen Formulierung aus der TRGS 905 “Verzeichnis krebserzeugender, keimzellmutagener oder reproduktionstoxischer Stoffe“,

2.3 Anorganische Faserstäube (außer Asbest)
(1) Dieser Abschnitt gilt für anorganische Fasern (ausgenommen Asbest) mit einer Länge > 5 μm, einem Durchmesser < 3 μm und einem Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis von > 3:1 (WHO-Fasern).

Hier kann tatsächlich der Eindruck entstehen, die Definition der WHO-Faser gilt nicht für Asbestfasern, denn hier steht schließlich “ausgenommen Asbest”.

Gemeint ist tatsächlich, dass der folgende Abschnitt nicht für Asbestfasern gilt, weil dieser die Berechnung des Kanzerogenitätsindex (KI) für KMF beinhaltet – und der trifft natürlich nicht auf Asbest zu. Das ist aber nicht gleichbedeutend, die Definition der WHO-Faser gelte nicht für Asbest.

Richtig ist:

Die Definition der WHO-Faser gilt für alle Faserstäube bzw. Fasern mit genau dieser Geometrie, unabhängig von der Art und Herkunft. Das ist auch nur logisch, denn bei der Definition der Fasergeometrie der WHO (Weltgesundheitsorganisation) geht es um die Frage, welche krebserzeugenden Fasern haben die geeignete Form, um die tiefen Lungenregionen (Alveolen) erreichen zu können.

Ein Blick in die TRGS 517 “Tätigkeiten mit potenziell asbesthaltigen mineralischen Rohstoffen und daraus hergestellten Gemischen und Erzeugnissen bringt etwas Klarheit:

2.4 Asbestfasern
Als Asbestfasern werden solche Fasern bezeichnet, die nach ihrer chemischen Zusammensetzung den sechs Asbestmineralen zuzuordnen sind und die Abmessungen nach WHO (Länge > 5 μm, Durchmesser < 3 μm, Länge-zu-Durchmesser-Verhältnis > 3:1) aufweisen. …

 

Neue LAGA M23 veröffentlicht

Am 08.05.2023 hat die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Abfall (LAGA) das neue Merkblatt M23 “Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle” veröffentlicht.

Die Regelungen zur Behandlung asbesthaltiger Abfälle waren bisher bereits relativ streng. Die Neuauflage der LAGA M23 verschärft und präzisiert die Regelungen nochmals.

Künftig muss bei geplanten ASI Arbeiten (Abbruch, Sanierungs- und Abbrucharbeiten) vorab nicht nur abgeklärt, sondern nachgeweisen werden, ob das Objekt asbesthaltige Produkte enthält und ob asbesthaltiger Abfall entstehen wird. Die Konsequenz ist demnach, dass diese Nachweise (durch Beprobung und Analytik) bei allen ASI Vorhaben in Gebäuden, die vor dem Asbestverbot 1993 errichtet oder saniert wurden, geführt werden muss. Also auch im Verdachtsfall.

Asbesthaltige Produkte und Geräte wie z.B. alte Nachtspeicheröfen, Elektrogeräte, etc. müssen, sofern dies möglich ist, in die asbesthaltigen Bestandteile und nicht-asbesthaltige Bestandteile zerlegt und getrennt werden.

Grundsätzlich ist diese Trennung deshalb notwendig, um die asbesthaltigen Bestandteile durch Verbrennung zu vernichten. Ist keine Trennung möglich, müssen die asbesthaltigen Bestandteile so behandelt werden, dass keine Faserfreisetzung möglich ist.

Die LAGA M23 ist zwar eine “Mitteilung” und keine verbindliche Rechtsvorschrift. Aber auch hier gilt wie bei allen DIN-Normen und TRGS Regeln, dass sie den “Stand der Technik” darstellen und deshalb mit Rechtsvorschriften quasi gleichrangig behandelt werden.

Wenn Sie als Firma oder auch Privatperson ASI Arbeiten planen, müssen Sie sich mit den Regelungen der TRGS 519, der GefStoffV und der neuen LAGA M23 befassen!

Grob fahrlässiges Fehlverhalten eines Heizungsbauers

Ein Kunde schilderte mir vor Kurzem den folgenden Fall:

Der Eigentümer (Vermieter) eines Mehrfamilienwohnhauses beauftragte einen Heizungsbauer mit der Erneuerung der Heizungsanlage. Der Auftragnehmer sendete zur Durchführung der Arbeiten seinen Gesellen.

Abwasserrohr und Zuluftschacht für Ölheizung aus Asbestzement. © Heiko Hofmann

Im Heizungsraum musste ein Zuluftkanal aus Asbestzement mit quadratischem Querschnitt (siehe Bild), der die Ölheizung mit Luft versorgt, zurückgebaut werden.

