Wie zuverlässig sind Raumluftmessungen?

Alle Maßnahmen im Zusammenhang mit Arbeiten und im Umgang mit Asbest verlangen an einer oder mehreren Stellen Messungen der Faserkonzentration in der Raumluft. Dies dient der Antwort auf folgende Fragen:

  • Werden Richt- und Grenzwerte eingehalten?
  • Sind Arbeitsplätze frei von Asbest und sicher?
  • Sind Maßnahmen erforderlich und wenn ja, welche?

Die Regeln für die Messungen der Faserkonzentration sind streng, aber auch recht starr und deshalb nicht möglicherweise für alle Fragestellungen anwendbar. Der Folgende Beitrag befasst sich mit den Schwachstellen der vorgegebenen Regeln.

Wird überhaupt Asbest frei und wenn ja, wieviel?

Diese Frage kann nicht pauschal beantwortet werden. Nur ein Test mit meßtechnischer Begleitung kann Gewissheit bringen. Bis dahin ist eine Faserfreisetzung im Umgang mit Asbest zwar wahrscheinlich (oder zumindest nicht auszuschließen), aber die Anzahl der Fasern, die Verteilung und Verdünnung auf das gesamte Raumvolumen, insbesondere bei Frischluftzufuhr, sind sehr spekulativ.

  • Was sagen diese Daten eigentlich aus?
  • Ist dies die Faserkonzentration, der eine Person in einem betroffenen Raum ausgesetzt wäre?
  • Und wenn ja, wie lange?
  • Wo genau wurde gemessen?
  • Wie wird diese Zahl überhaupt berechnet?
  • Und kann man diese Berechnung auf die Problematik überhaupt anwenden?

Wie die Raumluftkonzentration von Asbestfasern generell gemessen und berechnet wird, ist in der DGUV Information 505-46 (bzw. früher: BGI/GUV-I 505-46) sowie in der VDI Vorschrift 3492 genau vorgegeben. Die Frage ist nur: Sind die relativ starren Vorgaben dieser Regeln für alle Zwecke anwendbar?

Wie aussagekräftig sind die Zahlen?

Sammler bzw. Monitor zur Sammlung von Fasern aus der Raumluft © Heiko Hofmann

Gesammelt bzw. gemessen wird, indem eine Saugpumpe ein bestimmtes Luftvolumen durch eine poröse Membran mit definerter Fläche saugt. Die in der Luft enthaltenen Fasern bleiben auf der Membran liegen und können im Rasterelektronenmikroskop analysiert und gezählt werden.

In die Berechnung fließen folgende Parameter ein:

  • V = Angesaugtes Volumen in m3
  • Aeff = Effektive Fläche des Probenträgers in mm2
  • nF = Anzahl der nachgewiesenen Asbestfasern
  • a = Fläche des Zählfeldes in mm2
  • N = Anzahl der ausgezählten Zählfelder
  • Q = Volumenstrom in m3/h
  • t = Meß- bzw. Sammeldauer in Stunden (h)

Das angesaugte Volumen kann über die Meßdauer (t) in Stunden und den an der Saugpumpe eingestellten Volumenstrom (Q) in m3/h berechnet werden:

V = Q • t

Die Berechnungsformel für die Faserkonzentration pro m3 Raumluft lautet

CF = (nF • A) / (N • a • V)

REM Bildausschnitt (rechts) des Probenträgers (links) © Heiko Hofmann

Beispiel: Es wurden 20 Fasern gezählt, das Volumen waren 100 Liter (= 0,1 m3), die Fläche des Zählfeldes ist 1,6 mm2, es wurde 1 Zählfeld ausgewertet und die effektive Fläche der Membran ist 380 mm2. Somit ergibt sich für die Faserkonzentration

CF = 20 • 380mm2 / 1 • 1,6 mm2 • 0,1 m3 = 47500 Fasern / m3 Raumluft

Eine stolze Zahl angesichts nur 20 identifizierter und gezählter Fasern! Man fragt sich nun zu Recht: Kann das sein?

Immerhin wurde streng nach Vorschrift gerechnet. Im Gutachten steht dann: bei der Messung wurde eine Faserkonzentration von 47500 Fasern / m3 Raumluft nachgewiesen.

Bedenkt man den Grenzwert von 500 Fasern, der Maßnahmen nach TRGS 519 notwendig macht, liegen wir hier um Größenordnungen darüber. Das bedeutet Sperrung des gesamten an die Lüftung angschlossenen Bereichs! Bei nur 20 gezählten Fasern.

