Asbest hat eine knapp 3000-jährige Geschichte hinter sich, die längste Zeit davon sogar ziemlich erfolgreich. Viele Jahrzehnte galt Asbest als Wunderstoff wegen seiner vielfältigen und durchaus nützlichen und hochgelobten Eigenschaften. Asbest ist:
- feuerfest,
- ein ausgezeichnetes Hitzeschild,
- beständig gegen viele Chemikalien,
- leicht zu verarbeiten (unter anderem zu Textilien)
- nahezu unbegrenzt verfügbar und
- kostengünstig.
Seit Anfang des 20. Jahrhunderts kennt man bereits die tödlichen Gefahren wie Asbestose, Lungenkrebs, Kehlkopfkrebs, Mesotheliom (Rippenfellkarzinom). Letzteres wird nahezu ausschließlich durch Asbest ausgelöst und verläuft in über 90% der Fälle tödlich.
1943 wurde (mitten im 2. Weltkrieg) Lungenkrebs infolge Asbestexposition als Berufskrankheit anerkannt. Angesichts der “Begleitumstände” fast schon zynisch. Dennoch hat es bis 2005 gedauert, bis die Herstellung und Verwendung von Asbest in Europa verboten wurde. Quebec, Kanada, einer der weltweit größten Produzenten des Rohstoffes, hat die Förderung und den Export von Asbest erst 2012 verboten.
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ca. 1000 bis ca. 200 vor Christus
Älteste bekannte Erwähnungen
Es ist bekannt, dass bereits die alten Römer und die alten Griechen Erfahrung mit Asbest hatten. Sie waren sogar bereits in der Lage und hatten das Wissen und das Geschick, Asbestfasern zu Gewebe zu verarbeiten, um daraus Leichentücher, Tischtücher und Taschentücher herzustellen, die im Feuer gereinigt werden konnten. Die Herstellung war jedoch so aufwändig, dass die Gewebe sehr kostbar waren und sich nur besonders wohlhabende Personen solchen Luxus leisten konnten.
Sotakos
beschreibt sehr ausführlich “immerwährende Dochte, die in einer Flamme nie vergehen und deren Licht besonders hell leuchtet”. Er berichtet von Tüchern aus Zypern und Karystos, die, wenn sie verschmutzt sind, nicht mit Wasser, sondern über Feuer gehalten werden und der Schmutz verbrennt, die Tücher aber nachher noch strahlender sind als zuvor.
Theophrastos
erwähnt Asbest in einem Buch über Steine (“de lapidibus“) von Theophrastos von Eresos.
Plinius der Ältere
berichtet ebenfalls von Leichentüchern und Tischtüchern aus Asbest, die durch Feuer gereinigt werden konnten.
ab 1820

Illustration aus Antonio Vanossi “Der Mann im Asbest – Das Gewand aus Steinflachs (1831) © Kein Urheberrechtsschutz
Herstellung feuerfester Kleidung für Feuerwehrleute und Wärmedämmungen für Dampfmaschinen.
1831
veröffentlicht Antonio Vanossi seine Abhandlung über Experimente mit feuerfester Kleidung aus Asbest:
1878

Label eines Anschwemmfilters zur Filterung von Trübstoffen aus Wein der Firma Seitz © Hr. Kreckel, Wallhausen
Gründung der Firma Seitz in Bad Kreuznach. Herstellung von Asbestanschwemmfiltern (Zylinderfilter) für Filterung von Trübstoffen aus Wein ab 1892.
Seitz fand heraus, dass herkömmliche Filter nicht den gewünschten Effekt brachten und den Wein dauerhaft klar machten. Ohne eine wirkliche Idee zu haben, ob und warum Asbest in der Lage sein sollte, den gewünschten Effekt zu bringen, mischte er dennoch Asbest in den Wein und filterte diese Suspension durch die vorhandenen Filter wieder ab. Das Resultat war (mehr oder weniger unerwartet) eine dauerhaft glasklare Flüssigkeit ohne Geschmacksverlust oder veränderten Geschmack. Der perfekte Weinfilter war entdeckt.
Ein sehr interessanter Artikel über die Firma und ihre “Erfindung” finden Sie hier.
https://competence.khs.com/022018-die-khs-historie/reinen-wein-eingeschenkt/
1879

Jeffery mine in 1944, Asbestos, Quebec, Canada © Bryn Pinzgauer, CC-BY-2.0
Eröffnung einer der größten Asbestminen der Welt im Ort Asbestos, Quebec, Kanada. Die Jeffrey Mine wurde bis 2011 betrieben.
1881