Damit sich der Staub nicht im ganzen Keller und im Treppenhaus verteilt, arbeitete der Geselle im geschlossenen Raum. Selbst die Kellerfenster blieben verschlossen.

Der Geselle flexte den Lüftungskanal ohne PSA, also Maske, Schutzbrille, etc. durch und erzeugte eine extrem hohe Feinstaubmenge, der er selbst schutzlos ausgesetzt war.

Dem Kunden (Mieter) fielen die Arbeiten auf und er fragte nach, ob es sich bei dem Kanal nicht um Asbestzement handelte. Der Geselle wusste nicht, was Asbest ist. Der Kunde nahm im Anschluss eine Probe und lies sie analysieren. Der Befund war positiv: Asbestzement mit über 50% Asbestanteil.

Der Kunde fragte anschließend beim Heizungsbauer nach und dessen Antwort war: Das “könne nicht sein, denn Asbest gab es schließlich nur im Osten” (also den neuen Bundeländern). Selbst der Eigentümer (Auftraggeber) wiegelte ab.

Gesundheitliche und rechtliche Konsequenzen

Abgesehen davon, dass der Heizungsbauer grob fahrlässig gehandelt hat, hat er zusätzlich seinen Gesellen ohne Schutz und ohne dessen Wissen sprichwörtlich in eine Asbesthölle geschickt. Er hat die Gesundheit seines Mitarbeiters massiv gefährdet, ohne diesen vorab über die Gefährdung durch Asbestvorkommen zu informieren. Er hat offensichtlich die Gefahr durch Asbest sogar heruntergespielt, obwohl ihm die Problematik bekannt war. Es gab offenbar weder Sachkunde, noch eine Gefährdungsbeurteilung, geeignete Schutzmaßnahmen noch eine Anzeige an die zuständige Behörde.

Man muss leider davon ausgehen, dass dieses Verhalten ein grundsätzliches Problem des Heizungsbauers ist und nicht zu ersten Mal (und auch nicht zum letzten Mal) vorkam.

Die Faserexposition des Gesellen an nur diesem Tag (innerhalb von wenigen Minuten) war extrem. Auf diese Weise kann innerhalb weniger Arbeitswochen bei gleichen Tätigkeiten schnell ein ganzes Faserjahr zusammenkommen. Die Wahrscheinlichkeit, an Krebs zu erkranken, ist in diesem Fall für den Mitarbeiter nicht mehr gering.

Falls der Fall weiter verfolgt wird, droht dem Heizungsbauer nicht nur ein Bußgeld im 5 bis 6 stelligen Bereich. Die zuständige Behörde wird darüber hinaus angesichts der Schwere des Falles und der groben Fahrlässigkeit des Heizungsbauers auch die Strafverfolgung prüfen.

Hier wurden sämtliche Regeln des Arbeitsschutzes sowie des Schutzes unbeteilgter Dritter (z.B. der Mieter) verletzt und gegen ein ganze Reihe von Rechtsvorschriften verstoßen. Deshalb geht es rechtlich nicht mehr nur um eine Ordnungswidrigkeit.

Appell an Handwerksbetriebe

Klären Sie vor Aufnahme der Arbeiten unbedingt ab, ob Sie ggf. mit asbesthaltigen Produkten in Kontakt kommen oder diese sogar bearbeiten müssen. Hier gilt der klassische Grundsatz: Nicht wissen schützt nicht vor Strafe.

Falls Sie mit Asbest rechnen müssen, legen Sie nicht ohne Nachweis der Asbestfreiheit los oder nicht ohne die nötige Sachkunde, entsprechende Schutzmaßnahmen und die Einbeziehung der zuständigen Behörde (Objektbezogene- oder Unternehmensbezogene Anzeige). Wenn Sie nicht über Sachkunde verfügen, muss eine Fachfirma hinzugezogen werden.

Die ist keine Kleinigkeit – sowohl rechtlich als auch gesundheitlich. Die Bußgelder und Strafen sind erheblich und können bei nachgewiesenem Fehlverhalten und insbesondere bei Gefährdung von Personen nicht nur die Firma sondern auch Leben ruinieren.

 

Neues Informationsportal der IFA zu krebserzeugenden Gefahrstoffen

 

GHS Piktogramm “krebserzeugend”

Das Institut für Arbeitsschutz der Deutschen gesetzlichen Unfallversicherung DGUV hat ein neues Informationspoartal zu Arbeiten mit Krebserzeugenden Gefahrstoffen veröffentlicht. Insbesondere werden sehr viele Informationen rund um Asbest bereitgestellt.

Wenn der Dachdecker-Kumpel beim Abriss hilft

Trotz Pandemie gibt es noch andere “Baustellen”, die uns im privaten Umfeld beschäftigen, wie zum Beispiel Asbest.

