Die ehemals hochgelobten Eigenschaften von Asbest liegen auf der Hand: Nahezu unendliche (nach menschlichen Maßstäben) chemische Beständigkeit, hoch-feuerfest, lange, hauchdünne Fasern, die sich leicht weben und zu Textilien verarbeiten lassen und die hohe kostengünstige Verfügbarkeit haben dieses Material so beliebt gemacht. Und nicht nur das: Es war ein unglaublich profitabler Markt.
Diese – aus damaliger Sicht – großartigen Eigenschaften ließen sich über viele Jahrzehnte hinweg beobachten, messen, nachweisen. Dass Asbest die Ursache für viele Krebserkrankungen sein soll, dagegen nicht oder nur sehr schwer. Krebserkrankungen können schließlich viele Ursachen haben wie z.B. andere Umweltgifte, Rauchen, Alkohol, Kohlestaub, etc. Also tat man sich angesichts des wirtschaftlichen Erfolges von Asbestprodukten sehr schwer damit, seine Gefährlichkeit anzuerkennen.
Warum ist aber Asbest so gefährlich? Und wie gefährlich ist es für uns heute? Das erfahren Sie auf den folgenden Seiten. Beachten Sie beim Lesen aber bitte, dass die folgenden Schilderungen ausschließlich pysikalische und biologische Prozesse erläutern und völlig unabhängig von einem eventuellen Risiko betrachtet werden müssen.
Asbest hat eine knapp 3000-jährige Geschichte hinter sich, die längste Zeit davon sogar ziemlich erfolgreich. Viele Jahrzehnte galt Asbest als Wunderstoff wegen seiner vielfältigen und durchaus nützlichen und hochgelobten Eigenschaften. Asbest ist:
feuerfest,
ein ausgezeichnetes Hitzeschild,
beständig gegen viele Chemikalien,
leicht zu verarbeiten (unter anderem zu Textilien)
nahezu unbegrenzt verfügbar und
kostengünstig.
Wussten Sie, dass…
Asbestos alt-griechisch ist und soviel wie unvergänglich bedeutet? Das griechische Wort für Asbest ist hingegen Amiantos. Im Neu-Griechischen bedeutet Asbestos allerdings schlicht Kalkstein oder auch “gebrannter Kalk”, was geologisch etwas irreführend ist.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kennt man bereits die tödlichen Gefahren wie Asbestose, Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Mesotheliom (Rippenfellkarzinom). Letzteres wird nahezu ausschließlich durch Asbest ausgelöst und verläuft in über 90 % der Fälle tödlich.
1943 wurde (mitten im 2. Weltkrieg) Lungenkrebs infolge Asbestexposition als Berufskrankheit anerkannt. Angesichts der “Begleitumstände” fast schon zynisch. Dennoch hat es bis 2005 gedauert, bis die Herstellung und Verwendung von Asbest in Europa verboten wurde. Quebec, Kanada, einer der weltweit größten Produzenten des Rohstoffes, hat die Förderung und den Export von Asbest erst 2012 verboten.
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ca. 1000 bis ca. 200 vor Christus
ab 1820
1878
1879
1881
1900
1912
1920
1929
1939
1942
1943
1965
1969
1970
1971
1973
1979
1989
1990
1993
1999
2005
2008
2012
2018
2020
ca. 1000 bis ca. 200 vor Christus
Älteste bekannte Erwähnungen
Es ist bekannt, dass bereits die alten Römer und die alten Griechen Erfahrung mit Asbest hatten. Sie waren sogar bereits in der Lage und hatten das Wissen und das Geschick, Asbestfasern zu Gewebe zu verarbeiten, um daraus Leichentücher, Tischtücher und Taschentücher herzustellen, die im Feuer gereinigt werden konnten. Die Herstellung war jedoch so aufwändig, dass die Gewebe sehr kostbar waren und sich nur besonders wohlhabende Personen solchen Luxus leisten konnten.
beschreibt sehr ausführlich “immerwährende Dochte, die in einer Flamme nie vergehen und deren Licht besonders hell leuchtet”. Er berichtet von Tüchern aus Zypern und Karystos, die, wenn sie verschmutzt sind, nicht mit Wasser, sondern über Feuer gehalten werden und der Schmutz verbrennt, die Tücher aber nachher noch strahlender sind als zuvor.
Gründung der Firma Seitz in Bad Kreuznach. Herstellung von Asbestanschwemmfiltern (Zylinderfilter) für Filterung von Trübstoffen aus Wein ab 1892.