Aber nochmal einzeln und nacheinander: Die 20 Fasern liegen auf 1,6 mm2. Das bedeutet, dass auf den gesamten 380mm2 des Probenträgers bei gleichmäßiger Belegung 4750 Fasern liegen. Diese 4750 Fasern befanden sich in 100 Litern Luft. Rechnet man auf 1m3 hoch, ergeben sich entsprechend 47500 Fasern pro m3. Soweit nachvollziehbar, richtig?

Wenn 100 Liter Luft 4750 Fasern enthalten,

dann enthält 1m3 47500 Fasern © Heiko Hofmann

Stimmt die Berechnung?

Nun muss man berücksichtigen, dass “nur” 100 Liter angesaugt wurden. Wäre dieselbe Faserkonzentration herausgekommen, wenn man tatsächlich 1000 Liter Luft angesaugt hätte? Denn das ist die Aussage der berechneten bzw. extrapolierten Faserkonzentration!

Wenn ein Freisetzungsereignis nur wenige Sekunden dauert und deshalb die Probennahmedauer auf wenige Minuten bzw. auf ein kleineres Volumen verringert werden kann, ist diese Zahl irreführend:

Zwar ist tatsächlich die Überlegung, die Meßdauer zu verkürzen, nachvollziehbar – aber darf man dann auf 1000 Liter “hochrechnen”? Dies würde voraussetzen, dass in jedem Teilvolumen von je 100 Litern dieselbe Faserzahl vorhanden ist, die sich bis zum Erreichen des Volumens von 1000 Litern aufsummieren.

Werden aber während des Ereignisses tatsächlich nur Fasern innerhalb weniger Sekunden frei,  und danach kommen keine Fasern mehr nach, dann kann man die lineare Berechnung nicht mehr anwenden!

In diesem Fall könnten die 20 Fasern auf dem Zählfeld bereits nach 2 Sekunden oder einer Minute (bzw. im der Sammeldauer entsprechenden Volumen) enthalten gewesen sein.

Nimmt man also an, dass die Fasern innerhalb einer Minute oder innerhalb eines Anfangsvolumens von 1 Liter enthalten waren und danach nur noch saubere Luft angesaugt wird, ergeben sich bei Anwendung dieser Formel signifikant unterschiedliche Werte für die Faserkonzentration in 1000 Litern Luft. Die Hochrechnung wäre schlicht falsch!

Abhängigkeit der Faserkonzentration von gesammelten Volumen bzw. der Sammelzeit bei konstanter Zahl der gezählten Fasern (hier 20) © Heiko Hofmann

Angenommen, die 20 Fasern wären bereits nach 1 Sekunde auf dem Träger zusammengekommen und änderte sich danach nicht mehr, wäre es zwar unerheblich, ob die Messung nach 10 Sekunden, 1 Minute oder 1 Stunde gestoppt würde. Da aber das gesamte gesammelte Volumen in die Berechnung mit einfließt, ändert sich das Endergebnis signifikant.

Wäre die Faserzahl also konstant (nach 1 Sekunde) bei 20 und würde man die Sammlung nach 1 Minute stoppen, wäre die (berechnete) Konzentration bei rund 4 Millionen Fasern. Nach einer Sammeldauer von 24 Stunden hingegen nur noch rund 300 Fasern/m3. Vorausgesetzt, man wendet die lineare Formel der Vorschrift starr an.

Wann kann die lineare Formel verwendet werden?

Ausschließlich, wenn die Verteilung der Fasern in einem theoretisch unendlichen Volumen gleichmäßig ist und wenn die Zahl der angesaugten Fasern je Zeitintervall konstant ist. Dies wäre nur in einem statischen und geschlossenen System möglich.

Faserkonzentration in der Raumluft konstant und unabhängig vom Zeitpunkt der Sammlung © Heiko Hofmann

Zunahme der Fasern auf dem Sammler konstant – Anstieg linear. In jedem Zeitintervall wird dieselbe Faserzahl gesammelt © Heiko Hofmann

Dieses Setting ist allerdings unrealistisch:

  • Fasern sind nie genau gleichmäßig verteilt
  • Das Volumen ist immer begrenzt
  • Es strömt immer von irgendwo saubere Luft nach.