Historische Aktie der Frankfurter Asbestwerke AG © mit freundlicher Genehmigung durch V. Malik, Scriposale.de
Gründung der Frankfurter Asbestwerke AG. Das erste Asbestwerk in Frankfurt am Main diente dazu, importierten Asbestrohstoff industriell zu verarbeiten. Zu den Produkten gehörten bereits damals Asbestwaren als Platten, Gespinste, Gewebe etc. Der Rohstoff wurde aus Russland und China importiert.
1900
1912
Gründung der Fulgurit-Werke Luthe. Herstellung von Asbestzementplatten und Rohren, die “durch Blitze nicht beschädigt werden können”.
Eine der größten Fabriken für Asbestzementprodukte in Deutschland hinterließ auch nach deren Schließung im Jahr 2003 eine riesige Halde mit rund 170.000 Tonnen hochkontaminierten Asbest-Altlasten, deren Entsorgung bis heute ungeklärt ist.
1920

“The operator, Clémence Gagnon, watches a machine carding asbestos fibre, Johns Manville factory, Asbestos, Que., 1944 / L’opératrice, Clémence Gagnon, observe la machine à carder les fibres d’amiante, usine Johns Manville, Asbestos, Qc, 1944” by BiblioArchives / LibraryArchives is licensed under CC BY 2.0
In Deutschland bestehen bereits 59 Asbestwerke zur Aufbereitung von Asbestrohstoff.
Die Arbeiter*innen waren täglich viele Stunden ohne jeden Schutz dem Rohmaterial ausgesetzt und haben Milliarden von Fasern eingeatmet.
1929
- Gründung der Deutsche Asbestzement AG (DAZAG) in Berlin.
- Ludwig Hatscheck, der Gründer der Eternitwerke, beteiligte sich anfangs mit 10%.
1939
- Im 2. Weltkrieg wurden Postsäcke, Zahnpasta, Getränkefilter, etc. aus Asbest hergestellt.
- Spritzasbest wurde zum Brandschutz tragender Bauteile eingesetzt.
- In dem amerikanischen Spielfilm “The Wizard of Oz (Der Zauberer von OZ)” mit Judy Garland wurde Chrysotilasbest als “falscher Schnee” (engl. “Fake snow”) eingesetzt. Die Schauspieler atmeten hohe Konzentrationen ein.

Spritzasbest in Rolladenkasten © Bild von SC+P Sieber Cassina und Partner auf polludoc.ch unter CC-BY-SA 4.0 Lizenz
1942
In einem beeindruckenden Werbefilm wird die Entstehung von Asbest, dessen “wunderbare” Eigenschaften und die Herstellung von feuerfester Kleidung demonstriert.
Die Asbestproduktion nimmt rasant Fahrt auf.
Aus dem Youtube-Archiv von British Pathé (©)
1943
1965
1969

Spritzasbest unter Betondecke © Bild auf polludoc.ch unter CC-BY-SA 4.0 Lizenz
Aufgrund der zunehmenden Zahl von Erkrankungen und dem Rückgang des Verbrauchs wird in der DDR Spritzasbest verboten.
1970
1971
Asbest im Babypuder
Im Babypuder des Herstellers Johnson & Johnson wird durch interne Kontrollen immer wieder Asbest nachgewiesen (zuletzt im Jahr 2000), aber nie an die Behörden gemeldet.
1973
Bis 1976 Errichtung des Palastes der Republik in Ost-Berlin.