Viele Privatpersonen sind inzwischen recht gut über die Problematik informiert und sorgen sich um Asbestvorkommen im eigenen Heim. Es ist also nicht überraschend, wenn die mit Asbestzementplatten gedeckte Garage in den Fokus rückt und zumindest zum “gefühlten” Problem wird – obwohl das eventuell gar nicht nötig ist.

Laut REACH Verordnung gibt es nämlich einen gewissen “Bestandsschutz” für asbesthaltige Produkte, wenn diese noch intakt sind und “unangefasst” bleiben.

Wenn einige der Platten jedoch beschädigt sind und sie nicht mehr ihren “ursprünglichen Zweck” erfüllen, also das Dach abdichten, dann muss es entsorgt werden. Denn das Reparieren ist verboten!

Asbestzement-Dach muss weg – Hilfe vom Dachdecker-Kumpel

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Nun ist also guter Rat gefragt und nötigenfalls auch Hilfe – warum nicht vom befreundeten Dachdecker. Da hat man es immerhin mit einem Fachmann zu tun – wenigsten in Sachen Dach decken und abdecken.

Der Dachdecker-Freund sagt also zu und bringt sogar die Schutzausrüstung mit: Schutzanzug, FFP3 Masken.

Der Privatmann und sein Kumpel legen also los und bauen die Asbestzement-Platten ab. Zumindest versuchen sie es, denn die Platten sind nicht nur geschraubt, sondern teilweise auch mit einer bitumenartigen Masse verklebt. Macht aber nix, denn mit etwas “Nachhilfe” in Form eines Hammers lösen sich die Platten. Einige zerbrechen, umso besser.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Gerissener Asbest-Big-Bag © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

Die gelösten Platten werden vorsichtig nach unten gereicht, wo man feststellt, dass die noch vollständigen, unzerbrochenen Platten nicht in den Asbest-Big-Bag passen. Auch da wird kurzerhand nachgeholfen und die überstehenden Kanten werden mit derselben Methode wie oben auf dem Dach einfach abgeschlagen. Über frei werdende Fasern macht sich zumindest der Dachdecker-Kumpel keine Sorgen, denn der Wind steht günstig und man trägt schließlich FFP3 Masken.

Der Privatmann beginnt, sich dennoch Sorgen zu machen, ob dies alles so richtig ist und ob die beiden nicht doch einer beachtlichen Faserkonzentration ausgesetzt waren.

Erklärungsversuche und Ahnenvergleiche

Der Dachdecker-Kumpel beschwichtigt und zählt nochmals die “günstigen Umstände” auf: Schutzanzug, Maske, Kleidung wird entsorgt, Wind günstig, Big-Bag. Alles gut!

Außerdem hätten sein Vater und sein Großvater früher diese Platten in geschlossenen Räumen mit der Flex zersägt und beide erfreuen sich noch heute bester Gesundheit. Sagt der Fachmann!

Alles gut??? Mitnichten!

Grob fahrlässig und eventuell strafbar

Sehen wir uns die Sache nochmal im Detail und unter den geltenden Rechtsvorschriften an:

Die Gefahrstoffverordnung gilt bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen auch für Privatpersonen. Demnach gelten auch die Regelungen der TRGS 519.

Der Rückbau des Daches ist zwar erlaubt, allerdings unter strengen Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Benetzen des Daches mit Faserbindemittel, damit frei werdende Fasern nicht einfach davonfliegen. Die Platten zu zerbrechen oder gar zu zerschlagen, damit sie in den Abfallsack passen, ist verboten!

Der Privatmann bat seinen Freund, ihn zu unterstützen – und zwar nicht nur beim Abbau, sondern auch mit seinem fachkundigen Rat.

Dachdecker mit Sachkenntnis aber ohne Sachkunde

Nun hat der Dachdecker-Kumpel offensichtlich keine Asbest-Sachkunde nach TRGS 519, denn sonst wüsste er zumindest, dass er sich strafbar gemacht hat. Immerhin hat er seinem Freund zwar Schutzausrüstung mitgebracht. Dies hat er allerdings so interpretiert, dass man ja geschützt sei und deshalb nun brachial loslegen könne. Dass er seinen Freund unnötig gefährdet hat und zugleich noch gegen §324 und §325 StGB verstoßen hat, war ihm entweder nicht klar oder schlicht gleichgültig. Hat ja sonst niemand gesehen und verpackt ist das Zeug schließlich auch vorschriftsmäßig.

Sachkenntnis war also durchaus vorhanden, Sachkunde jedoch nicht. Ein alter Rechtsgrundsatz besagt allerdings – und den kennt nun wirklich jeder – “Nichts zu wissen schützt nicht vor Strafe!”

Rechtslage uneindeutig

Klar ist, dass der Umgang mit Asbest unsachgemäß war. Daran besteht kein Zweifel – und das gilt auch für die beiden Privatpersonen.