Faserkonzentration bei einem kurzzeitigen Ereignis: Sie steigt stark an und fällt danach aufgrund von Verdünnungseffekten wieder ab. Konzentration abhängig von der Zeit und vom Volumen © Heiko Hofmann

Zunahme der Faserzahl auf dem Sammler nicht linear. Steiler Anstieg, danach kommen keine neuen Fasern nach, ein Plateau wird erreicht unabhängig, wie lange danach noch gesammelt wird © Heiko Hofmann

Auf das Setting kommt es an

Das bedeutet, mit nur einem Meßwert ist es unmöglich, ein dynamisches System zu beschreiben, bei dem Fasern in einem plötzlichen Ereignis freigesetzt werden und sich die Faserkonzentration danach nur noch durch Frischluft verdünnt.

Um die Faserkonzentration in 1 m3 Luft zu bestimmen muss deshalb auch mindestens 1 m3 Luft gesammelt werden. Erst dann hat man eine annähernd belastbare Zahl. Die Meßrichtlinien der VDI und DGUV verlangen auch, ein ausreichend großes Volumen zu beproben!

Zusätzlich muss das gesamte betroffene Raumvolumen berücksichtigt werden. Die Verdünnung ist unter Umständen extrem und da stellt sich die Frage, wird der Grenzwert von 500 Fasern überhaupt erreicht und muss der angeschlossene Bereich tatsächlich gesperrt werden?

Ist zusätzlich zur frischen Zuluft noch eine Abluftabsaugung hinzugeschaltet, wird die kontaminierte Luft bei entsprechendem Luftwechsel innerhalb nur kurzer Zeit vollständig “gewaschen”.

Will man im Rahmen einer geplanten Untersuchung die Faserkonzentration der bei einem Ereignis freigesetzten Fasern im angeschlossenen Arbeitsbereich verlässlich feststellen, muss das gesamte Beprobungs- und Meß-Setting genau geplant werden und man benötigt mehr als nur eine Probe. Das bedeutet natürlich auch etwas höhere Kosten. Aber lieber ein durchdachter “Versuchsaufbau” als ein unbrauchbares Ergebnis für weniger Geld.

Falls die Faserkonzentration nach einem unbeabsichtigten Ereignis festgestellt werden soll, muss man die seit dem Ereignis sedimentierten Fasern durch eine Nutzungssimulation erneut aufwirbeln und möglichst gleichmäßig im Raum verteilen. Zuluft oder Umluftanlagen müssen während der Messung abgestellt sein und die Messung muss mindestens 1 m3 Volumen ansaugen oder solange dauern, bis mindestens 1m3 angesaugt wurde. Besser 8 Stunden oder mindestens 4 m3.

7 Fragen zu “Wie zuverlässig sind Raumluftmessungen?

  1. Nina Kunz

    Guten Tag Herr Hofmann,
    ich habe in der Tür meines alten, nicht mehr benutzten Kachelofen eine teils mit Mörtel (?) bedeckte Asbestschnur gefunden (vom Labor bestätigt). Rückblickend bereue ich es die Probe selbst genommen zu haben, da ich damit sicher Fasern freigesetzt habe (ich habe ein feuchtes Tuch beim Abschneiden um die Schnur gehalten, den Raum lange gelüftet und gewischt – es gibt jedoch große Spalten im Dielenboden die sich nicht wischen lassen). Meine Hausverwaltung hat jetzt einen Gutachter eingeschaltet, der einen recht “lockeren” Umgang mit Asbest zu haben scheint. Ich habe die Wohnung erst einmal verlassen und ihn gebeten eine Raumluftmessung durchzuführen, damit ich weiß ob ich sicher zurückkehren kann. Er sagte mir, dass er eine solche Messung nicht unbedingt für sinnvoll hält, stattdessen sollte die Schnur aber (ohne dass eine richtige Sanierung notwendig wäre) ggf. entfernt werden und er würde nach weiteren potentiell asbesthaltigen Materialien in der Wohnung schauen und sie ggf. beproben. Fänden Sie eine Raumluftmessung, vor einer Rückkehr in die Wohnung, sinnvoll? Und wäre eine Beprobung weiterer Stellen im Raum Ihrer Meinung nach überhaupt nötig, wenn eine Raumluftmessung eine Gefahr ausschließen würde? Vielen Dank im Voraus und viele Grüße

