Einteilung der Asbestprodukte
Nch dem Inkrafttreten der neuen Gefahrstoffverordnung GefStoffV im Dezember 2024 wurde das ehemalige Konzept der Einteilung von Asbestprodukten in “schwach” und “fest” gebunden aufgegeben, weil diese Einteilung in vielen Fällen unklar war.
Ungünstig ist allerdings, dass die TRGS 519 noch immer in der aktuellen Version diese Einteilung benutzt. Solange diese regel noch nicht überarbeitet und veröffentlicht wurde, gilt diese Einteilung also noch immer. Das ist leider verwirrrend, aber so ist es nunmal. Bis zur Veröffentlichung einer neuen TRGS 519 wird hier auf beide Einteilungen eingegangen.
Die bisherige Einteilung in “schwach-gebunden” und “fest-gebunden”
Bisher werden Asbestprodukte in 2 große Gruppen eingeteilt:
- Schwach gebundene Produkte und
- fest gebundene Produkte.
Diese Einteilung wurde getroffen, um den Umgang und entsprechende Schutzmaßnahmen beim Umgang mit den Produkten besser anpassen zu können. Außerdem sind für eine Kategorie andere Kenntnisse nötig als für die andere. Zusätzlich sollte anhand der Begriffe erkennbar sein, ob sich Fasern leicht freisetzen lassen oder nicht so leicht.
Weil man aber nicht für über 3000 verschiedene Asbestprodukte bestimmen konnte (oder kann), wie leicht wieviele Fasern bei welcher Bearbeitungsart freigesetzt werden (können), wurde die Einteilung in diese beiden Klassen nach dem spezifischen Gewicht (=”Dichte”) vorgenommen:
- Schwach gebundene Produkte: leichter als 1 g/cm3
- Fest gebundene Produkte: schwerer als 1,4 g/cm3.
Zum Vergleich: Wasser hat genau die spezifische Dichte 1, also 1 g/cm3 (bei Normalbedingungen, also 20°C).
Hierbei stellen sich bereits einige neue Fragen:
Was ist mit den Produkten, die mehr als 1 g/cm3 und gleichzeitig weniger als 1,4 g/cm3 wiegen? Warum hat man hier eine Lücke gelassen? Außerdem: Trifft es immer zu, das “schwach gebundene Produkte” (laut Klassifikation) tatsächlich auch schwach gebunden sind?
Es gibt keine “mittelfest” gebundenen Produkte. Daher lautet die Begründung: Alle Produkte mit einer Dichte zwischen 1 und 1,4 sind weder schwach noch fest gebunden und müssen anhand ihres Faserfreisetzungspotentials eingeteilt werden.
Hier beißt sich die Katze in den Schwanz, denn genau deshalb wurde doch diese Klassifizierung eingeführt: Um besser einschätzen zu können, wie leicht tatsächlich Fasern freigesetzt werden können. Leider handelt es sich bei den Produkten in dieser “Zwischenaklasse” (die eigentlich keine Klasse ist), hauptsächlich um Putze, Fliesenkleber und Spachtelmassen, kurz: PFS. Und genau diese Produkte lassen nicht oder nur sehr schwer ohne Analyse erkennen, ob überhaupt Asbest drin ist.
Außerdem gibt es zahlreiche Produkte, die zwar eine hohe Dichte haben (also > 1,4 g/cm3) und deshalb als fest gebunden gelten, wie zum Beispiel Asbestzement. Je nach Art der Bearbeitung können aber gerade hier sehr viele, sehr feine Fasern freigesetzt werden.
Anders herum gibt es auch Produkte, die eine geringere Dichte als 1 haben, wie zum Beispiel asbesthaltige Bitumenbahnen und Bitumenpappe, die aufgrund ihrer Eigenschaften (sehr zäh und klebrig) sicherlich keine oder kaum Asbestfasern freigeben, selbst wenn man sie mechanisch bearbeitet.
Die Einteilung in schwach gebundene und fest gebundene Produkte ist daher nicht immer hilfreich und selbst bei der Wahl der “richtigen” Sachkunde, die man für den gewerblichen Umgang mit Asbest benötigt, ist man durch diese Einteilung nicht wirklich gut beraten.
Die neue Einteilung nach Risiko: Faserfreisetzungspotential
Hinter diesem sperrigen Begriff steckt die Antwort, wie man mit welchen Produkten umgehen muss. Dabei hängt die potentielle, also die mögliche, Faserfreisetzung davon ab,
- wie schwach oder fest gebunden Asbest im Produkt eingebunden ist und
- wie man das Produkt bearbeitet.
Im Rahmen einer Gefährdungsbeurteilung muss vor Beginn der Arbeiten ermittelt werden, wie viele Fasern möglicherweise freigesetzt werden. Das geht nicht ohne Aufwand, denn es müssen viele Informationen über das zu bearbeitende Produkt und die Mengen verfügbar sein. Das geht in der Regel nicht ohne Analytik.
Ist eine mögliche Faserfreisetzung “bekannt” (genauer: wurde berechnet oder modelliert), wird eine Risikomatrix angewendet, mit deren Hilfe das Risiko der Arbeit mit den Produkten festgelegt wird. Anhand des Riskos, das in “niedrig”, “mittel” und “hoch” eingeteilt wird, müssen bestimmte, dem Risiko entsrechende Schutzmaßnahmen festgelegt werden.
Das klingt zunächst komplizierter, ist aber logischer, als die Einteilung nach schwach- und festgebunden, da sich diese Einteilung ausschließlich nach den Produkteigenschften richtet und nicht danach, ob auch ein Risiko (und in welcher Höhe) davon ausgeht.
Es spielen also immer beide Faktoren zusammen eine Rolle: Die Eigenschaft des Produktes und wie sehr man sich daran zu schaffen macht.
Hohe Faserfreisetzung bei
- Hohem Asbestanteil im Produkt
- Schwache Bindung oder Einbettung des Asbestes in ein Produkt
- Starke mechanische Bearbeitung
Niedrige Faserfreisetzung bei
- Geringem Asbestanteil im Produkt
- Starke Bindung oder Einbettung des Asbestes in ein Produkt
- Geringe oder keine mechanische Bearbeitung
Es ist immer die Kombination der oben genannten Punkte, wie leicht bzw. wie viele Fasern freigesetzt werden (können).