Unklar hingegen ist: Hat der Dachdecker als Privatperson gehandelt oder als Dachdecker, nämlich im Rahmen seines Berufes und seiner beruflichen Expertise?

Hätte er als Dachdecker beruflich gehandelt, wäre eine Strafanzeige unausweichlich. Er hätte die Sachkunde nach TRGS 519 Anhang 4 A benötigt, hätte eine Zulassung durch die Behörde und hätte die Arbeiten zusammen mit einem Arbeitsplan, Arbeitsmedizinischer Vorsorge und Gefährdungsbeurteilung zuvor bei der Behörde anzeigen müssen.

Aber hat er rein privat gehandelt? Als Kumpel? Das ist schwierig zu beantworten, denn immerhin ist er Dachdecker und kennt sich offensichtlich wenigstens ein bisschen mit der Materie aus. Er hat durch die Bereitstellung der PSA korrekt gehandelt, aber gleichzeitig durch das Zerschlagen der Platten grob fahrlässig gehandelt.

Wie würde ein Richter die Sache betrachten?

Rechtsbruch? © Heiko Hofmann

Müsste also ein Richter entscheiden, würde dieser wohl genau zu diesem Ergebnis kommen: Aufgrund seines Berufes und seiner Erfahrung hätte der Dachdecker wissen können und sogar müssen, dass die Arbeiten so nicht erlaubt sind. Er hat sich und seinen Freund unnötig gefährdet und obendrein noch argumentiert, seine Ahnen seien viel größeren Belastungen ausgesetzt gewesen und nicht krank geworden.

“Was nicht ist, kann ja noch werden”. Die Spätfolgen dieser Belastungen treten häufig erst 40 Jahre nach der Exposition auf. Den Großvater braucht das (zynischerweise) wohl nicht mehr interessieren, den Vater sehr wohl. Und das soll dann ein gutes Beispiel und Vorbild sein? Der Vergleich mit den Vorfahren ist schlicht dumm und zeugt nicht von Verantwortung, sondern signalisiert eher: “Stell Dich nicht so an!”

Wer haftet?

Wenn der Privatmann wieder Erwarten doch irgendwann krank werden sollte, wer haftet dann? Er selbst, weil er sich falschen Rat geholt hat oder der Dachdecker-Kumpel, der fahrlässig gehandelt und falsch beraten hat?

In diesem Fall entscheidet ein Gericht – wenn es denn angerufen wird…

 

Asbestzementdach selbst abbauen

Dürfen Privatpersonen ein Dach aus Asbestzement selbst abbauen?

Und wenn ja, muss dies bei der Behörde angezeigt werden? – Ein Blick in die Vorschriften

Der Umgang mit Asbest und Produkten daraus ist streng geregelt und nicht immer ist klar, für wen die Regeln nun genau gelten und für wen nicht.

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Generell gilt zunächst für alle Personen, die Umgang mit Asbest haben oder auch planen: Ein Blick in die Rechtsvorschriften schadet nicht!
Eine der wichtigsten Verordnungen in diesem Zusammenhang ist die Gefahrstoffverordnung GefStoffV. Unter §1 “Begriffsbestimmungen” ist geregelt, dass die Verordnung nicht für Privathaushalte gilt. Hier ist aber größte Vorsicht geboten, denn diese Regelung wird in Anhang II “Asbest zum Teil wieder aufgehoben. Wer also die GefStoffV gleich nach §1 wieder weglegt und mit den Arbeiten loslegt, begibt sich auf dünnes Eis.

Gemäß Anhang II gilt die GefStoffV nämlich auch für Privathaushalte genau dann, wenn es sich um sogenannte ASI Arbeiten handelt, als Abbruch, Sanierung und Instandhaltung, also auch den Abbruch eines Asbestzementdaches im Privathaushalt. Dazu gehört selbstverständlich auch der Schuppen auf dem eigenen Grundstück!

Wenn also die GefStoffV gilt, gilt in diesem Zusammenhang auch die TRGS 519 “Asbest – Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten“. Leser Sie dazu auch das Kapitel “Rechtsvorschriften”

Daraus ergeben sich 2 weitere Fragen, nämlich:

  1. Brauchen Privatpersonen die in der TRGS 519 geforderte Sachkunde?
  2. Müssen Privatpersonen die geplanten Arbeiten bei der Behörde anzeigen?

Sachkunde – ja oder nein?

Die Antwort auf diese Fragen ist tatsächlich nicht einfach – daher müssen wir uns zunächst damit beschäftigen, welchen Hintergrund diese Regeln haben.

Die Gefahrstoffverordnung und in diesem Zusammenhang die TRGS 519 dienen in erster Linie dem Arbeitsschutz. Und dabei geht es auch um die Haftung von Arbeitgebern gegenüber ihrer Mitarbeiter. Wem gegenüber sollen aber Privatpersonen haften, wenn sie keine Mitarbeiter haben?

