Archiv der Kategorie: Asbest im privaten Umfeld

Wieviele Fasern werden frei?

Die ist eine der häufigsten Fragen im Zusammenhang mit Asbest – und gleichzeitig eine der am schwersten zu beantwortenden Fragen.

Es gibt zahlreiche Tabellen in verschiedenen Fachbüchern und noch mehr Infos im Internet. Aber alle sind nur Annäherungen, die zum Teil auf Messungen beruhen und zum Teil auf Schätzungen. Diese Daten sind nur bedingt hilfreich, weil sie sehr viele pauschale Annahmen beinhalten sowie Mittelwerte aus wenigen tatsächlichen Messungen, aber nie die individuelle Situation.

Viele unbekannte Faktoren

Zu viele Faktoren spielen bei der Betrachtung einer möglichen Faserfreisetzung eine Rolle. Noch mehr Faktoren kommen zusammen, wenn man zusätzlich betrachten will, ob und wieviele Fasern tatsächlich eingeatmet werden (können).

Man benötigt Informationen über

  • Die Asbestart
  • Wieviel Asbest ein Produkt enthält
  • Die spezifische Dichte der gemischten Materialien
  • Wie fest oder leicht eingebunden das Asbest ist, also wie leicht es freigesetzt werden kann
  • Ob und wie das Produkt bearbeitet wurde
  • Die Größe des Raumvolumens
  • Ob der Raum belüftet war und wie groß der Luftaustausch im betroffenen Raum ist / war
  • Wieviel des Asbestes aufgrund der Partikelgröße schnell zu Boden sinkt und wieviel davon in der Luft bleibt – das ist die sogenannte Korngößenfraktion

Wenn es darum geht, wieviel man tatsächlich einatmet oder einatmen kann:

  • Ihren “Luftaustausch”, also Ihr Atemvolumen pro Zeitintervall
  • Ob Sie sich geschützt haben, z.B. welche Maske
  • Wie gut der Atemschutz selbst ist / war
  • Wie gut der Atemschutz getragen wurde
  • Andere Faktoren wie z.B. ein Bart, der die Wirkung des Atemschutzes verhindert
  • Das individuelle persönliche Verhalten

All diese Parameter gleichzeitig zu bestimmen, ist kaum möglich, nicht einmal in einen kontrollierten Versuchsaufbau. Deshalb ist eine Abschätzung ohne Messung ebenfalls kaum möglich. Es gibt zwar einige “Erfahrungswerte”, jedoch müssen auch diese immer auf Beispielmessungen beruhen und die Bedingungen der Vergleichsmessung müssen ungefähr mit denen der eigenen Betrachtung übereinstimmen.

Der wichtigste Parameter für diese Bestimmung ist also nach wie vor eine Messung der Faserzahl in der Raumluft – und zwar zum Zeitpunkt des Aufenthaltes in diesem Raum. Nur dann kann man streng genommen sagen, wieviele Fasern man tatsächlich auch einatmen kann.

Nun hält man sich nicht zum Zeitpunkt einer Messung im selben Raum auf – das ist den Sachverständigen und Analytikern vorbehalten. Und selbst diese sind umfänglich geschützt und halten sich nicht unnötig lange im selben Raum auf, allenfalls zum Aufbau der Apparatur und einer sogenannten Nutzungsimulation.

Eine Messung ist jedoch aufwändig und nicht fehlerfrei. Dies ist zwar die aussagekräftigste Methode, eine Faserbelastung festzustellen, aber gleichzeitig auch die am wenigsten “anwenderfreundliche”.

Wie kann man den Fasergehalt eines Produktes abschätzen?

Wie kann man also vorgehen, wenn man keine Messergebnisse hat und keine Vergleichsdaten aus Tabellen vorliegen?

Asbestzement im Detail @ Heiko Hofmann

Ein Ansatz wäre doch die Überlegung, wieviele WHO-Fasern in einer bestimmten Menge eines Produktes vorhanden sind, wenigstens annähernd. Die Größe der lungengängigen WHO-Fasern ist definiert. Wieviel von welchem Produkt in Staub umgewandelt wurde, kann man auch ungefähr bestimmen. Vereinfacht gesagt, muss man die Fasern im freigesetzten Staub “zählen” und deren Größe bestimmen. Und das geht mit etwas Geometrie und Mathematik. Dabei muss man aber berücksichtigen, dass noch immer viele Annahmen gemacht werden müssen, weil man die Fasern ja nicht wirklich “zählt” und die Größe misst. Selbst wenn das ginge, es würde eine Weile dauern, bis man bei 12 Milliarden ist – und wenn man sich zwischendurch verzählt, beginnt man von vorne.

Die folgende Betrachtung ist deshalb auch “nur” theoretisch (unter Einbeziehung einiger bekannter Parameter) und kann nur einen Eindruck vermitteln, um welche Größenordnung der Faserzahlen es geht.

Dazu benötigt man einige Informationen über das Material und etwas Mathematik.

Wie fängt man an?

Zunächst muss man überlegen, wie der Rohstoff aufgebaut ist und welchen Zweck er erfüllen soll. Dabei kommt die Frage auf, wobei oder wann genau Fasern frei werden.

  • Immer dann, wenn der Stoff oder das Produkt bearbeitet wird.
  • Wie der Stoff bearbeitet wird, bestimmt, wie fein die einzelnen Fasern aufgespleißt werden (können).

Wieviele Fasern “passen” in einen Asbestkristallwürfel?

Chrysotilkristall © Tony Rich, Asbestorama

Im Kapitel über Asbestminerale wird ausführlich auf die Mineralogie eingegangen. Dort wird erläutert, dass Asbestfasern, insbesondere Chrysotil, sehr sehr dünn sind, aber gleichzeitg im Verhältnis auch sehr sehr lang. Wie Baumwolle, nur viel feiner.

Genau deshalb war (bzw. ist) Chrysotil ein ideales Mateial – weil man sogar Textilien daraus herstellen konnte. Die langen Fasern (cm-Maßstab) waren ein Qualitätsmerkmal: Man wollte, dass die Fasern lang bleiben und sie nicht absichtlich so lange zermahlen, bis Pulver daraus wurde.

Chrysotil unter dem Transmissionselektronenmikroskop (TEM) © JEOL

Angenommen, man schneidet aus einem Asbestkristall einen kleinen Würfel mit einer Kantenlänge von 1 mm heraus, wieviele dieser feinsten Fasern können darin enthalten sein?

Der Durchmesser einzelner Chrysotilröllchen (“Fibrillen”) beträgt im Duchschnitt ca. 2030 Nanometer (nm). Es sind “Nanoröhrchen”. Um diese feinsten Fasern von dem Begriff der WHO-Fasern zu unterscheiden, wird hier der Begriff “Elementarfasern” verwendet.

Um später berechnen zu können, wieviele dieser Elementarfasern oder WHO-Fasern eine Gewichtseinheit wie z.B. ein Gramm oder ein Milligramm enthält, benötigt man das spezifische Gewicht des Material bzw. seine Dichte. Die spezifische Dichte von Chrysotil beträgt genau 2,53 Gramm / cm3.

Wäre ein Würfel mit dem Volumen (1mm3) mit Wasser (spezifisches Gewicht = 1 g/cm3) gefüllt, würde dieser genau 1 mg (Milligramm) wiegen. Ein mit Chrysotil gefüllter Würfel von 1mm3 wiegt demnach gerundet 2,50 mg.

Herleitung der maximal möglichen Faserzahl im Rohstoff

Nun muss man Annahmen machen: z.B.

  • Die Faserlänge: Chrysotilfasern können sehr lang werden – sehr viel länger als ihr Durchmesser. Zur Vereinfachung kann man also annehmen, dass die Fasern durchaus 1mm Länge erreichen können, also die komplette Kantenlänge unseres Würfels. Um Textilien aus Asbestfasern herzustellen, müssen sie noch viel länger sein… Zentimeter!
  • Die Faserform: Zusätzlich nehmen wir an, es handelt sich um quadtratische Stäbchen und nicht um Röllchen. Der Einfachheit halber soll der durchschnittliche Durchmesser der Stäbchen 20 nm (Nanometer) betragen. Auf dem Bild oben kann man sehen, dass praktisch keine Hohlräume da sind und deshalb die Annahme der Stäbchenform angewendet werden kann.
  • Die Partikelgrößenverteilung: In der Natur sind nicht alle Elementarfasern gleich dick und lang. Die Partikelgrößenverteilung ist sehr komplex und schwer zu bestimmen. Man müsste tausende einzelne Fasern ausmessen und zählen. In der Natur sind viele Partikelgrößen (Kristalle, Sandkörner, Aerosole, etc.) “lognormal” verteilt. Ohne im Detail darauf einzugehen: Dies ist eine Verteilungskurve von Partikelgrößen, bei denen mehr feine Partikel als große Partikel vorliegen. Die Kurve wäre auf ihrer linken Seite steil und auf der rechten flach, wenn man die Partikelgröße auf der unteren Achse aufträgt und die Häufigkeit auf der senkrechten Achse. Bei der Betrachtung hier wird von einer durchschnittlichen Größe von 20 nm ausgegangen.