    1. Heiko Hofmann

      Guten Tag Frau Kunz,
      würden Sie bitte einen Beratungstermin vereinbaren? Ihre Fragen lassen sich an dieser Stelle nicht in Kürze, nicht einfach und nicht mit der gebotenen Diskretion beantworten.
      Besten Dank und freundliche Grüße,
      Heiko Hofmann

  2. Rabea Hauschildt

    Guten Tag,
    In unserem Klassenraum wurden unsachgemäße Bohrungen vorgenommen. Lt. Einer Luftraummessung ( ca. 15 Stunden) gibt es keine Belastung. Jedoch wurde nicht Nutzungsbedingt gemessen. Wir machen uns Sorgen, inwieweit Ablagerungen in den Räumen und auf den Arbeitsmaterialien vorliegen. Können Sie uns diesbezüglich mitteilen, ob die Nutzung unbedenklich ist?

    1. Heiko Hofmann

      Guten Tag Frau Hauschildt,

      In unserem Klassenraum wurden unsachgemäße Bohrungen vorgenommen.
      Unsachgemäße Bohrungen?
      Lt. Einer Luftraummessung ( ca. 15 Stunden) gibt es keine Belastung.
      Das ist doch gut!
      Jedoch wurde nicht Nutzungsbedingt gemessen.
      Was veranlasst Sie zu dieser Beurteilung?
      Wir machen uns Sorgen, inwieweit Ablagerungen in den Räumen und auf den Arbeitsmaterialien vorliegen.
      Es wurde doch nichts gemessen…
      Können Sie uns diesbezüglich mitteilen, ob die Nutzung unbedenklich ist?
      Es wurde keine Belastung festgestellt… Das würde ich als unbedenklich bezeichnen…

      Mit freundlichen Grüßen,
      Heiko Hofmann

  3. Stefanie Radloff

    Guten Tag,
    Wir haben aktuell den Fall an unserem Gymnasium, dass die Brandschutzklappen (BSK) mit Asbest belastet sind und eigentlich eine Frist ausgewiesen wurde, die BSK zu tauschen. Leider hat unser Schulträger dies bislang nicht umgesetzt und sichert sich ab, indem Raumluftmessungen durchgeführt wurden, die bestätigen sollen, dass aktuell keine Gefahr durch Asbest in der Luft besteht.
    Leider wurden nur Raumluftmessungen in Räumen vorgenommen, die von den bemängelten BSK nicht betroffen sind. Daher meine Frage, sollten solche Messungen nicht in den Räumen stattfinden, in denen die BSK verbaut sind? Zudem wurden nur Räume wie Putzkamner/Abstellraum auserwählt, statt Fach bzw. Klassenräume.
    Ich hoffe, Sie können mir bei meiner Verständnisfrage helfen.

    Vielen Dank

    Mit freundlichen Grüßen
    Stefanie Radloff

    1. Heiko Hofmann

      Guten Tag Frau Radloff,

      Raumluftmessungen sollten sinnvollerweise in den Räumen durchgeführt werden, die an den Zuluftstrang der jeweiligen Brandschutzklappe angeschlossen sind und in denen sich häufig Personen aufhalten. Das müssen also nicht zwangsläufig nur Räume sein, wo die BSK direkt angrenzt, sondern auch weiter entfernte. Wichtig ist auch die Zuluft und nicht die Abluft. Es gibt ja auch BSK im Abluftstrang. Außerdem nützt es nichts, Raumluftmessungen durchzuführen, nachdem beim Test eventuell freigesetzte Fasern schon wieder weggeblasen oder verdünnt wurden. Um die Freisetzung von Fasern durch einen BSK Test festzustellen, sollte man natürlich während des Tests messen und nicht irgendwann viel später. Vielleicht wurde auch ohne jeglichen BSK Test gemessen. Dann würden die BSK aber automatisch ihre Zulassung verlieren.
      Wer hat denn die Messungen vorgenommen? Das sollte doch ein Sachverständiger oder Gutachter gewesen sein, der die Messungen sinnvoll plant und so durchführt, dass die Sicherheit der Beschäftigten und Schüler*innen im Vordergrund steht..
      Viele Grüße,
      Heiko Hofmann

      1. Stefanie Radloff

        Guten Tag Herr Hofmann,

        Vielen Dank für Ihre Rückmeldung, das hilft mir schon sehr weiter.
        Ich wünsche Ihnen schöne Feiertage!

        Viele Grüße

        Stefanie Radloff

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