Eine Haftung wird aber immer dann relevant, wenn Dritte durch die eigenen Handlungen gefährdet werden. Und eine Gefährdung Dritter ist dann wahrscheinlich, wenn Asbestfasern durch die Arbeit freigesetzt werden und Dritte dieser Belastung ausgesetzt sind – und zwar zunächst unabhängig von der Menge des freigesetzten Schadstoffes!

Wenn Sie also als Privatperson Arbeiten an Asbest ohne Sachkenntnis durchführen und Dritte gefährden,  weil Sie die arbeiten dann ggf. unsachgemäß ausführen, ist dies unsachgemäßer Umgang mit Asbest. Im Fall der GefStoffV ist dies eine Ordnungswidrigkeit!

Hinzu kommt nun noch das Strafrecht: Nämlich die §§ 324 und 325 StGB: “Gewässerverunreinigung”, “Bodenverunreinigung” und “Luftverunreinigung”. Ohne hierbei ins Detail zu gehen und zu klären, ob dies in beachtlichem Umfang geschieht oder nicht oder ob jemand dabei tatsächlich zu Schaden kommt oder nicht, sollten hier die Alarmglocken läuten. Am Ende entscheidet dies ein Richter oder eine Richterin und soweit muss es nicht kommen!

Um also Arbeiten an Asbestzement im privaten Umfeld durchzuführen benötigen Sie Sachkenntnis, um Dritte nicht zu gefährden. Wenn Sie diese Sachkenntnis haben und dies im Zweifel auch nachweisen können, müssen Sie nicht unbedingt die Sachkundeschulung besucht und bestanden haben. Besser wäre das jedoch, denn nur dann können Sie nachweisen, dass Sie nicht unsachgemäß vorgegangen sind und alle Maßnahmen zum Schutz Dritter und der Umwelt getroffen haben.

Anzeige an die Behörde – ja oder nein?

Diese Frage ist durchaus schwieriger zu beantworten:

Hierbei müssen wir uns die Frage stellen, worum es der Behörde (Gewerbeaufsicht) tatsächlich geht. Die Antwort steckt bereits im Begriff “Gewerbeaufsicht”. Sie interessiert sich für Gewerbetreibende. Warum sollte sie sich auch noch um Privathaushalte kümmern?

Auch hier geht es um Arbeitsschutz – und solange Sie “bestenfalls” nur sich selbst gefährden, aber die Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist, tritt auch keine Haftung gegenüber Dritten ein. Allerdings dürfen Sie auch die Umwelt nicht belasten, denn sonst könnten ja über “Umwege” Dritte gefährdet werden.

Zudem fordert die Anzeige an die Behörde Maßnahmen, die Privatpersonen gar nicht erfüllen können wie zum Beispiel:

Unternehmensbezogene Anzeige: Damit zeigt ein Unternehmen an, dass Arbeiten an Asbest ausschließlich durch geschulte Mitarbeiter*innen unter den geforderten Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, alle eine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt haben, eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt, die erforderlichen technischen Schutzmaßnahmen und das dazu nötige Gerät vorhanden und zugelassen ist sowie das Unternehmen auch eine Zulassung erhalten hat.

Objektbezogene Anzeige: Damit zeigt das Unternehmen die geplanten Arbeiten bei der Behörde 7 Tage vor Beginn der Arbeiten an und legt dazu eine Liste der Beschäftigten Mitarbeiter*innen, die Benennung einer verantwortlichen Aufsichtsperson mit der nötigen Sachkunde samt Nachweis, das Schutzkonzept, alle erforderlichen Nachweise, einen Arbeitsplan mit Angaben von Ort, Zeit und Dauer, die erwartete Faserfreisetzung, eine Gefährdungsbeurteilung, etc. vor.

Das kann eine Privatperson gar nicht leisten. Dennoch dürfen Dritte nicht gefährdet werden – und dafür sind auch Privatpersonen verantwortlich und haftbar.

Letztlich hat trotz allem die örtliche Behörde das letzte Wort.

Hypothetisches Fallbeispiel

Angenommen Sie bauen Ihr Asbestzementdach ab und jemand hilft Ihnen dabei. Nun beobachtet der Nachbar die Arbeiten und sieht, dass dies (aus seiner Sicht oder auch mit Sachkenntnis) nicht sachgemäß durchgeführt wird. Er fühlt sich belästigt und sogar durch Faserfreisetzung gefährdet und ruft die Polizei. Wenn dazu noch beobachtet wird, ob dabei Asbestzementplatten zerbrochen sind und kreuz und quer auf dem Boden herumliegen, hat man schlechte Karten.