Modell Chrysotil Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Die Frage ist also, wieviele dieser Röllchen (bzw. Stäbchen) passen auf eine Fläche von 1mm2 – denn nach der Annahme sind die Stäbchen ja 1 mm lang (oder länger).

Als Zwischenschritt kann man noch ausrechnen, wieviele dieser Stäbchen auf einer Länge von 1 mm nebeneinander passen und diesen Wert dann mit sich selbst multiplizieren:

  • 1 mm / 0,00002 mm = 50.000 Fasern.

Das Ganze zum Quadrat (^2):

  • 50.000 x 50.000 = 2.500.000.000 Fasern pro mm2.

Ein Würfel mit 1 mm Kantenlänge kann also gerundet bis zu 2.5 Milliarden dieser feinsten Elementarfasern enthalten, wenn die Fasern alle 1 mm lang sind.

Diese Zahl würde sich entsprechend eröhen, wenn diese “Modellfasern” kürzer als 1 mm sind. Dazu später…

WHO Fasern

Betrachten wir die WHO-Fasern. Die WHO interssiert sich nur für die Partikel , die in die Lunge gelangen können um dort Schaden anzurichten. Dabei muss man 3 Größen unterscheiden, denn in die Atemwege gelangt alles, was man einatmet. Nur ein kleiner Teil davon schafft es jedoch in die tiefsten Regionen der Lunge, in die Lungenbläschen oder Alveolen.

Die größten Partikel (> 10 µm) sind zu groß, um die tiefen Lungenregionen erreichen zu können. Nur noch maximal 1% der Fasern gelangt tiefer in die Lunge. 99% werden gleich zu Beginn beim Einatmen an den Naserhärchen oder der Nasenschleimhaut oder in den mittleren Atemwegen abgeschieden und können mit dem Sekret abtransportiert werden.

Die Partikel <10 µm und >0,1 µm können die Alveolen erreichen. Die Lungenbläschen sind am “Eingang” geformt wie eine Art Flaschenhals. Fasern, die hindurchpassen – das hängt von der Länge und von deren Orientierung im Luftstrom ab, gelangen eventuell hinein, beim Ausatmen aber möglicherweise nicht mehr hinaus.

Von Partikeln <0,1 µm wird angenommen, dass sie in der Luft bleiben und wieder ausgeatmet werden.

Es ist also nur ein sehr kleiner Bruchteil mit einer ganz bestimmten Partikelgröße, der in die Regionen der Lunge vordringen können, wo sie Schaden anrichten können (nicht müssen) – und auch dies hängt von der Menge ab!

Die WHO hat deshalb eine bestimmte Fasergeometrie als lungengängig und potentiell alveolengängig definiert:

  • Durchmesser d (WHO): < 3µm
  • Länge l (WHO): > 5 µm (und < 10 µm)
  • Verhältnis l : d (WHO): > 3 : 1

Alveolengängige Fraktion nach DIN EN 481 © Stefan Pohl, Wikimedia Commons

Die blaue Linie zeigt wie effektiv (in %) Partikel mit einer Größe bis 10 µm in die Alveolen gelangen können. Die kleinsten mit weniger als 1µm zu fast 100%, die größten mit 10 µm nur noch zu1%. Das bedeutet, dass nur ein Bruchteil der Partikel, die eingeatmet werden (violette Linie), auch in die Lungebläschen vordringen können. Die Partikelfraktion der grünen Linie gelangt immerhin in die oberen Atemwege.

Wie viele WHO-Fasern passen in einen Kristall-Würfel mit 1mm Kantenlänge?

Modell Chrysotil-WHO-Einheits-Fasern – gleich dick und gleich lang © Heiko Hofmann

Der Einfachheit halber nehmen wir als Länge einmal 10 µm an. In 1 mm passen also 100 Faserstücke mit jeweils 10 µm Länge übereinander.

  • 2.500.000.000 x 100 = 250.000.000.000 Fasern

Diese Betrachtung berücksichtigt jedoch nur die oben genannten einzelne Elementarfasern (Fibrillen). In der Realität ist es jedoch kaum möglich, wenn nicht unmöglich, das Material so zu bearbeiten, so dass im Ergebnis alle Fasern einzeln vorliegen und auch noch alle gleich groß sind. Da die Partikelgrößenverteilung jedoch nicht bestimmbar ist, muss man von Durchschnittswerten ausgehen.

Annahme für die Berechnung:

  • Durchmesser d = 2 µm (WHO: < 3µm)
  • Länge l = 10 µm (WHO: > 5 µm)
  • Verhältnis l : d = 5 : 1 (WHO: > 3 : 1)

Unter Berücksichtigung der WHO Definition und eigener vereinfachter Annahmen erhält man also eine mögliche WHO-Faserzahl von 25.000.000 (= 25 Millionen Fasern) pro Würfel bei einer Kantenlänge von 1 mm, einem Faserbündeldurchmesser von 2 µm und einer Faserlänge von 10 µm.

Wie bereits erwähnt: Das ganze Material müsste so stark aufgemahlen werden, dass ausschließlich Fasern mit WHO Geometrie erzeugt werden. Die Natur hält sich jedoch nicht an solche Vorgaben und technisch werden auch nicht lauter gleich große Fasern erzeugt, sondern lauter unterschiedlich Große. Viele Partikel sind kleiner als die WHO Definition und werden ausgeatmet, andere sind viel größer, zu groß, um tief in die Lunge zu gelangen.

Trotzdem wollen wir zunächst berechnen, wieviele WHO Fasern in einem Würfel enthalten sein können, unabhängig davon, ob man später alle einzelnen Fasern herausbekommt. Außerdem liegt die Annahme zu Grunde, dass alle Fasern gleich dick sind. Sind sie aber nicht – dieses Modell betrachtet nur die durchschnittliche Größe.

Im nächsten Schritt berechnen wir also, wieviele WHO-Fasern 1 mg eines Asbestkristalls enthält: Dazu teilt man durch die spezifische Dichte und erhält:

  • 25.000.000 / 2,5 = ca. 10.000.000 Fasern / mg

Das bedeutet, dass ein reiner Asbestkristall-Würfel mit 1 Milligramm Masse 10 Millionen WHO-Einheits-Fasern enthalten kann. Berücksichtigt man jedoch, dass man es mit einer Partikelgrößenverteilung zu tun hat mit Größen zwischen 20 Nanometer und 10 Mikrometer, kann die tatsächlich Partikelzahl noch höher liegen.

Anteile ausrechnen

Modell Chrysotil Fasern – verschieden dick und verschieden lang © Heiko Hofmann

Die bisherige Betrachtung ist der Worst-Case  und sagt nichts darüber aus, ob die Fasern auch frei werden und vor allem, ob diese auch in WHO Größe entstehen. Hinzu kommt, dass

  • die Fasern in der Natur nicht alle gleich lang und dick sind,
  • die Asbestprodukte nur zum Teil aus Asbest bestehen und
  • man bei der Produktherstellung an den langen Fasern interessiert war und nicht an den kurzen,
  • in einem Asbestkristall  die Fasern auf natürliche Weise parallel und ohne Luft dazwischen wachsen. Sie sind praktisch dicht gepackt
  • in einem Asbest-Produkt  die Fasern aufbereitet, aufgelockert, aufgemahlen sind und im fertigen Produkt nicht dicht gepackt und parallel vorliegen, sondern kreuz und quer übereinander mit viel Zwischenraum.

 

Entweder der Zwischenraum wird bei der Produktherstellung mit einem anderen Stoff gefüllt (die Fasern werden also eingebettet), oder sie bleiben relativ locker (kaum Bindemittel, geringe Produktdichte).