Seitz fand heraus, dass herkömmliche Filter nicht den gewünschten Effekt brachten und den Wein dauerhaft klar machten. Ohne eine wirkliche Idee zu haben, ob und warum Asbest in der Lage sein sollte, den gewünschten Effekt zu bringen, mischte er dennoch Asbest in den Wein und filterte diese Suspension durch die vorhandenen Filter wieder ab. Das Resultat war (mehr oder weniger unerwartet) eine dauerhaft glasklare Flüssigkeit ohne Geschmacksverlust oder veränderten Geschmack. Der perfekte Weinfilter war entdeckt.
Ein sehr interessanter Artikel über die Firma und ihre “Erfindung” finden Sie hier.
Gründung der Frankfurter Asbestwerke AG. Das erste Asbestwerk in Frankfurt am Main diente dazu, importierten Asbestrohstoff industriell zu verarbeiten. Zu den Produkten gehörten bereits damals Asbestwaren als Platten, Gespinste, Gewebe etc. Der Rohstoff wurde aus Russland und China importiert.
Der Österreicher Ludwig Hatscheck erhält als Besitzer einer Asbestzementfabrik das Patent für Eternit.
Asbestose wird erstmals als Krankheit beschrieben.
1912
Gründung der Fulgurit-Werke Luthe. Herstellung von Asbestzementplatten und Rohren, die “durch Blitze nicht beschädigt werden können”.
Eine der größten Fabriken für Asbestzementprodukte in Deutschland hinterließ auch nach deren Schließung im Jahr 2003 eine riesige Halde mit rund 170.000 Tonnen hochkontaminierten Asbest-Altlasten, deren Entsorgung bis heute ungeklärt ist.
“The operator, Clémence Gagnon, watches a machine carding asbestos fibre, Johns Manville factory, Asbestos, Que., 1944 / L’opératrice, Clémence Gagnon, observe la machine à carder les fibres d’amiante, usine Johns Manville, Asbestos, Qc, 1944” by BiblioArchives / LibraryArchives is licensed under CC BY 2.0
In Deutschland bestehen bereits 59 Asbestwerke zur Aufbereitung von Asbestrohstoff.
Die Arbeiter*innen waren täglich viele Stunden ohne jeden Schutz dem Rohmaterial ausgesetzt und haben Milliarden von Fasern eingeatmet.
1929
Gründung der Deutsche Asbestzement AG (DAZAG) in Berlin.
Ludwig Hatscheck, der Gründer der Eternitwerke, beteiligte sich anfangs mit 10%.
Im 2. Weltkrieg wurden Postsäcke, Zahnpasta, Getränkefilter, etc. aus Asbest hergestellt.
Spritzasbest wurde zum Brandschutz tragender Bauteile eingesetzt.
In dem amerikanischen Spielfilm “The Wizard of Oz (Der Zauberer von OZ)” mit Judy Garland wurde Chrysotilasbest als “falscher Schnee” (engl. “Fake snow”) eingesetzt. Die Schauspieler atmeten hohe Konzentrationen ein.
1942
In einem beeindruckenden Werbefilm wird die Entstehung von Asbest, dessen “wunderbare” Eigenschaften und die Herstellung von feuerfester Kleidung demonstriert.
Lungenkrebs infolge von Asbestbelastung wurde erstmals als Berufskrankheit anerkannt.
1965
Asbest (Chrysotil) Rohmaterial
Import von Asbest erreicht mit 170000 t pro Jahr seinen Höhepunkt. Zwischen 1950 und 1990 wurden rund 4,35 Mio Tonnen allein nach Westdeutschland als Rohstoff eingeführt.
In Deutschland wird Asbest offiziell als krebserzeugend eingestuft. Bis Ende der 60-er Jahre wurden in Westdeutschland rund 30000 km Trinkwasserrohre aus Asbestzement verlegt.
1971
Asbest im Babypuder
Im Babypuder des Herstellers Johnson & Johnson wird durch interne Kontrollen immer wieder Asbest nachgewiesen (zuletzt im Jahr 2000), aber nie an die Behörden gemeldet.
1973
Bis 1976 Errichtung des Palastes der Republik in Ost-Berlin.
ADN-ZB/Junge-24.4.86 Berlin: Der Palast der Republik an der Spreeseite des Marx-Engels-Platzes gehört zu den imposanten Wahrzeichen des Berliner Stadtzentrums. Das von namhaften Architekten der DDR entworfene, 180 Meter lange und 85 Meter breite Gebäude wurde am 25. April 1976 nach 32-monatiger Bauzeit übergeben. Im Palast der Republik finden alle fünf Jahre die Parteitage der SED statt. Die Volkskammer der DDR hat im Palast ihren Sitz. Seit seiner Eröffnung bietet das Haus am Marx-Engels-Platz vielfältige Möglichkeiten der Geselligkeit, der Kultur und Bildung. Es beherbergt das “Theater im Palast” (Tip), zeitgenössische Malerei der DDR, einen Jugendtreff, ein Bowlingzentrum und mehrere Gaststätten.