Asbestzement im Wald entsorgt

Zerbrochene Asbestzemetplatten im Wald zu entsorgen ist eine Straftat! © Heiko Hofmann

Dann kommt natürlich die Polizeit vorbei und stellt Fragen. Die Anzeige an die Behörde erfolgt dann durch die Polizei und zwar nicht im Sinne der TRGS 519, sondern im Sinne der Polizei. Dann wird geprüft, ob eine Ordnungswidrigkeit oder sogar ein Straftatbestand vorliegt. Das muss nicht sein!

Besser vorher nachfragen

Daher ist man auf jeden Fall gut beraten, sich vorab zu erkundigen, ob man unter welchen Bedingungen selbst Hand anlegen darf. Fragen kostet nichts und auch bei der Gewerbeaufsicht wird man nicht gleich angebellt. Im Gegenteil: Es kommt gut an, wenn man sich darum kümmert, alles richtig zu machen und Fachleute fragt.

 

Neue Branchenlösung “Asbest beim Bauen im Bestand”

Im November 2021 hat die BG Bau (Berufsgesnossenschaft der Bauwirtschaft) in Zusammenarbeit mit der BG ETEM (Energie Textil Elektro Medienerzeugnisse) und der BGH (Holzwirtschaft) eine neue Branchenlösung “Asbest beim Bauen im Bestand” herausgegeben.

Diese Handlungshilfe ist insbesondere für alle Handwerksbetriebe interessant, die Mitglieder dieser Berufsgenossenschaften sind. Der Download ist generell für alle frei.

Branchenlösung “Asbest beim Bauen im Bestand”

Neben der aktuellen Branchenlösung finden Sie unter diesem Link auch zahlreiche weitere Informationen der Berufsgenossenschaften zum Thema Asbest.

Auszug:

“Asbest beim Bauen im Bestand – wirksame Maßnahmen ergreifen”

“Berlin, 24.11.2021 – Obwohl die Verwendung von Asbest seit dem Jahr 1993 verboten ist, kommen Beschäftigte beim Bauen im Bestand auch heute damit in Kontakt. Dabei können unbewusst asbesthaltige Materialien bearbeitet und dadurch gefährliche Faserstäube freigesetzt werden. Umso wichtiger sind wirksame Schutzmaßnahmen. Aufklärung und eine Handlungshilfe für die Praxis bringt jetzt eine neue Branchenlösung.”

Weitere Informationen bei der BG Bau

 

Neuer Fall eines falschen Analysberichtes

Anlass: Kindergeburtstag

Stellen Sie sich vor, Ihre Kuchen-Deko enthielte Asbest © Annika1707 auf Pixabay

Eine Kundin (die anonym bleiben möchte) hatte an einem Kindergeburtstag eine Geburtstagstorte mit einer sogenannten Sprühkerze (bzw. Eisfontäne, Eissterne) aufgetischt. Die Verpackung der Kerzen trug ein CE-Kennzeichen.

Nach dem Abbrennen der Kerze blieb auf dem Kuchen und an der Kerze ein Niederschlag (Asche) übrig. Die Kundin machte sich Sorgen und sendete eine Probe des Niederschlages an ein akkreditiertes Analyselabor mit dem Auftrag, diese per REM auf Asbest zu untersuchen.

Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Überraschendes Ergebnis

Laut Analysebericht wurde Amphibolasbest (Tremolit) nachgewiesen. Als Nachweisbarkeitsgrenze wurde 0,1% angegeben, eine Klassifizierung in die Mengenklassen 1 bis 5 erfolgte nicht.

Ein Blick in den Analysebericht ließ jedoch Zweifel bei mir aufkommen: Die Spezifikationen für WHO-Fasern waren nicht erfüllt. Das untersuchte Partikel hatte einen Durchmesser von 10μ (erlaubt maximal 3μ) und eine Länge von rund 30μ. Das Partikel war deutlich zu groß um als Faserstaub “durchzugehen”.

Das EDX Diagramm zeigte zwar die “richtigen” Elemente an, nämlich Si, Mg und Ca. Dies sind jedoch Elemente, die in nahezu allen Silikaten typisch sind. Elemente, die jedoch ohne die passende Morphologie der Partikel im Bild, nämlich nadelige Strukturen, nicht ohne genaue Überprüfung als Amphibolasbest indentifiziert werden dürfen. Das ist schlicht fahrlässig.

Im Fall der Kundin sorgte dies für schlaflose Nächte und ein paar andere Beschwerden. Hätte sich dies um eine Analyse des Herstellers im Zuge der Qualitätssicherung gehandelt, wäre der Schaden wegen der rechtlichen und arbeitschutz-bedingten Konsequenzen beachtlich gewesen.

Das Analyselabor verbietet die Veröffentlichung der Ergebnisse – auch auszugsweise, daher können das Bild und das EDX Diagramm hier nicht präsentiert werden.