Chrysotil-Fasern im REM © USGS

Auf dem Bild rechts bekommt man einen Eindruck, wie locker Chrysotilfasern in einem Produkt gepackt sind. Außerdem kann man die Länge bestimmen: Länger als 100 µm!

Die feinen, lungengängigen Fasern enstehen also erst bei und durch die mechanische Bearbeitung!

Im Produkt selbst befinden sich hauptsächlich sehr lange Fasern, die noch nicht lungengängig bzw. alveolengängig sind.

Asbestgehalt im Produkt

Bisher wurde nur das Volumen betrachtet. Der Asbestgehalt in einem Produkt wird aber in Gewichtsprozent angegeben.

Asbestzement enthält ca. 10 % Asbest. 1 Gramm Asbestzement bestehet demnach zu 0,1 Gramm aus Asbest mit einer Dichte von 2,5 g/ cm3 und die restlichen 0,9 Gramm aus Zement mit einer Dichte von 3 g/cm3. Man muss also die Masse verwenden und nicht das Volumen.

Zusätzlich wird die Berechnung kompliziert, da ja nicht alle Fasern gleich dick und gleich lang sind. Auch hier kann man sich nur mit einem Mittelwert annähern.

Tatsächlich werden beim Bearbeiten sehr viel weniger Fasern freigesetzt – und dabei handelt es sich um Faserbündel unterschiedlicher Größe. Wieviele Fasern freigesetzt werden hängt nun davon ab:

  • Wieviel Material “zerkleinert” wird. Also wieviel Material wird beim Bearbeiten sprichwörtlich “pulverisiert”?
  • Dies wiederum hängt davon ab, wie das Material bearbeitet wird, also wie gut das Mateial pulverisiert wird. Beim Sägen und Flexen wird viel Material pulverisiert, beim Brechen weniger (aber immer noch genug), durch natürliche Verwitterung nur wenige 100 Fasern.

Konkrete Zahlen

1) Der Erste Schritt, um zu einer aussagekräftigen, realistischen Zahl zu kommen, ist eine relativ genaue Abschätzung, wieviele Milligramm oder Gramm des Produktes oder welches Volumen pulverisiert wurde.

2) Der Zweite Schritt ist, diese Zahl mit dem prozentualen Anteil des Asbestes in der Probe zu multiplizieren.

3) Im dritten Schritt muss man eine Annahme machen, wie leicht Asbestfasern freigesetzt werden können (Freisetzungspotential) und welcher Anteil der freigesetzten Fasern die WHO Geometrie erfüllt. Dies ist der unsicherste Teil und mit einem großen Fehler behaftet.

4) Der vierte Schritt ist nun die Bestimmung, auf welches Raumvolumen sich diese Faserzahl verdünnt hat. Erst dann erhält man eine Konzentration in Fasern / m3.

Schneiden einer Asbestzementplatte mit der Flex:

  • Beim Flexen wird sehr viel Feinstaub erzeugt © Bild von donations welcome auf Pixabay

    Dicke Sägeblatt: 4 mm

  • Dicke Asbestzementplatte: 6 mm
  • Länge des Schnittes: 1 m (1000 mm)

Volumen des Pulverisierten Asbestzements:

  • 4 mm x 6 mm x 1000 mm = 24.000 mm3

Asbestgehalt: 10%

  • 24.000 mm3 X 10% = 2.400 mm3

Theoretische Anzahl enthaltener WHO Fasern

2.400 mm3 x 25.000.000 F = 62.500.000.000 F

Gelangen alle Fasern in die Lungenbläschen?

Beim Sägen von Asbestzementplatten mit der Flex wurden laut DGUV Report “Faserjahre” Faserkonzentrationen bis zu 60.000.000 Fasern / m3 Raumluft gemessen und nicht 62 Milliarden. Das ist ein Unterschied von einem Faktor 1000! Das liegt daran, dass

  • Fasern bis maximal 10 µm Größe (Länge oder Durchmesser) als alveolengängig gelten. Asbestfasern sind aber, egal wie stark man sie bearbeitet, von Natur aus häufig länger und nur ein kleiner Bruchteil (hier ein Tausendtsel) davon wird tatsächlich so fein, dass sie in die Lungenbläschen gelangen können.
  • demnach nur ein Teil tatsächlich die WHO Fasergeometrie erfüllt,
  • große Partikel (sehr dicke Faserbündel) zu Boden fallen und nicht mitgezählt werden und
  • in diesem Fall das Raumvolumen der möglichen Verdünnung nicht angegeben wurde.
  • keine Angabe gemacht wurde, wann an welcher Stelle gemessen wurde. Für brauchbare Ergebnisse muss während der Tätigkeit gemessen werden und außerdem muss der Abstand und die verdünnung berücksichtigt werden.

Fazit

Schon alleine aufgrund ihrer Partikelgröße gehen die möglichen Faserzahlen, die in einem Produkt stecken, realistisch betrachtet in die Größenordnung von vielen Millionen oder Milliarden.

Ob und wieviele tatsächlich davon freigesetzt werden, hängt vom Asbestgehalt ab und von der Art der Bearbeitung des Produktes. Dazu kommt die Verdünnung mit sauberer Luft, sobald die Fasern in der Luft sind. Der unsicherste Faktor in der ganzen Beatrachtung ist jedoch das persönliche Verhalten, das einen entscheidenden Einfluss darauf hat, wieviele Fasern am Ende in der Lunge ankommen.

Deshalb können prinzipiell Fragen zu einem konkreten Gesundheitsrisiko in der Praxis nicht seriös beantwortet werden.

Faserrechner

Mit dem Faserrechner können Sie sich auf mineralogisch-mathematische Weise an eine maximal möglich Anzahl “verfügbaren” Fasern annähern. Der Rechner berücksichtigt die WHO Fasergeometrie in Verbindung mit realistischen Beobachtungen im REM, sowie Materialeigenschaften und Bearbeitungsart. Außerdem die Raumdimension und Verdünnungsfaktoren durch Belüftung.

Er kann dagegen nicht berücksichtigen, welcher Anteil der freigesetzten Fasern tatsächlich lungengängig ist. Grob geschätzt ist das nu ein sehr geringer Bruchteil von ca. 1% oder 0,1%.

Faserrechner – Geometrie © Heiko Hofmann

Faserrechner – Werkstoffeigenschaften © Heiko Hofmann

Faserrechner – Freisetzungspotential © Heiko Hofmann

Faserrechner – Luftwechsel © Heiko Hofmann

 

Wenn der Dachdecker-Kumpel beim Abriss hilft

Trotz Pandemie gibt es noch andere “Baustellen”, die uns im privaten Umfeld beschäftigen, wie zum Beispiel Asbest.

Viele Privatpersonen sind inzwischen recht gut über die Problematik informiert und sorgen sich um Asbestvorkommen im eigenen Heim. Es ist also nicht überraschend, wenn die mit Asbestzementplatten gedeckte Garage in den Fokus rückt und zumindest zum “gefühlten” Problem wird – obwohl das eventuell gar nicht nötig ist.

Laut REACH Verordnung gibt es nämlich einen gewissen “Bestandsschutz” für asbesthaltige Produkte, wenn diese noch intakt sind und “unangefasst” bleiben.

Wenn einige der Platten jedoch beschädigt sind und sie nicht mehr ihren “ursprünglichen Zweck” erfüllen, also das Dach abdichten, dann muss es entsorgt werden. Denn das Reparieren ist verboten!

Asbestzement-Dach muss weg – Hilfe vom Dachdecker-Kumpel

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Nun ist also guter Rat gefragt und nötigenfalls auch Hilfe – warum nicht vom befreundeten Dachdecker. Da hat man es immerhin mit einem Fachmann zu tun – wenigsten in Sachen Dach decken und abdecken.

Der Dachdecker-Freund sagt also zu und bringt sogar die Schutzausrüstung mit: Schutzanzug, FFP3 Masken.

Der Privatmann und sein Kumpel legen also los und bauen die Asbestzement-Platten ab. Zumindest versuchen sie es, denn die Platten sind nicht nur geschraubt, sondern teilweise auch mit einer bitumenartigen Masse verklebt. Macht aber nix, denn mit etwas “Nachhilfe” in Form eines Hammers lösen sich die Platten. Einige zerbrechen, umso besser.