ADN-ZB/Junge-24.4.86 Berlin: Der Palast der Republik an der Spreeseite des Marx-Engels-Platzes gehört zu den imposanten Wahrzeichen des Berliner Stadtzentrums. Das von namhaften Architekten der DDR entworfene, 180 Meter lange und 85 Meter breite Gebäude wurde am 25. April 1976 nach 32-monatiger Bauzeit übergeben. Im Palast der Republik finden alle fünf Jahre die Parteitage der SED statt. Die Volkskammer der DDR hat im Palast ihren Sitz. Seit seiner Eröffnung bietet das Haus am Marx-Engels-Platz vielfältige Möglichkeiten der Geselligkeit, der Kultur und Bildung. Es beherbergt das “Theater im Palast” (Tip), zeitgenössische Malerei der DDR, einen Jugendtreff, ein Bowlingzentrum und mehrere Gaststätten.
1979
-
Verbot von Spritzasbest in Westdeutschland.
-
Asbest ist bisher in über 3000 Produkten enthalten.
-
Der amerikanische Schauspieler Steve McQueen erkrankt an Bauchfellkrebs (Mesotheliom). Er war starker Raucher und während seiner Dienstzeit bei der US Marine lange Zeit Asbest auf Schiffen ausgesetzt. Er starb ein Jahr später.
1989
Amerikanische und Kanadische Wissenschaftler stellen einen ursächlichen Zusammenhang zwischen Asbest im Trinkwasser und Krebserkrankungen verschiedener Organe her. Trotz dieser Erkenntnisse streiten die Bundesregierung, die Gesundheitsämter und der Verband der Faserzementindustrie jegliche Gesundheitsgefahren durch Asbest im Trinkwasser ab.
Spiegel-Artikel vom 27.02.1989
Blanker Blödsinn – Das Umweltgift Asbest belastet auch das Trinkwasser. Das Gesundheitsministerium verharmlost die Gefahren.
1990
Generelles Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest in der Schweiz und Österreich. Der Schweizer Lobbyverein Arbeitskreis Asbest hatte das Verbot bzw. die Klassifizierung als Gift entgegen aller medizinischen Erkenntnisse um mehr als 9 Jahre verzögert.
Bis Ende der 1970-er Jahre waren die Gesundheitsrisiken von Asbest fast nur unter Fachleuten ein Thema. Die Asbestlobby der Industrie sorgte dafür, dass die Gefahren lange unter dem Deckel gehalten wurden. Der «Arbeitskreis Asbest» der Zementindustrie engagierte sich mit Erfolg für die Verzögerung der Giftklassifizierung von Asbest in der Schweiz.
Auszug aus:
Asbest: Seit 30 Jahren verboten, nach wie vor aktuell– Rück- und Ausblick aus gewerkschaftlicher Sicht. Vasco Pedrina, Dario Mordasini, Christine Michel
1993
Verbot der Herstellung und Verwendung von Asbest in Deutschland.
Genauer gesagt setzt die Bundesregierung mit dem Gesetz zu dem Übereinkommen Nr. 162 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24. Juni 1986 über Sicherheit bei der Verwendung von Asbest vom 12.01.1993 das Genfer Übereinkommen der Arbeitsorganisation Sicherheit bei der Verwendung von Asbest von 1986 um.
1999
Die Europäische Kommission verbietet Weißasbest (weitestgehend). Die Mitgliedsstaaten haben aber noch bis 2005 Zeit, die Richtlinie umzusetzen.
2005
Ein EU-weites Verbot der Herstellung und Verwendung von asbesthaltigen Produkten tritt in Kraft. Das generelle Verbot aller 5 Amphibol-Asbestarten und die Einschränkung der Verwendung von Chrysotil-Asbest war bereits 1999 von der EU-Kommission beschlossen worden, erlaubte aber eine Frist bis 2005 für die Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten.
2008
verhinderte Kanada als einzige westliche Industrienation auf der sogenannten Rotterdam-Konvention in Rom strengere Exportregeln für Asbest und eine Verpflichtung der Produzentenländer, ihre Abnehmer im Ausland vorab über die Gesundheitsrisiken zu informieren.
Ukraine, Kasachstan, Kirgisistan und besonders Russland lehnten eine Aufnahme von Asbest in Annex III (Liste der gefährlichen Chemikalien der UN) der Rotterdam Convention mit dem Argument ab, die krebserzeugende Wirkung von Chrysotil sei nicht erwiesen.
2012

Größte Asbestmine der Welt in Asbestos, Kanada © Bryn Pinzgauer CC-BY-SA 2.0
Stillegung der größten Asbestmine der Welt in dem Örtchen Asbestos, Quebec, Kanada.
2018
2020

Ural Asbest wirbt mit dem Konterfei Donald Trumps wegen dessen angeblichem Lob für die absolut ungefährlichen Eigenschaften von Ural Asbest.
In Russland, China, Indien und Thailand wird noch immer Asbest in unvorstellbaren Mengen abgebaut und verkauft.
In den USA darf Asbest zwar nicht mehr abgebaut, gewonnen oder importiert werden. Die Verwendung ist allerdings noch immer legal.
Die Russische Firma Ural Asbest, weltweit größter Exporteur von Chrysotilasbest, wirbt mit dem Konterfei Donald Trumps, weil er angeblich die hervorragenden und absolut ungefährlichen Eigenschaften von Ural Asbest gelobt haben soll, um die Beziehungen zwischen Russland und den USA zu verbessern. Dies ist zumindest die Darstellung des CEO von Uralasbest. Fakt ist, nachdem Kanada als Hauptlieferant von Asbest ausgefallen ist, sucht Russland nach neuen Märkten. Und da in den USA zwar die eigene Produktion von Asbest verboten wurde, nicht aber der Import, sind sie ein potentieller Abnehmer. Zweifelhaft ist jedoch, ob Donald Trump tatsächlich Uralsasbest wegen seiner tollen Eigenschaften gelobt hat.
Hier ist der Artikel der New York Times zum Thema
Chrysotil Asbest wurde noch immer nicht in die Liste Annex III der Rotterdam Convention aufgenommen, lediglich für die Aufnahme empfohlen. Dabei ist wichtig, dass diese Liste keineswegs Verbote beinhaltet, sondern lediglich, dass Exporteure die Empfänger vorab über die Gefährlichkeit informieren müssen.
Merken Sie sich bitte die Jahreszahlen der Asbestverbote in Deutschland und in Europa. Wenn Sie auch wissen, wann Eternit erfunden wurde, ist das ein Plus.