Labor räumt Fehler ein

Nach meiner Einschätzung telefonierte die Kundin mit dem Labor und schilderte die Bedenken. Dort räumte man ein, dass das Ergebnis fehlerhaft sei und die Spezifikationen der WHO-Fasergeometrie nicht efüllt sei. Das untersuchte Partikel sei in der Tat viel zu groß und hatte nicht die typische Nadelform von Amphibol-Asbest. Es handle sich definitiv nicht um Asbest.

Immerhin.

Dennoch: Die Konsequenzen fehlerhafter Analyseberichte und Gutachten können sehr üble Konsequenzen (finanzielle und gesundheitliche – wegen der psychischen Belastung) nach sich ziehen. Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Offenbar nehmen dies viele Labore nicht wirklich ernst, bevor sie einen positiven Bericht (im negativen Sinne) herausgeben.

Die besondere Tragik

In diesem Fall wäre die besondere Tragik, dass es ein Vergnügungsprodukt ist, das aktuell im Internet bestellt werden kann. Durch das Abflammen werden viele Partikel in der Atemluft verteilt und können eingeatmet werden (oder ziehen Sie eine FFP2 Maske auf, wenn Sie Feuerwerk abbrennen oder die Wunderkerzen auf dem Kuchen anzünden?).

Da das Produkt aktuell im Handel erhältlich ist, hätten sich sowohl der Hersteller als auch der Händler strafbar gemacht, weil sie gegen REACH, CLP und Gefahrstoffrecht verstoßen hätten, indem sie Asbestprodukte herstellen, in Verkehr bringen und verwenden. Ihnen hätte eine Anzeige gedroht und die Produkte hätten unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Falsche und fehlerhafte Gutachten

Leider keine Ausnahme!

Leider kein Einzelfall mehr: Es kommen mehr und mehr falsche oder fehlerhafte Gutachten, auch von akkreditierten Laboren, in Umlauf.

Warum das so ist, darüber kann man nur spekulieren. Wahrscheinlich ist aber: Wegen der strengen Gesetze und Regeln zum Umgang und Abbruch von Asbest werden immer mehr Gutachten gebraucht. Das ist inzwischen ein beachtlicher Markt, auf dem sich auch Labore tummeln, die nicht auf erfahrene Analytiker zurückgreifen können und die den Aufwand und die Komplexität der erforderlichen Analyse unterschätzen.

Die Erfahrung und die Zeit, die man sich für eine gute Analyse nimmt, sind fundamental wichtig, um die Ergebnisse so zu interpretieren, dass sie auch Sinn ergeben.

In den meisten Fällen kann ein Laie nicht überprüfen oder nachvollziehen, ob das Ergebnis Sinn ergibt oder nicht. Um so wichtiger ist es, ein Labor zu beauftragen, das über höchst qualifiziertes Personal und eine sehr gute Ausstattung verfügt. Es lohnt sich, hier unter Umständen mehr Geld zu investieren.

Was Schnelltests für zuhause können und was nicht und warum man dabei sehr vorsichtig sein sollte erfahren Sie im Blog-Beitrag.

Authentisches Fallbeispiel

Ein Unternehmen stellt einen polymerbasierten Kunstharz her, der standardmäßig mit 20% Talkum als Füllstoff versetzt wird. Zur Qualitätssicherung wird das Produkt regelmäßig mit Rasterelektronenmikoskpie untersucht. REM erlaubt nicht nur die optische Analyse mit einem Bild, sondern auch die Kontrolle der chemischen Zusammensetzung. Das Unternehmen sendet hierfür regelmäßig eine Probe an ein akkreditiertes Analyselabor.

REM und EDX Analyse © Eigentümer bleibt einvernehmlich anonym

Das offizielle Ergebnis des Gutachtens lautete: 20% Amphibol-Asbest.

Folge

Der Hersteller handelte richtigerweise sofort und stellte die Produktion ein. Mitarbeiter wurden nach Hause geschickt. Einige machten sich Sorgen und suchten einen Arzt auf, weil sie befürchteten, einer Asbestexposition ausgesetzt gewesen zu sein, zumal bei der Produktion das Talkum als Schüttware beigement wird und es zur Staubentwicklung kommt.

Bei den verantwortlichen Personen (u.a. Arbeitsschutz und Qualitätssicherung) stellte sich sofort die Frage: Wie kommt auf einmal Asbest in das Produkt?

Die Wahrheit

Ich wurde daraufhin beauftragt, eine Stellungnahme zu dem Sachverhalt abzugeben und konnte den Hersteller beruhigen, dass es sich hierbei keineswegs um Asbest handelt (schon gar kein Amphibolasbest), sondern schlicht um das absichtlich beigemengte Talkum.

Warum?