Was nicht passt, wird passend gemacht

Gerissener Asbest-Big-Bag © Heiko Hofmann CC-BY-SA 4.0 Lizenz

Die gelösten Platten werden vorsichtig nach unten gereicht, wo man feststellt, dass die noch vollständigen, unzerbrochenen Platten nicht in den Asbest-Big-Bag passen. Auch da wird kurzerhand nachgeholfen und die überstehenden Kanten werden mit derselben Methode wie oben auf dem Dach einfach abgeschlagen. Über frei werdende Fasern macht sich zumindest der Dachdecker-Kumpel keine Sorgen, denn der Wind steht günstig und man trägt schließlich FFP3 Masken.

Der Privatmann beginnt, sich dennoch Sorgen zu machen, ob dies alles so richtig ist und ob die beiden nicht doch einer beachtlichen Faserkonzentration ausgesetzt waren.

Erklärungsversuche und Ahnenvergleiche

Der Dachdecker-Kumpel beschwichtigt und zählt nochmals die “günstigen Umstände” auf: Schutzanzug, Maske, Kleidung wird entsorgt, Wind günstig, Big-Bag. Alles gut!

Außerdem hätten sein Vater und sein Großvater früher diese Platten in geschlossenen Räumen mit der Flex zersägt und beide erfreuen sich noch heute bester Gesundheit. Sagt der Fachmann!

Alles gut??? Mitnichten!

Grob fahrlässig und eventuell strafbar

Sehen wir uns die Sache nochmal im Detail und unter den geltenden Rechtsvorschriften an:

Die Gefahrstoffverordnung gilt bei Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsmaßnahmen auch für Privatpersonen. Demnach gelten auch die Regelungen der TRGS 519.

Der Rückbau des Daches ist zwar erlaubt, allerdings unter strengen Sicherheitsmaßnahmen, wie zum Beispiel dem Benetzen des Daches mit Faserbindemittel, damit frei werdende Fasern nicht einfach davonfliegen. Die Platten zu zerbrechen oder gar zu zerschlagen, damit sie in den Abfallsack passen, ist verboten!

Der Privatmann bat seinen Freund, ihn zu unterstützen – und zwar nicht nur beim Abbau, sondern auch mit seinem fachkundigen Rat.

Dachdecker mit Sachkenntnis aber ohne Sachkunde

Nun hat der Dachdecker-Kumpel offensichtlich keine Asbest-Sachkunde nach TRGS 519, denn sonst wüsste er zumindest, dass er sich strafbar gemacht hat. Immerhin hat er seinem Freund zwar Schutzausrüstung mitgebracht. Dies hat er allerdings so interpretiert, dass man ja geschützt sei und deshalb nun brachial loslegen könne. Dass er seinen Freund unnötig gefährdet hat und zugleich noch gegen §324 und §325 StGB verstoßen hat, war ihm entweder nicht klar oder schlicht gleichgültig. Hat ja sonst niemand gesehen und verpackt ist das Zeug schließlich auch vorschriftsmäßig.

Sachkenntnis war also durchaus vorhanden, Sachkunde jedoch nicht. Ein alter Rechtsgrundsatz besagt allerdings – und den kennt nun wirklich jeder – “Nichts zu wissen schützt nicht vor Strafe!”

Rechtslage uneindeutig

Klar ist, dass der Umgang mit Asbest unsachgemäß war. Daran besteht kein Zweifel – und das gilt auch für die beiden Privatpersonen.

Unklar hingegen ist: Hat der Dachdecker als Privatperson gehandelt oder als Dachdecker, nämlich im Rahmen seines Berufes und seiner beruflichen Expertise?

Hätte er als Dachdecker beruflich gehandelt, wäre eine Strafanzeige unausweichlich. Er hätte die Sachkunde nach TRGS 519 Anhang 4 A benötigt, hätte eine Zulassung durch die Behörde und hätte die Arbeiten zusammen mit einem Arbeitsplan, Arbeitsmedizinischer Vorsorge und Gefährdungsbeurteilung zuvor bei der Behörde anzeigen müssen.

Aber hat er rein privat gehandelt? Als Kumpel? Das ist schwierig zu beantworten, denn immerhin ist er Dachdecker und kennt sich offensichtlich wenigstens ein bisschen mit der Materie aus. Er hat durch die Bereitstellung der PSA korrekt gehandelt, aber gleichzeitig durch das Zerschlagen der Platten grob fahrlässig gehandelt.

Wie würde ein Richter die Sache betrachten?

Rechtsbruch? © Heiko Hofmann

Müsste also ein Richter entscheiden, würde dieser wohl genau zu diesem Ergebnis kommen: Aufgrund seines Berufes und seiner Erfahrung hätte der Dachdecker wissen können und sogar müssen, dass die Arbeiten so nicht erlaubt sind. Er hat sich und seinen Freund unnötig gefährdet und obendrein noch argumentiert, seine Ahnen seien viel größeren Belastungen ausgesetzt gewesen und nicht krank geworden.

“Was nicht ist, kann ja noch werden”. Die Spätfolgen dieser Belastungen treten häufig erst 40 Jahre nach der Exposition auf. Den Großvater braucht das (zynischerweise) wohl nicht mehr interessieren, den Vater sehr wohl. Und das soll dann ein gutes Beispiel und Vorbild sein? Der Vergleich mit den Vorfahren ist schlicht dumm und zeugt nicht von Verantwortung, sondern signalisiert eher: “Stell Dich nicht so an!”

Wer haftet?

Wenn der Privatmann wieder Erwarten doch irgendwann krank werden sollte, wer haftet dann? Er selbst, weil er sich falschen Rat geholt hat oder der Dachdecker-Kumpel, der fahrlässig gehandelt und falsch beraten hat?

In diesem Fall entscheidet ein Gericht – wenn es denn angerufen wird…

 

Asbestzementdach selbst abbauen

Dürfen Privatpersonen ein Dach aus Asbestzement selbst abbauen?

Und wenn ja, muss dies bei der Behörde angezeigt werden? – Ein Blick in die Vorschriften

Der Umgang mit Asbest und Produkten daraus ist streng geregelt und nicht immer ist klar, für wen die Regeln nun genau gelten und für wen nicht.

Dach mit Wellasbestzement gedeckt © Harald Weber unter CC-BY-SA 3.0 Lizenz

Generell gilt zunächst für alle Personen, die Umgang mit Asbest haben oder auch planen: Ein Blick in die Rechtsvorschriften schadet nicht!
Eine der wichtigsten Verordnungen in diesem Zusammenhang ist die Gefahrstoffverordnung GefStoffV. Unter §1 “Begriffsbestimmungen” ist geregelt, dass die Verordnung nicht für Privathaushalte gilt. Hier ist aber größte Vorsicht geboten, denn diese Regelung wird in Anhang II “Asbest zum Teil wieder aufgehoben. Wer also die GefStoffV gleich nach §1 wieder weglegt und mit den Arbeiten loslegt, begibt sich auf dünnes Eis.

Gemäß Anhang II gilt die GefStoffV nämlich auch für Privathaushalte genau dann, wenn es sich um sogenannte ASI Arbeiten handelt, als Abbruch, Sanierung und Instandhaltung, also auch den Abbruch eines Asbestzementdaches im Privathaushalt. Dazu gehört selbstverständlich auch der Schuppen auf dem eigenen Grundstück!

Wenn also die GefStoffV gilt, gilt in diesem Zusammenhang auch die TRGS 519 “Asbest – Abbruch-, Sanierungs- und Instandhaltungsarbeiten“. Leser Sie dazu auch das Kapitel “Rechtsvorschriften”

Daraus ergeben sich 2 weitere Fragen, nämlich:

  1. Brauchen Privatpersonen die in der TRGS 519 geforderte Sachkunde?
  2. Müssen Privatpersonen die geplanten Arbeiten bei der Behörde anzeigen?

Sachkunde – ja oder nein?

Die Antwort auf diese Fragen ist tatsächlich nicht einfach – daher müssen wir uns zunächst damit beschäftigen, welchen Hintergrund diese Regeln haben.

Die Gefahrstoffverordnung und in diesem Zusammenhang die TRGS 519 dienen in erster Linie dem Arbeitsschutz. Und dabei geht es auch um die Haftung von Arbeitgebern gegenüber ihrer Mitarbeiter. Wem gegenüber sollen aber Privatpersonen haften, wenn sie keine Mitarbeiter haben?

Eine Haftung wird aber immer dann relevant, wenn Dritte durch die eigenen Handlungen gefährdet werden. Und eine Gefährdung Dritter ist dann wahrscheinlich, wenn Asbestfasern durch die Arbeit freigesetzt werden und Dritte dieser Belastung ausgesetzt sind – und zwar zunächst unabhängig von der Menge des freigesetzten Schadstoffes!