Asbest ist bisher in über 3000 Produkten enthalten.
Der amerikanische Schauspieler Steve McQueen erkrankt an Bauchfellkrebs (Mesotheliom). Er war starker Raucher und während seiner Dienstzeit bei der US Marine lange Zeit Asbest auf Schiffen ausgesetzt. Er starb ein Jahr später.
Amerikanische und Kanadische Wissenschaftler stellen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Asbest im Trinkwasser und Krebserkrankungen verschiedener Organe her. Trotz dieser Erkenntnisse streiten die Bundesregierung, die Gesundheitsämter und der Verband der Faserzementindustrie jegliche Gesundheitsgefahren durch Asbest im Trinkwasser ab.
Generelles Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest in der Schweiz und Österreich. Der Schweizer Lobbyverein Arbeitskreis Asbest hatte das Verbot bzw. die Klassifizierung als Gift entgegen aller medizinischen Erkenntnisse um mehr als 9 Jahre verzögert.
Bis Ende der 1970-er Jahre waren die Gesundheitsrisiken von Asbest fast nur unter Fachleuten ein Thema. Die Asbestlobby der Industrie sorgte dafür, dass die Gefahren lange unter dem Deckel gehalten wurden. Der «Arbeitskreis Asbest» der Zementindustrie engagierte sich mit Erfolg für die Verzögerung der Giftklassifizierung von Asbest in der Schweiz.
Ein EU-weites Verbot der Herstellung und Verwendung von asbesthaltigen Produkten tritt in Kraft. Das generelle Verbot aller 5 Amphibol-Asbestarten und die Einschränkung der Verwendung von Chrysotil-Asbest war bereits 1999 von der EU-Kommission beschlossen worden, erlaubte aber eine Frist bis 2005 für die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten.
2008
Logo der Rotterdam Convention Quelle Wikipedia
verhinderte Kanada als einzige westliche Industrienation auf der sogenannten Rotterdam-Konvention in Rom strengere Exportregeln für Asbest und eine Verpflichtung der Produzentenländer, ihre Abnehmer im Ausland vorab über die Gesundheitsrisiken zu informieren.
Ukraine, Kasachstan, Kirgisistan und besonders Russland lehnten eine Aufnahme von Asbest in Annex III (Liste der gefährlichen Chemikalien der UN) der Rotterdam Convention mit dem Argument ab, die krebserzeugende Wirkung von Chrysotil sei nicht erwiesen.
Erneuter Vorwurf gegen Johnson & Johnson, seit 1971 von Asbest im Babypuder gewusst und nie Meldung an die zuständigen Behörden gemacht zu haben.
2020
Ural Asbest wirbt mit dem Konterfei Donald Trumps wegen dessen angeblichem Lob für die absolut ungefährlichen Eigenschaften von Ural Asbest.
In Russland, China, Indien und Thailand wird noch immer Asbest in unvorstellbaren Mengen abgebaut und verkauft.
In den USA darf Asbest zwar nicht mehr abgebaut, gewonnen oder importiert werden. Die Verwendung ist allerdings noch immer legal.
Die Russische Firma Ural Asbest, weltweit größter Exporteur von Chrysotilasbest, wirbt mit dem Konterfei Donald Trumps, weil er angeblich die hervorragenden und absolut ungefährlichen Eigenschaften von Ural Asbest gelobt haben soll, um die Beziehungen zwischen Russland und den USA zu verbessern. Dies ist zumindest die Darstellung des CEO von Uralasbest. Fakt ist, nachdem Kanada als Hauptlieferant von Asbest ausgefallen ist, sucht Russland nach neuen Märkten. Und da in den USA zwar die eigene Produktion von Asbest verboten wurde, nicht aber der Import, sind sie ein potentieller Abnehmer. Zweifelhaft ist jedoch, ob Donald Trump tatsächlich Uralsasbest wegen seiner tollen Eigenschaften gelobt hat.
Chrysotil Asbest wurde noch immer nicht in die Liste Annex III der Rotterdam Convention aufgenommen, lediglich für die Aufnahme empfohlen. Dabei ist wichtig, dass diese Liste keineswegs Verbote beinhaltet, sondern lediglich, dass Exporteure die Empfänger vorab über die Gefährlichkeit informieren müssen.