  1. Das Ergebnis des Gutachtens lautete 20% Asbestanteil (bei 20% beigemengtem Talkum). Das müsste einen erfahrenen Analytiker zumindest aufmerksam machen.
  2. Auf dem REM Bild sind keine Fasern zu sehen, sondern ein Schichtsilikat von der Seite. Ein erfahrener Analytiker kann das unterscheiden.
  3. Im EDX Diagramm (chemische Zusammensetzung) ist die typische Zusammensetzung von Talkum eindeutig nachgewiesen. Ein erfahrener Analytiker und Mineraloge weiß das. Der Gegentest mit einem Amophibol-Asbest kann ausgeschlossen werden.

Doch im Detail:

Zu 2:

REM Bild der Analyse

REM Aufnahme: Muskovitkristall in Montmorillonit © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

In beiden Bildern erkennt man sehr gut die dünnen Schichten und Stapel eines typischen Schichtsilikates (wie ein Stapel Papier) und Talkum ist ein solches typisches Schichtsilikat. Asbestfasern bzw. Asbestnadeln sehen hingegen so aus:

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

REM Aufnahme von Anthophyllit © USGS Lizenz CC0 (gemeinfrei)

Zu 3.

Legt man im EDX Diagramm ein Spektrum von Talk über das gemessene Spektrum der Analyse bekommt man nahezu vollständige Übereinstimmung (die Peakhöhe des Sauerstoffs kann abweichen, weil die Analytik vermutlich in einem ESEM unter Teilatmosphäre gemessen wurde und Luftsauerstoff mitgemessen wird – die eher schlechte Bildqualität deutet darauf hin). Ausschlaggebend ist aber das Peakverhältnis von Mg und Si.

EDX Analyse mit Overlay eines EDX Spektrums von Talk © Montage Heiko Hofmann

Legt man hingegen das EDX Spektrum eines typischen Amphibol Asbestes darüber (z.B. Aktinolith) ist die Übereinstimmung falsch. Mehr noch, das nötige Calcium (Ca) fehlt im EDX Diagramm der Analyse. Ein Ausschlusskriterium.

Analyse mit Overlay des EDX Spektrums von Aktinolith © Montage Heiko Hofmann

Der Analytiker hat also das absichtlich beigemengte Talkum fälschlich als Asbest identifiziert und schriftlich begutachtet.

Die Konsequenz

Der Auftraggeber hat hingegen alles richtig gemacht und schnellstmöglich für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Mitarbeiter gesorgt.

Gelegenheit zur Nachbesserung – aber ohne Einsicht

Aufgrund meiner Stellungnahme wurde dem Analyselabor ein weiteres Aliquot derselben Probe zugesendet mit dem Auftrag dies zu analysieren. Außerdem wurden sie über meine Stellungnahme informiert. Das Ergebnis fiel diesmal negativ aus, obwohl es sich um einen Teil derselben Probe handelte.

2 weitere Gutachten von unabhängigen Laboren fielen ebenfalls negativ aus und bestätigten meine Beurteilung der Originalanalyse.

Dennoch blieb das Analyselabor bei seinem ursprünglichen Gutachten und wollte den eindeutigen Fehler nicht eingestehen. Es behauptete nach wie vor, in der ersten Analyse sei 20% Asbest nachgewiesen worden.

Aus anlytisch wissenschaftlicher Sicht ist das nicht nur grob unwissenschaftlich im Sinne von wissenschaftlichem Fehlverhalten und Verstoß gegen den wissenschaftlichen Codex, es ist glatt gelogen und auch grob fahrlässig.

Es mag sein, dass anfangs ein unerfahrener Analytiker mit der Auswertung beauftragt wurde. Doch spätestens nach der Reklamation muss sich zwangsläufig ein erfahrener Analytiker damit befasst haben. Dennoch hat das Analyselabor bzw. die Geschäftsleitung entschieden, den Fehler nicht einzuräumen. Warum? Das kann man sich sozusagen an 3 Fingern abzählen: Schadenersatz.

Fazit

Der Analytiker ist generell (zumindest moralisch) verpflichtet und hat die Verantwortung, insbesondere bei derartigen Konsequenzen, sein eigenes Ergebnis zu hinterfragen und vor allem durch das Ausschlussverfahren alle anderen möglichen Fehlerquellen auszuschließen. In so einem Fall ist das Ergebnis nur dann als korrekt anzusehen, wenn einzig Asbest als Analyseergebnis übrig bleibt. Dies wurde hier nicht geprüft – und das ist grob fahrlässig.

Das Problem ist aber auch, dass Auftraggeber auf die seriöse Arbeit und fachliche Kompetenz der Gutachter und Analytiker angewiesen sind, denn Sie beauftragen ja Experten, gerade weil sie sich selbst nicht gut genug auskennen oder über die Analytik verfügen oder das Ergebnis beurteilen können – und genau dafür bezahlt man mitunter sehr hohe Preise.

Der Schaden war jedoch angerichtet und die Folgekosten gingen in einen 6-stelligen Bereich.