Wenn Sie also als Privatperson Arbeiten an Asbest ohne Sachkenntnis durchführen und Dritte gefährden,  weil Sie die arbeiten dann ggf. unsachgemäß ausführen, ist dies unsachgemäßer Umgang mit Asbest. Im Fall der GefStoffV ist dies eine Ordnungswidrigkeit!

Hinzu kommt nun noch das Strafrecht: Nämlich die §§ 324 und 325 StGB: “Gewässerverunreinigung”, “Bodenverunreinigung” und “Luftverunreinigung”. Ohne hierbei ins Detail zu gehen und zu klären, ob dies in beachtlichem Umfang geschieht oder nicht oder ob jemand dabei tatsächlich zu Schaden kommt oder nicht, sollten hier die Alarmglocken läuten. Am Ende entscheidet dies ein Richter oder eine Richterin und soweit muss es nicht kommen!

Um also Arbeiten an Asbestzement im privaten Umfeld durchzuführen benötigen Sie Sachkenntnis, um Dritte nicht zu gefährden. Wenn Sie diese Sachkenntnis haben und dies im Zweifel auch nachweisen können, müssen Sie nicht unbedingt die Sachkundeschulung besucht und bestanden haben. Besser wäre das jedoch, denn nur dann können Sie nachweisen, dass Sie nicht unsachgemäß vorgegangen sind und alle Maßnahmen zum Schutz Dritter und der Umwelt getroffen haben.

Anzeige an die Behörde – ja oder nein?

Diese Frage ist durchaus schwieriger zu beantworten:

Hierbei müssen wir uns die Frage stellen, worum es der Behörde (Gewerbeaufsicht) tatsächlich geht. Die Antwort steckt bereits im Begriff “Gewerbeaufsicht”. Sie interessiert sich für Gewerbetreibende. Warum sollte sie sich auch noch um Privathaushalte kümmern?

Auch hier geht es um Arbeitsschutz – und solange Sie “bestenfalls” nur sich selbst gefährden, aber die Gefährdung Dritter ausgeschlossen ist, tritt auch keine Haftung gegenüber Dritten ein. Allerdings dürfen Sie auch die Umwelt nicht belasten, denn sonst könnten ja über “Umwege” Dritte gefährdet werden.

Zudem fordert die Anzeige an die Behörde Maßnahmen, die Privatpersonen gar nicht erfüllen können wie zum Beispiel:

Unternehmensbezogene Anzeige: Damit zeigt ein Unternehmen an, dass Arbeiten an Asbest ausschließlich durch geschulte Mitarbeiter*innen unter den geforderten Schutzmaßnahmen durchgeführt werden, alle eine arbeitsmedizinische Vorsorge durchgeführt haben, eine Gefährdungsbeurteilung vorliegt, die erforderlichen technischen Schutzmaßnahmen und das dazu nötige Gerät vorhanden und zugelassen ist sowie das Unternehmen auch eine Zulassung erhalten hat.

Objektbezogene Anzeige: Damit zeigt das Unternehmen die geplanten Arbeiten bei der Behörde 7 Tage vor Beginn der Arbeiten an und legt dazu eine Liste der Beschäftigten Mitarbeiter*innen, die Benennung einer verantwortlichen Aufsichtsperson mit der nötigen Sachkunde samt Nachweis, das Schutzkonzept, alle erforderlichen Nachweise, einen Arbeitsplan mit Angaben von Ort, Zeit und Dauer, die erwartete Faserfreisetzung, eine Gefährdungsbeurteilung, etc. vor.

Das kann eine Privatperson gar nicht leisten. Dennoch dürfen Dritte nicht gefährdet werden – und dafür sind auch Privatpersonen verantwortlich und haftbar.

Letztlich hat trotz allem die örtliche Behörde das letzte Wort.

Hypothetisches Fallbeispiel

Angenommen Sie bauen Ihr Asbestzementdach ab und jemand hilft Ihnen dabei. Nun beobachtet der Nachbar die Arbeiten und sieht, dass dies (aus seiner Sicht oder auch mit Sachkenntnis) nicht sachgemäß durchgeführt wird. Er fühlt sich belästigt und sogar durch Faserfreisetzung gefährdet und ruft die Polizei. Wenn dazu noch beobachtet wird, ob dabei Asbestzementplatten zerbrochen sind und kreuz und quer auf dem Boden herumliegen, hat man schlechte Karten.

Asbestzement im Wald entsorgt

Zerbrochene Asbestzemetplatten im Wald zu entsorgen ist eine Straftat! © Heiko Hofmann

Dann kommt natürlich die Polizeit vorbei und stellt Fragen. Die Anzeige an die Behörde erfolgt dann durch die Polizei und zwar nicht im Sinne der TRGS 519, sondern im Sinne der Polizei. Dann wird geprüft, ob eine Ordnungswidrigkeit oder sogar ein Straftatbestand vorliegt. Das muss nicht sein!

Besser vorher nachfragen

Daher ist man auf jeden Fall gut beraten, sich vorab zu erkundigen, ob man unter welchen Bedingungen selbst Hand anlegen darf. Fragen kostet nichts und auch bei der Gewerbeaufsicht wird man nicht gleich angebellt. Im Gegenteil: Es kommt gut an, wenn man sich darum kümmert, alles richtig zu machen und Fachleute fragt.

 

Neuer Fall eines falschen Analysberichtes

Anlass: Kindergeburtstag

Stellen Sie sich vor, Ihre Kuchen-Deko enthielte Asbest © Annika1707 auf Pixabay

Eine Kundin (die anonym bleiben möchte) hatte an einem Kindergeburtstag eine Geburtstagstorte mit einer sogenannten Sprühkerze (bzw. Eisfontäne, Eissterne) aufgetischt. Die Verpackung der Kerzen trug ein CE-Kennzeichen.

Nach dem Abbrennen der Kerze blieb auf dem Kuchen und an der Kerze ein Niederschlag (Asche) übrig. Die Kundin machte sich Sorgen und sendete eine Probe des Niederschlages an ein akkreditiertes Analyselabor mit dem Auftrag, diese per REM auf Asbest zu untersuchen.

Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Überraschendes Ergebnis

Laut Analysebericht wurde Amphibolasbest (Tremolit) nachgewiesen. Als Nachweisbarkeitsgrenze wurde 0,1% angegeben, eine Klassifizierung in die Mengenklassen 1 bis 5 erfolgte nicht.

Ein Blick in den Analysebericht ließ jedoch Zweifel bei mir aufkommen: Die Spezifikationen für WHO-Fasern waren nicht erfüllt. Das untersuchte Partikel hatte einen Durchmesser von 10μ (erlaubt maximal 3μ) und eine Länge von rund 30μ. Das Partikel war deutlich zu groß um als Faserstaub “durchzugehen”.

Das EDX Diagramm zeigte zwar die “richtigen” Elemente an, nämlich Si, Mg und Ca. Dies sind jedoch Elemente, die in nahezu allen Silikaten typisch sind. Elemente, die jedoch ohne die passende Morphologie der Partikel im Bild, nämlich nadelige Strukturen, nicht ohne genaue Überprüfung als Amphibolasbest indentifiziert werden dürfen. Das ist schlicht fahrlässig.

Im Fall der Kundin sorgte dies für schlaflose Nächte und ein paar andere Beschwerden. Hätte sich dies um eine Analyse des Herstellers im Zuge der Qualitätssicherung gehandelt, wäre der Schaden wegen der rechtlichen und arbeitschutz-bedingten Konsequenzen beachtlich gewesen.

Das Analyselabor verbietet die Veröffentlichung der Ergebnisse – auch auszugsweise, daher können das Bild und das EDX Diagramm hier nicht präsentiert werden.

Labor räumt Fehler ein

Nach meiner Einschätzung telefonierte die Kundin mit dem Labor und schilderte die Bedenken. Dort räumte man ein, dass das Ergebnis fehlerhaft sei und die Spezifikationen der WHO-Fasergeometrie nicht efüllt sei. Das untersuchte Partikel sei in der Tat viel zu groß und hatte nicht die typische Nadelform von Amphibol-Asbest. Es handle sich definitiv nicht um Asbest.

Immerhin.

Dennoch: Die Konsequenzen fehlerhafter Analyseberichte und Gutachten können sehr üble Konsequenzen (finanzielle und gesundheitliche – wegen der psychischen Belastung) nach sich ziehen. Lesen Sie hierzu auch den folgenden Fall.

Offenbar nehmen dies viele Labore nicht wirklich ernst, bevor sie einen positiven Bericht (im negativen Sinne) herausgeben.

Die besondere Tragik

In diesem Fall wäre die besondere Tragik, dass es ein Vergnügungsprodukt ist, das aktuell im Internet bestellt werden kann. Durch das Abflammen werden viele Partikel in der Atemluft verteilt und können eingeatmet werden (oder ziehen Sie eine FFP2 Maske auf, wenn Sie Feuerwerk abbrennen oder die Wunderkerzen auf dem Kuchen anzünden?).

Da das Produkt aktuell im Handel erhältlich ist, hätten sich sowohl der Hersteller als auch der Händler strafbar gemacht, weil sie gegen REACH, CLP und Gefahrstoffrecht verstoßen hätten, indem sie Asbestprodukte herstellen, in Verkehr bringen und verwenden. Ihnen hätte eine Anzeige gedroht und die Produkte hätten unverzüglich aus dem Verkehr gezogen werden müssen.

Zum Nachweis von Asbest durch Polarisationsmikroskopie (PLM)

Viele akkreditierte Analyselabore bieten als kostengünstige Nachweismethode von Asbestmineralen die Polarisationsmikroskopie (PLM) an. Dies ist legitim und auch eine vom VDI gem. Richtlinie 3866 Blatt 4 anerkannte Methode.

Wie in vielen anderen Fällen auch kennen sich Laien nicht damit aus, was das genau ist und was die Methode kann. Wichtig für die Entscheidung ist lediglich die “Zulassung” und der günstige Preis.

Eine rein optische Methode

Im Gegensatz zur Rasterelektronenmikroskopie, bei der ein zwar ein Bild entsteht, dies aber durch den Computer berechnet wird, erhält man bei der PLM ein “echtes” optisches Bild. Anders als bei REM erhält man auch kein Energiespektrum, das Aussagen zur chemischen Zusammensetzung liefert. Die Auswertung am PLM erfolgt rein optisch. Hier ist also noch mehr Erfahrung des Analytikers erforderlich als beim REM.

Zitronensäure im_Polarisationsmikroskop_200-fach @ Jan Homann CC0

Dennoch ist mit dem PLM einiges möglich. Polarisationsmikroskopie deshalb, weil die Lichtquelle, die die Probe “durchleuchtet” polarisiert ist. Zusätzlich haben Kristalle die Eigenschaft, dass sie über ein regelmäßiges Kristallgitter verfügen. Durchdringt ein Lichstrahl dieses Gitter, wird er durch den Gitterbau beeinflusst. Kristalle können ihrerseits das Licht ebenfalls polarisieren – und so kommt es je nach Polarisationsrichtung und Einfallswinkel des Lichts in den Kristall zu Interferenzen. Dies kann zur Auslöschung des Lichts führen (die Stellen erscheinen lichtundurchlässig), oder es wird bunt. Diese Farben können sich ändern, je nachdem wie der Probentisch gedreht wird. Dies sind die sogenannten Doppelbrechungsfarben. Weil der Probentisch eine Kreisskala hat, kann man sogar Winkel messen.

Diese optischen Effekte kann man also durchaus dazu nutzen, die Minerale zu charakterisieren und sogar Aussagen zur chemischen Zusammensetzung zu machen. Dies wird jedoch nicht wie beim REM gemessen, sondern durch den Analytiker interpretiert.

Die optischen Effekte hängen zusätzlich von der Dicke des Präparates ab. Deshalb wird für die PLM normalerweise ein sogenannter Dünnschliff erstellt, der eine exakte Dicke haben muss. Ein Dünnschliff ist eine hauchdünne “Gesteinsscheibe”, die auf einen Glasträger aufgeklebt ist und nicht dicker als rund 25 Mikrometer. Die Herstellung eines exakten Dünnschliffes ist nicht einfach und kostet viel Zeit. Außerdem geht das nur mit einem Gestein, nicht aber mit losen Fasern wie bei Asbest. Diese müssten zuvor in Kunstharz eingebettet werden, um anschließend daraus einen Dünnschliff herzustellen. Außerdem muss zuvor ausgeschlossen werden, dass organische Fasern vorhanden sind – diese müssen – wie bei der Präparation für REM auch – zuvor durch Glühen zerstört werden. Eine ganze Menge verschiedener Schritte sind also notwendig, um ein vernünftiges Präparat herzustellen.

Was kann PLM und was kann sie nicht?

Das kostet Zeit und Geld, weshalb bei den günstigen Angeboten auf die aufwändige Präparation verzichtet wird. Da man also Asbestproben in der Regel nicht auf die Art präpariert, wie man es eigentlich für die PLM tun müsste, kann man PLM praktisch nur so anwenden wie ein normales Mikroskop – mit der Ergänzung des polarisierten Lichts und des drehbaren Präparattisches.

Man kann in der Tat Fasern oder Nadeln erkennen – nur einerseits im Rahmen der optischen Auflösung. Zusätzlich könnten sich auch andere Fasern unter das Okular mogeln, die zwar ähnlich aussehen, aber keine Asbestfasern sind. Hinzu kommt, dass es außer den typischen Asbestfasern auch viele andere Amphibolfasern gibt, die nicht zu den Asbestmineralen zählen. Es gibt über 100 verschiedene Amphibole.

Auf eventuelle Auslöschungseffekte und Doppelbrechungsfarben kann man nicht viel geben, weil das Präparat nicht als Dünnschliff vorbereitet wurde. Außerdem kann es selbst in einem Dünnschliff bei Asbestfasern zu optischen Abweichungen (z.B. Falschfarben) kommen, welche die Interpretation durch den Analytiker erschweren oder sogar in die falsche Richtung lenken.

Was bekommt man für 30 EUR?

Erneut muss man die Frage stellen, was bekommt man für 30 – 40 EUR? Ein Dünnschliff ist nicht ohne Aufwand machbar und ein erfahrener Analytiker ist viel zu teuer, um sich ausreichend Zeit für eine gründliche Interpretation des Bildes zu nehmen.

Am Ende muss man ein PLM Ergebnis doch zusätzlich mit REM untermauern, um Gewissheit zu haben. Der Nachweis, dass es sich um Asbest handelt und um welche Minerale, erfordert die Analyse der chemischen Zusammensetzung und / oder der Kristallstruktur. Und das geht mit einem “Schnellschuss” mit PLM einfach nicht.

Wenn Sie also die kostengünstige PLM Methode wählen, sollten Sie sich darüber im Klaren sein, was Sie für 30 EUR erwarten können und dass Sie im Zweifel zusätzliche Analytik benötigen, um sicher zu sein.

 

 

Asbest-Schnelltests für Zuhause- warum Vorsicht geboten ist

Die Immobilienpreise steigen, die Mieten auch. Viele junge Familien überlegen daher, in das lang gewünschte Eigenheim zu investieren. Gerade die Gebäude mit Baujahr 1950 bis 1980 sind noch einigermaßen bzw. vergleichsweise günstig zu haben, insbesondere, wenn man selbst notwendige Renovierungs- oder Sanierungsarbeiten durchführt.

Viele der Interessent*innen wissen aus den Medien, dass sie sich mit dem Kauf oder auch der Miete solcher Immobilien eventuell Bauschadstoffe mit einkaufen oder mieten. Sie haben sich auch mit der Thematik Asbest bereits auf zahlreichen Internetseiten kundig gemacht.

Das Thema Asbest und insbesondere, dass es der Gesundheit schadet ist in der Öffentlichkeit längst angekommen. Parallel dazu hat sich ein Markt etabliert, der sich auf die Begutachtung und Sanierung konzentriert. Dies sind hochspezialisierte Aufgabengebiete, mit denen sich bisher nur wenige wirklich gut auskennen, zu wenige, um die Nachfrage abzudecken. Und diese Kombination aus Angebotsdefizit und Komplexität der Thematik lassen sich Schadstoffsanierungsfirmen und Ingenieurbüros verständlicherweise gut bezahlen.

Dabei kommt ihnen zu Gute, dass die Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest umfangreich, komplex sind und nicht leicht verständlich. Generell dienen diese Vorschriften in erster Linie dem Arbeitsschutz und erst in zweiter Linie dem Schutz der Allgemeinheit. Trotzdem gelten insbesondere seit der Novellierung der Gefahrstoffverordnung im Dezember 2024 die strengen Rechtsvorschriften im Zusammenhang mit Asbest in den eigenen 4 Wänden auch für Privathaushalte.

Was sagt das Recht?

Knifflig wird es, weil zwar die Vorschriften für sogenannte ASI Arbeiten auch für Privathaushalte gelten. Streng genommen können also Privatpersonen zuhause loslegen und Sanierungs- oder Abbrucharbeiten in Eigenregie durchführen, wenn sichergestellt ist, dass alle Vorsichtsmaßnahmen nach TRGS 519 eingehalten werden (siehe auch §11 (7) GefStoffV und FAQ der BAuA).

Die Rechtslage für Privatpersonen ist also schwierig zu beurteilen. Im Zweifel gilt: Hände weg von Asbest und den Umgang damit den Profis überlassen.

Ist überhaupt Asbest da?

Nun wollen aber viele Menschen verständlicherweise wissen, ob überhaupt Asbest in den eigenen 4 Wänden vorhanden ist. Dafür muss man eine sogenannte “Erkundung” durchführen: Probennahme und Analyse. Hier ist die GefStoffV leider etwas uneindeutig: Es ist zwar davon die Rede, dass “Veranlasser”, also Bauherren und Auftraggeber (auch Privatpersonen) den Auftragnehmer “nur” über das Baujahr des Objektes informieren müssen (siehe §5a GefStoffV) und die analytische Erkundung durch den Auftragnehmer nötigenfalls selbst als besondere Dienstleistung im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung durchgeführt werden kann (siehe § 6 (2), (2a), (2b) GefStoffV), dabei aber der Begriff “Erkundung” nicht genau definiert ist. Erkundung kann also neben der Ermitltungen zum Baujahr, was eine rein dokumentatorische Erkundung wäre, auch als Probennahme und Analytik (was eine technische Erkundung wäre, die zumindest Fachkunde erfordert), verstanden werden.

Rechtliche “Schwachstelle”

Diese rechtliche Schwachstelle nutzen zahlreiche Anbieter für sogenannte Asbest-Tests für Zuhause, indem sie sich aus dem riskantesten Teil des Tests heraushalten: Der Probennahme.

Private “Erkundung”

Für relativ wenig Geld (häufig zwischen 40 und 80 EUR je Probe), wird eine hochqualitative und sogar “gerichtsfeste” Analytik der eingesendeten Proben angeboten. Alle versprechen, die Besten und Erfahrensten zu sein – nur einige davon sind es tatsächlich auch. Den Kund*innen wird der Eindruck vermittelt, man könne so schnell Gewissheit darüber erhalten, ob Asbest vorhanden ist, ohne viel Geld für eine*n Gutachter*in in die Hand nehmen zu müssen.

Für die Anbieter*innen solcher Tests ist das leicht verdientes Geld, denn sie haben keine Verantwortung für eventuell schiefgegangene Beprobung und dadurch entstandene Gesundheitsrisiken für die Kund*innen oder für unbeteiligte Dritte. Und die Wahrscheinlicheit, dass Kund*innen eventuelle Fehler oder Schwachstellen im Gutachten oder in der Analytik erkennen und nachvollziehen können – und dann noch dagegen vorgehen, geht gegen null. Ein sicheres Geschäft also.

Für die Kund*innen aber ist die Probennahme zumindest riskant oder sogar gefährlich: Zwar enthalten die “Seriösen” unter den Test-Kits Anleitungen, wie bei der Beprobung (möglichst sicher) vorzugehen ist. Sie enthalten aber weder geeignete Schutzausrüstung noch die die für Asbestarbeiten zugelassenen Geräte wie z. B. Industriesauger mit H-Filter und Asbest-Zulassung.

Selbst Proben nehmen ist gefährlich (und rechtlich nicht belastbar)

Beschädigte Promabestwand unter Glasfasertapete © Heiko Hofmann

Die Kund*innen werden also dazu ermutigt (sogar verleitet), ohne jegliche Fachkenntnisse (außer vielleicht zahlreicher Informationen aus dem Internet), selbst eine kleine Probe vom Wandputz herauszukratzen, vom Fliesenkleber, dem Fensterkitt, der Heizkessel-Isolierung. Von einer Leichtbauplatte eine kleine Ecke abzubrechen oder von einem Bodenbelag aus Cushion-Vinyl einen Streifen abzureißen. Vielleicht schneidet man eine kleine Ecke von der Eternitverkleidung ab, um Gewissheit über Asbestvorkommen zu bekommen.

Aber gerade dann wird Asbest zur Gefahr: Wenn es durch die zur Beprobung notwendige Beschädigung freigesetzt wird.

Und die Frage bleibt: Probennahme ist eine Umgang mit Asbest! Ist also dieser Umgang für Privatpersonen überhaupt explizit erlaubt? Privatpersonen bewegen sich also in einer gewissen rechtlichen Grauzone und glauben, da es Schnelltests für Privatpersonen gibt, muss die Probennahme schließlich legal sein.

Wichtig: Viele Analyselabore nehmen sich aus der Haftung, wenn Sie als Kunde die Probe selbst nehmen. Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte!

Krebsrisiko

Die Gefahr der Asbestfasern besteht darin, dass sie so fein sind, dass man sie nicht sehen kann. Es handelt sich um feinste Mineralfasern oder -Nadeln, die meist nicht dicker sind als ein paar tausendstel Millimeter. Sie fliegen also sofort durch die Luft – Schwerkraft spielt kaum eine Rolle – und werden eingeatmet. Sie erreichen die tiefsten und kleinsten Winkel in der Lunge und können sogar ins Gewebe eindringen, von wo der Körper sie nicht mehr selbstständig entfernen kann. Die Fasern sind chemisch sehr stabil und werden nicht aufgelöst. Narbengewebe kann entstehen und schlimmstenfalls kann nach hoher Exposition viele Jahre später Asbestose oder Krebs entstehen. Um dies zu vermeiden muss das Risiko soweit wie möglich reduziert werden – und das bedeutet: Keine Faserfreisetzung und keine Inhalation. Woher aber sollen Privatpersonen wissen, womit sie es genau zu tun haben und wie man sich bestmöglich schützt? Wieviel Asbest wird bei welchen Produkten und bei welchen Handlungen freigesetzt? All dies braucht die Testanbieter nicht zu interessieren.

Trügerische Sicherheit

Trotzdem bekommt man als Kunde das Gefühl vermittelt, man sei dabei sicher, denn sonst würden ja nicht so viele Schelltests angeboten – aber genau dieser Eindruck ist trügerisch. Einige Anbieter werben sogar damit, die Probennahme sei kinderleicht und ungefährlich!  Behauptungen dieser Art sind gelinde gesagt grob fahrlässig!

Man legt also selbst mit einem gewissen Gefühl der Sicherheit Hand an und nimmt Proben – dabei sind außer dem Gesundheitsrisio auch noch folgende Punkte wichtig:

  • Wieviele Proben sind sinnvoll?
  • Wo genau nimmt man die Proben?
  • Kann man Mischproben herstellen?
  • Ist die Probe durch andere Fasern (z.B. organische) oder die Matrix (alles drumherum) eventuell so verunreinigt, dass die Analyse nicht funktioniert?
  • Wie wird nach der Probennahme die beprobte Stelle gereinigt und gesichert?
  • Wie genau schützt man sich selbst und andere?
  • Welche Schutzausrüstung ist geeignet?
  • Werden Werkzeuge, Kleidung, andere Arbeitsmittel kontaminiert?
  • Und so weiter…

Man nimmt also eine oder mehrere Proben, verpackt sie gemäß Anleitung und sendet (einen Gefahrstoff!) per Post (und nicht per Gefahrguttransport) an das Labor. Einige Tage später bekommt man den Prüfbericht mit einem (oder mehreren) positiven oder negativen Ergebnissen. Doch was nun?

Was fängt man mit dem Ergebnis an?

Ist das Ergebnis negativ, bedeutet das einzig, dass die Proben negativ sind. Dies bedeutet keineswegs, dass das Ergebnis auf andere Bereiche oder Produkte übertragen werden kann. Hat man also wirklich Gewissheit oder hat man vielleicht nur Geld ausgegeben und ist nicht wirklich schlauer als vorher?

Ist das Ergebnis positiv, bedeutet das zwar, dass Asbest gefunden wurde, aber genau wie beim negativen Ergebnis auch: Nur in den eingesendeten Proben. Auch dieses Ergebnis lässt sich nicht auf alle Bereiche und Produkte übertragen.

Dennoch bedeutet ein positives Ergebnis:

Man hat tatsächlich bei der Beprobung Asbest gefunden, man hatte also direkten Umgang damit.

  • War man gut genug geschützt?
  • Wurde Asbest freigesetzt und hat man vielleicht Fasern eingeatmet?
  • Ist die beprobte Stelle wirklich gut gesichert, so dass keine Fasern mehr frei werden?
  • Wie behandelt man die verwendeten Arbeitsmittel?
  • Muss nun unverzüglich gehandelt werden?
  • Welche Kosten werden entstehen?

Möglicherweise kommen nun noch größere Sorgen auf, weil man nicht einschätzen kann ob und in welchem Umfang man vielleicht selbst Asbestfasern ausgesetzt war.

Und nun kommt das, was man eigentlich bereits von vornherein hätte tun können oder sollen: Der Anruf beim Experten. Und der wird sagen, man hätte besser nicht selbst Hand angelegt. Dass man nun eine Sanierung benötigt, weil die beprobten Stellen nun beschädigt und nicht mehr sicher sind und dass man sich das Geld für die Schnelltests hätte sparen können. Denn die Situation ist ohne das Ergebnis der Schnelltests genau dieselbe wie mit: Ist Asbest im Haus, muss ein Experte dran, der sich ein genaues Bild macht. Wurde kein Asbest nachgewiesen, gilt dies ausschließlich für die eingesendete Probe und nicht für die ganze Immobilie.

Der wichtigste Punkt dabei ist jedoch: Gefährlich sind die Asbestfasern in der Luft, die man einatmet und nicht die Fasern, die in einem Produkt enthalten sind. Die eingesendete Probe gibt nur qualitativ Auskunft über die Fasern in einem Produkt. Um die Fasern in der Luft zu bestimmen, muss man Luftproben sammeln und die Faserkonzentration darin berechnen. Dies ist ein ungleich größerer Aufwand, deutlich teurer und es geht nicht ohne den Experten, der die Ausrüstung dafür hat.

Warum der Privatbereich in den Vorschriften meist ausgenommen ist

Es ist sicherlich nicht Ziel und Absicht des Gesetzgebers, auch noch den kleinsten privaten Winkel zu reglementieren. Deshalb haben Privatpersonen ziemlich freie Hand, was sie zuhause tun. Allerdings sollte man berücksichtigen: Die Regeln und Vorschriften im Zusammenhang mit Asbest sind bewusst so streng, denn sie dienen dem Schutz der Gesundheit. In allen anderen Fällen außer dem Privatbereich dürfen ausschließlich geschulte Experten und Fachleute Umgang mit Asbest haben – und zwar zu Recht. Und der Umgang mit Asbest wird von der aufsichtführenden Behörde (Gewerbeaufsicht) überwacht. Arbeitgeber kann man zum Gesundheitsschutz der Miterbeiter*innen gesetzlich verpflichten. Im Privatbereich geht das nicht. Da wird auf die Eigenverantwortung gesetzt.

Man könnte sich nun zwar sagen: „Was ich nicht weiß…“, allerdings ist es gut und auch notwendig, die Frage nach einer Schadstoffbelastung zu stellen. Entweder beim Vermieter oder der Vermieterin, beim Verkäufer (der Verkäuferin) oder- wenn man bereits Eigentümer*in ist – direkt beim Experten / der Expertin. Nur er (oder sie) kann Ihnen verlässlich sagen, ob eine akute Gefährdung vorliegt oder nicht. Der / die Expert*in gewinnt auch einen Überblick über die Gesamtsituation und weiß, wo man noch nachsehen sollte. Er (sie) kann Ihnen sagen, ob ein Test und ggf. Maßnahmen überhaupt nötig sind und wie man ab hier rechtlich und fachlich richtig vorgehen muss. Das kann ein Schnelltest alles nicht. Warum also bereits Geld hierfür ausgeben?

Schließlich muss man auch folgendes bedenken:

Was kann man für 40 – 80 EUR erwarten?

Ein Raster-Elektronenmikroskop kostet in der Anschaffung rund 250.000,- EUR. Eher mehr. Die Betriebskosten belaufen sich pro Stunde auf mehrere 100 EUR. Eine Analytiker*innenstunde (Mineralog*in mit Hochschulstudium) kostet pro Stunde rund 100 EUR oder mehr. Dazu kommen Verbrauchsmaterial, Energiekosten und natürlich die Gewinnmarge.

Wieviel Zeit bleibt für eine ordentliche Analyse samt Vorbereitung (Präparation), Evakuierung der Probenkammer (Hochvakuum dauert rund 15 Minuten), Analyse der Probe, Auswertung und Verfassen des Berichts, damit sich die Analytik gewinnbringend rechnet?

Viele Labore arbeiten deshalb “quick and dirty”, um diese niedrigen Presie anbieten zu können. Dazu gehört natürlich auch, dass nicht immer der erfahrenste Analytiker am Mikroskop sitzt, sondern vielleicht jemand mit weniger Erfahrung und einem geringeren Gehalt. Dies führt aber leider zu einer Häufung von falschen und fehlerhaften Berichten.

Fazit:

  • Der Schnelltest verleitet dazu, auch ohne Fachkenntnisse selbst Hand anzulegen!
  • Man könnte sich und andere durch unbeabsichtigte Freisetzung von Asbestfasern gefährden.
  • Der Test hilft bei positivem Ergebnis nicht weiter! Man steht dann immer noch mit der Problematik alleine da.
  • Der Test gibt keine Auskunft über die Faserkonzentration in der Atemluft. Und nur diese Fasern sind unmittelbar gefährlich.
  • Nur ein*e Expert*in kann die Gefährdung genau einschätzen. Vielleicht ist ja Asbest vorhanden, es geht aber keine Gefahr davon aus und kann sogar eingebaut bleiben. Darüber sagt der Test nichts aus.
  • Solange Asbest „unangefasst“ bleibt, geht in den meisten Fällen keine Gefahr davon aus.

Wenn Sie dennoch Proben nehmen und einsenden wollen

  1. Suchen Sie einen seriösen Anbieter. Informieren Sie sich auf dessen Internetseite über die Kosten, die Gefahren und die Analytik. Bei den seriösen Anbietern sind diese Informationen verfügbar.
  2. Sorgen Sie für ausreichenden Selbstschutz, also Atemschutz, Anzug, Handschuhe und ggf. Augenschutz.
  3. Sorgen Sie dafür, dass sich eventuell frei werdende Fasern nicht ausbreiten können.
  4. Benetzen Sie die beprobte Stelle anschließend mit Wasser oder Faserbindemittel. Reinigen Sie alle Oberflächen im Raum gründlich feucht oder nass.
  5. Verwenden Sie keinen Haushaltsstaubsauger, denn damit verteilen Sie die Fasern in der Luft anstelle sie zu binden.
  6. Werfen Sie Einweg-Schutzkleidung nicht weg. Verpacken Sie diese zusammen mit dem Atemschutz und Handschuhen, etc. in eine luftdicht verschließbare, satbile Plastiktüte und kennzeichnen den Abfall als asbesthaltig. Bereits der Verdacht macht diese Maßnahme notwendig. Sollte sich herausstellen, dass kein Asbest vorhanden ist, können Sie den Abfall über den Restmüll entsorgen. Falls Asbest nachgewiesen wurde, entsorgen Sie den gekennzeichneten Abfall beim Entsorgungsbetrieb (ggf. kostenpflichtig).
  7. Waschen Sie ihre normale Kleidung wie gewohnt in der Waschmaschine.

Achten Sie unbedingt auf das Kleingedruckte

Viele Analyselabore werben zwar mit “Gerichtsfestigkeit” ihrer Analytik und der Berichte. Allerdings nur dann, wenn die Proben von einem Profi genommen wurden. Diese Labore nehmen sich per Klausel aus der Haftung, wenn Sie die Proben selbst nehmen.

Es ist üblich in Analyseberichten die ungefähre Menge des gefundenen Schadstoffes anzugeben (Einstufung in die Mengenklassen 1 bis 5), auch bei qualitativen oder semi-quantitativen Methoden. Dabei handelt es sich zwar nicht um eine absolute Menge, aber immerhin um einen Größenmaßstab, eine Einschätzung. Viele Labore lassen sich diese Angabe dennoch extra bezahlen, obwohl dies eine Art “Nebenprodukt” der Analyse ist. Dabei ist gerade diese Angabe oft entscheidend für daraus folgenden Maßnahmen.